Oeschinensee BE: Touris pöbeln, weil sie «nicht zurückkehren»

Das Wirte-Paar Wandfluh am Oeschinensee BE hat genug: Das Berghotel bleibt zu, zudem setzt man nur noch auf Self-Service. Warum pöbeln Gäste in ihrer Freizeit?

Der Oeschinensee ist bei Touris äusserst beliebt. Das Berghotel beklagte sich nun über Pöbeleien und Respektlosigkeit. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Im Berghotel am Oeschinensee gibt es im Restaurant nur noch Selbstbedienung.
  • Der Grund: Pöbeleien, Respektlosigkeit und Arroganz der Gäste, so das Wirte-Paar.
  • In der Region bedauert man den Schritt, sieht aber Chancen im neuen Konzept.
  • Wie konnte es in Kandersteg BE so weit kommen? Ein Experte schätzt ein.

Lea und Christoph Wandfluh haben genug. Das Paar betreibt das Restaurant und Berghotel Oeschinensee oberhalb von Kandersteg BE in fünfter Generation. Ab sofort gibt es nur noch Selbstbedienung, das Hotel bleibt sogar ganz geschlossen.

Es würden «kaum erfüllbare Gästeerwartungen» herrschen. Die «abschätzigen Bemerkungen und gar Morddrohungen» würden selbst sie als erfahrene Gastronomen aus der Fassung bringen.

Das Gastro-Paar Wandfluh hat genug von den Pöbeleien – und schliesst das Berghotel Restaurant Oeschinensee. - Facebook / Berghotel Restaurant Oeschinensee

In Kandersteg bedauert man die Hotel-Schliessung

Unter dem Facebook-Post zeigen sich viele User bestürzt. Und auch in der Branche der Region ist man enttäuscht. «Die Schliessung des Hotels bedauern wir sehr», sagt Silvia Nüesch, von Tourismus Adelboden-Lenk-Kandersteg.

Trotzdem: In der Angebots-Änderung zum Self-Service sehe man für Gäste sowie Mitarbeiter auch Chancen. «Es gab in den letzten Jahren zahlreiche gut besuchte Orte in der Schweiz, die ihr Angebot aufgrund des sehr starken Gästeaufkommens in diese Richtung verändert haben.»

Auch an anderen Touri-Hotspots brauchts eine «dicke Haut»

Dass nun andere Hotels aufgrund des Berghotel-Ehepaars in der Region ebenfalls schliessen, befürchte man nicht.

In einer Nau.ch-Umfrage zeigen sich auch andere Schweizer Hotspots eher gelassen. Sara Bösch von der Säntis-Schwebebahn sagt etwa: «Grösstenteils ist die Stimmung bei Ausflügen bei den Gästen gut, gelassen und freundlich. Es kann Situationen geben, in welchen eine dickere Haut von Vorteil ist.»

Der Arbeitgeberverband Gastrosuisse bestätigt, dass solche Rückmeldungen «eher selten» seien.

Touris verhalten sich respektloser, wenn sie nicht zurückkehren

Trotz Entwarnung aus anderen Destinationen – die Worte der Wandfluhs erschrecken. Wie kann es zu einem derartigen Konflikt zwischen Gästen und Gastgebern kommen?

Claude Messner ist Verhaltensforscher an der Uni Bern. Er untersucht, warum Menschen tun, was sie tun. Bei Nau.ch ordnet er ein.

An einem Touristen-Ort gibt es viele Eintages-Gäste. «Die Bereitschaft, sich respektvoll zu verhalten, ist in den Situationen grösser, in denen man sich häufiger sieht.»

Umfrage

Waren Sie schon einmal am Oeschinensee in Kandersteg BE?

Ja.
66%
Nein.
34%

Das gelte aber für beide Seiten in der Gastronomie: «Wir kennen alle die Touristenfallen, zu denen wir nicht ein zweites Mal gehen. Ebenso ist manch respektloses Verhalten von Gästen nur an Orten denkbar, an die sie nicht zurückkehren.»

«Werden Gäste langsamer bedient, sind sie verärgert»

Messner kann sich als Auslöser der Pöbeleien den Personalmangel vorstellen. Das Team des Restaurants ist massiv geschrumpft, von 38 Mitarbeitenden sind nur noch 23 da.

Der Experte stellt klar: «Ich kenne die Details in diesem Restaurant nicht. Aber das ist eine häufige Ursache von Ärger. Wir haben eine Vorstellung, wie schnell wir unsere Ziele erreichen. Wenn dies langsamer geschieht als erwartet, entstehen negative Emotionen.»

Heisst bei Gästen: «Sie sind verärgert, wenn sie langsamer bedient werden.»

An besonderen Orten herrschen besondere Erwartungen

Entscheidend sind also die Erwartungen. Und diese können bei Restaurant-Gästen auch unrealistisch sein, so Messner: «Es ist gut möglich, dass an freien Tagen und bei einem Ausflug an einen der schönsten Orte der Welt ganz besondere Erwartungen vorherrschen.»

Influencer und soziale Medien könnten diese Bildung von überhöhten Erwartungen oftmals noch zusätzlich fördern.