Darum sagen unsere Teenies Sätze wie «Gömer Bahnhof»

Die heutige Jugend kann nicht mehr richtig Deutsch? Jein. Während zwar formelle Aspekte leicht schlechter geworden sind, haben Schüler heute andere Kompetenzen.

Zwei Jugendliche sitzen auf einer Treppe. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Immer wieder hört man, dass Jugendliche nicht mehr richtig Deutsch können.
  • Sprachwissenschaftler und Didaktiker sind jedoch anderer Meinung.
  • Durch das Internet kommen Jugendliche heute nämlich mehr mit Sprache in Berührung.

Der Kanton Baselland schlug kürzlich Alarm: Immer mehr Kinder von Schweizer Eltern können kein Deutsch mehr. Nach der Einschulung brauchen mittlerweile rund 20 Prozent den Förderunterricht «Deutsch als Zweitsprache».

Der Vorwurf, den man immer wieder hört: Jugendliche können angeblich kaum mehr einen Satz ohne Fehler schreiben, lesen keine Bücher und benutzen grammatikalisch unkorrekte Ausdrücke wie «Gömer Bahnhof?».

Jugendliche mit ihren Smartphones. (Symbolbild) - Keystone

Wie schlimm steht es wirklich um unserer Sprösslinge? Professor Stephan Schmid von der Universität Zürich will entwarnen. Sätze, in denen etwa Präpositionen fehlen, («Gömer Bahnhof»), sind für ihn Jugend-Sprache. Und nicht überall verbreitet.

«Solche Erscheinungen würde ich als (halb)bewussten Verstoss gegen die Sprachnorm der Erwachsenen interpretieren», sagt Stephan Schmid. Der Professor forscht an der Universität Zürich zu schweizerdeutscher Jugendsprache. «Gemäss unseren Untersuchungen lassen nicht alle Jugendlichen Artikel und Präpositionen weg. Diejenigen, die es tun, machen es auch nur in circa 20 Prozent der möglichen Fälle», so Schmid.

Jugendliche haben dank Internet mehr Kontakt mit Hochdeutsch

Er ist der Ansicht, Jugendliche könnten daher heutzutage nicht schlechter Deutsch als früher, sogar im Gegenteil: «Durch den häufigen Umgang mit auch digitalen Medien erhalten sie mehr Input in der Standardsprache als früher», erklärt er.

«Wie gut Jugendliche Deutsch können, ist sehr schwer zu messen», erklärt auch Ann Peyer, Deutschdidaktik-Professorin an der Pädagogischen Hochschule Zürich. Es gäbe aber durchaus Studien, die belegen, dass Schüler etwa in der Rechtschreibung etwas schlechter abschneiden als früher.

«Zugleich sind Jugendliche aber kreativer und eher in der Lage, in Texten eine eigene Meinung zu zeigen», so die Didaktikerin.

Der Grund dafür sei aber nicht rein schulisch, sondern viel eher gesellschaftlich. «Alles ist weniger förmlich geworden», so Peyer. «Zum Beispiel tragen Fernsehmoderatoren auch nicht mehr immer eine Krawatte, das wäre früher undenkbar gewesen.»

Neue Unterrichtsmethoden – neue Kompetenzen

Dementsprechend hätten sich auch die Unterrichtsmethoden geändert. Peyer erzählt: «In den 60er- und 70er-Jahren, als ich zur Schule gegangen bin, hat man extrem strikt einen Buchstaben nach dem anderen gelernt.»

«Dann kam die Gegenbewegung: Schüler erhielten eine Liste mit allen Buchstaben und sollten ‹einfach mal versuchen›, zu schreiben.» Dies habe jedoch Kinder, die zu Hause nicht die nötige Unterstützung erhielten, auf sich alleine gestellt gelassen.

Besonders junge Menschen benutzen Sprache, um sich von der Elterngeneration abzugrenzen und eine neue, eigene Identität zu finden. - Pixabay

Und heute? «Heute sucht man den Mittelweg», so Peyer. «Im Unterricht wird wieder mehr Wert darauf gelegt, zu üben und Strategien zu entwickeln, anstatt Schüler einfach machen zu lassen.» So werde auch mehr Wert auf Gruppenarbeiten oder individuelle Projekte gelegt, was andere Kompetenzen steigere.

Jugendliche können sich an Umstände anpassen

Bringt das aber überhaupt etwas, wenn Junge untereinander dann Wörter weglassen, Slang benutzen oder sich in Abkürzungen Whatsapps schicken? «Jugendliche haben sehr wohl das Bewusstsein, dass eine Textnachricht an Freunde nicht das gleiche ist wie ein Bewerbungsschreiben», meint Peyer.

Schüler auf dem Pausenhof mit ihren Smartphones. (Symbolbild) - Keystone

Davon ist auch Schmid überzeugt. «Das sind zwei völlig verschiedene Sprachregister», so der Sprachwissenschaftler. «Wenn schon, verläuft der Einfluss umgekehrt, vom Standard auf den Dialekt. Da müsste man sich als Dialektpurist eher Sorgen machen um die Mundartkompetenz», erklärt er schmunzelnd.

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