Verteidiger fordert bedingte Strafe für Mutter wegen Kindstötung
Staatsanwalt fordert eine Freiheitsstrafe von acht Jahren

Vor dem Luzerner Kriminalgericht hat der Verteidiger für eine Frau, die nach der Geburt ihren Bub tötete, eine bedingte Freiheitsstrafe von 20 Monaten gefordert. Dass der Zwillingsbruder später tot zur Welt kam, sei der Beschuldigten strafrechtlich nicht anzulasten.
Der Staatsanwalt hatte am Mittwoch eine Freiheitsstrafe von acht Jahren gefordert. In seiner Einschätzung hatte sich die bei der Tat knapp 20 Jahre alte Frau der vorsätzlichen Tötung schuldig gemacht, als sie den Erstgeborenen, nach einer Hausgeburt in der Badewanne, im Keller tötete. Im Falle des totgeborenen Kindes habe sie sich mindestens der eventualvorsätzlichen Tötung schuldig gemacht, weil sie nach der ersten Geburt keine medizinische Hilfe in Anspruch nahm.
Der Verteidiger beantragte dem Gericht dagegen, seine Mandantin nur wegen des Tods des Erstgeborenen zu verurteilen, und zwar nicht wegen vorsätzlicher Tötung, sondern wegen Kindstötung. Dieser Tatbestand sieht für Mütter, die ihr Kind während der Geburt oder unter dem Einfluss des Geburtsvorgangs töten, eine milde Strafe vor.
Vom Kindsvater im Stich gelassen
Die Frau war im Dezember 2015 im siebten Monat schwanger gewesen, als unvermittelt die Wehen einsetzten. Die Beschuldigte sagte vor Gericht, der Kindsvater habe sich von ihr getrennt, weil sie eine Abtreibung verweigert habe. Die Schwangerschaft habe sie vor ihren Eltern und ihrer Schwester, mit der sie in einer Dreieinhalbzimmerwohnung lebte, geheim gehalten.
Die junge Frau hatte einen guten Teil ihrer Kindheit bei den Grosseltern in Serbien verbracht. Zu ihren Eltern hatte sie offenbar ein schwieriges Verhältnis. Sie wisse nicht, was passiert wäre, wenn sie ihnen von der Schwangerschaft erzählt hätte, sagte die Beschuldigte. Sie habe wegen der Kontrolle durch ihre Eltern auch keinen Arztbesuch machen können, sagte der Verteidiger.
Auf Youtube informiert
Die anstehende Geburt traf die junge Frau völlig unvorbereitet. Auf Youtube informierte sie sich darüber, wie eine Geburt abläuft. Als der Erstgeborene entgegen der Erwartungen nicht schrie und nicht an der Brust saugen wollte, glaubte die Beschuldigte, alles falsch gemacht zu haben. Nach Monaten voller Problemen habe sich die Frustration gesteigert und entladen, sagte der Verteidiger.
Die Frau tötete im Keller den Neugeborenen, in dem sie ihn gegen die Wand drückte und auf den Boden schlug. Sie habe Wut verspürt, sagte sie vor Gericht. Was in ihrem Kopf vorgegangen sei, wisse sie nicht.
Rund 31 Stunden nach der ersten Geburt gebar die Beschuldigte, wiederum in der Badewanne, den Zwillingsbruder. Dieser kam tot zur Welt. Für diesen Todesfall forderte die Verteidigung einen Freispruch. Es gebe keine Indizien, dass seine Mandantin dieses Kind habe loswerden wollen. Eine Hausgeburt sei keine Verletzung der Fürsorgepflicht, und es sei nicht gesichert, dass der Bub mit medizinischer Hilfe lebend zur Welt gekommen wäre.
Staatsanwalt zeichnet negatives Bild
Die Beschuldigte machte vor Gericht den Eindruck einer jungen Frau, die in beengenden familiären Verhältnissen lebte sowie naiv und überfordert war. Der Staatsanwalt sagte, dass dies nur gespielt sei. Die Frau sei berechnend und habe ihre Interessen über die der unschuldigen Säuglinge gestellt. Sie habe ihre Probleme vor sich hingeschoben und sich ihrer am Ende auf eine Art entledigt, wie sie es auf dem grosselterlichen Bauernhof in Serbien gelernt habe.