Krieg zwischen Velo- und Autofahrern in Genf: Das steckt dahinter

Trotz Corona-Regeln fand mitten in Genf eine Velo-Demo mit 2000 Personen statt. Hintergrund sind neue, umstrittene Verkehrsregeln zugunsten von Velofahrern.

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Giancarlo Mariani/GHI - So sah es bei der Velo-Demo in Genf aus.

Das Wichtigste in Kürze

  • 2000 Velofahrer demonstrierten am Montagabend in Genf für neue Velowege.
  • Die Polizei stoppte den Velo-Corso trotz Coronaregeln nicht.
  • Hintergrund sind neue Verkehrsregeln zugunsten einer «sanften Mobilität».

Gestern kurz nach 18 Uhr mitten in Genf. Rund 2000 Velofahrer sind einem Aufruf in sozialen Medien gefolgt. Sie demonstrieren mitten in der Rhônestadt mit einem Velo-Corso für mehr Velowege, insbesondere auch im Zentrum von Genf.

Auf Fotos und Videos in sozialen Medien sind die Velo-Demonstranten zu sehen, wie sie ohne Social Distancing durch Genf radeln. Der Autoverkehr kommt zum Stillstand.

Auch das Demo-Verbot in Corona-Zeiten scheint in Genf ausser Kraft gesetzt. Wie die «Tribune de Genève» schreibt, kam es vereinzelt zu Auseinandersetzungen zwischen Velofahrern und Automobilisten.

Polizei schaut nur zu

Die Polizei war vor Ort. «Wir schauten, dass das Ganze nicht aus dem Ruder läuft», sagt Polizeisprecher Silvain Guillaume-Gentil zu Nau.ch.

Weshalb stoppte die Polizei die Velo-Demo angesichts der Corona-Verbots nicht? Der Sprecher antwortet: «Wir haben seit 14 Tagen wieder vermehrt Gruppen, die sich vor allem beim Bahnhof Cornavin zusammentun wollen. Das unterbinden wir natürlich. Bei einer Velo-Demo ist das komplizierter.»

Behörden suchen jetzt Anführer

Nau.ch versuchte auch herauszufinden, ob die Velo-Demo überhaupt bewilligt war. Die Genfer Polizei fühlt sich nicht in der Pflicht. «Wir sind nicht zuständig für Bewilligungen. So wie es aber aussieht, gab es gar kein Gesuch», sagt der Polizeisprecher.

Das bestätigt schliesslich am späten Nachmittag das Genfer Sicherheits-Departement. «Die Velo-Demo fand ohne Bewilligung statt. Es wurde im Vorfeld auch kein Antrag gestellt», sagt Sprecher Laurent Paoliello. «Bei der Demo wurden unter anderem die Corona-Abstandsregeln nicht eingehalten.»

Man versuche nun, die Anführer der Velo-Demo zu eruieren. «Diese müssen dann mit einer Anzeige rechnen», so der Sprecher.

Beschluss des Staatsrates

Beim Departement für Infrastruktur tönt es versöhnlicher. «Es ist der klassische Krieg zwischen den verschiedenen Transportteilnehmern», sagt Sprecher Roland Godel. Das Departement von CVP-Staatsrat Serge Dal Busco ist zuständig für die Umsetzung der neusten Verkehrspolitik in Genf.

Und diese hat es in sich: Der siebenköpfige Staatsrat beschloss am 30. April angesichts der Lockerung des Corona-Lockdowns, einschneidende Massnahmen zugunsten von Velofahrern und Fussgängern.

«Sanfte Mobilität» als neue Devise

Im Zentrum steht eine Politik der «sanften Mobilität». Konkret heisst das: Es werden auch in der Innenstadt mehr Velowege geschaffen. Gleichzeitig werden Parkplätze für Autofahrer aufgehoben und mehr 30er-Zonen errichtet.

Die Genfer Behörden empfehlen den Einwohnern, jetzt entweder den ÖV oder das Velo zu benutzen.

Rund 2000 Velofahrer demonstrierten am Montag in Genf trotz Coronavirus für mehr Velowege. - Twitter/@V_Dujoux

Mit den Massnahmen sollten Staus verhindert werden, die bei einem grösseren Fahrzeug-Aufkommen nach dem Lockdown erwartet würden, heisst es in einer Mitteilung des Infrastruktur-Departements. Gleichzeitig solle damit ein «übertriebener Anstieg der Umweltverschmutzung durch die Wiederaufnahme des Autoverkehrs verhindert werden.»

Die Massnahmen sind offiziell provisorisch für 60 Tage in Kraft, doch sie können verlängert werden.

Infrastruktur-Sprecher Godel räumt zwar angesichts der Illegalität der grossen Velo-Demo vom Montag ein: «Man hat offenbar die Augen zugemacht.» Er fände es aber trotzdem gut, dass die Velofahrer so die sanfte Mobilität friedlich unterstützten.

Kritik an neuen Massnahmen

Nicht alle stimmen dem zu. Die neusten staatlichen Massnahmen stossen in Genf auch auf viel Kritik.

«Der Staat ist für diesen Krieg verantwortlich», sagt Christo Ivanov, SVP-Fraktionschef im Genfer Kantonsparlament. «Der Staatsrat hat diese Massnahmen eigenmächtig beschlossen und die betroffenen Verkehrsorganisationen nicht konsultiert.»

So sehen die Velowege in Genf aus. - zVg

Ivanov hat deshalb heute eine dringliche Anfrage bezüglich der Velo-Demo im Parlament deponiert. «Die Velo-Lobby profitiert von der Situation angesichts des Coronavirus und versucht, ihre Anliegen vorwärts zu bringen.»

Zwei Petionen im Umlauf

Im Zentrum von Genf kann die Velo-Lobby bereits einen Sieg verbuchen: So gibt es jetzt am Quai du Mont-Blanc neu zwei Velo-Fahrspuren. Gleichzeitig sind alle bisherigen Parkplätze an dieser Hauptverkehrsachse beim rechten Seeufer aufgehoben.

Mitterweilen sind in Genf zwei Petitionen im Umlauf. Die eine will die provisorischen neuen Velowegen definitiv installiert haben. Die andere fordert die sofortige Aufhebung der neuen Verkehrs-Massnahmen.