CVP Pöbelattacke: Negativ-Kampagnen bei uns bald salonfähig?

Der CVP-Wahlkampf sorgt für Aufregung. Auf einer Website werden direkt die Kandidaten anderer Parteien angegriffen. Ein Trend, sagt der Experte.

Erster Treffer bei Google nach dem Namen Hans-Ueli Vogt, Nationalrat SVP, ist kanidaten2019.ch. - Screenshot Google

Das Wichtigste in Kürze

  • Die CVP sorgt mit einer Kampagne, in der sie andere Partei kritisiert, für rote Köpfe.
  • Kommunikationsforscher Linards Udris sieht die Partei im Trend der Zeit.
  • Vermehrt würden heute Personen zum Ziel von Kampagnen gemacht.

Mittels Google zum Wahlerfolg? Sucht man diese Tage nach Politikern, stösst man schnell auf die Adresse «www.kandidaten2019.ch». Was wie eine Informationsseite für Wähler klingt, ist eigentlich Wahlwerbung für die CVP.

Zu diversen Kandidaten werden nach CVP-Geschmack negative Punkte hervorgehoben. Aber auch die aus CVP-Sicht richtigen Vorgehensweisen erläutert. Die Reaktionen fallen harsch aus - unter dem Hashtag «CVPFail» wird von allen Seiten über die Partei geschumpfen.

Im Kontext der Diskussion über das Vorgehen der Mittepartei fällt immer wieder das Wort «Amerikanisierung» der Schweizer Politik. Negative Campaigning wird die Praxis genannt, in der politische Gegner in ein schlechtes Licht gerückt werden sollen. In den USA weit verbreitet.

Keine «Amerikanisierung» im Gang

«Der Begriff der Amerikanisierung ist nicht passend», sagt Linards Udris von der Universität Zürich. Er forscht unter anderem zu politischer Kommunikation. Der Kontext sei ein gänzlich anderer, die Schweiz und die Vereinigten Staaten könne man kaum vergleichen.

Linards Udris forscht unter anderem über die politische Kommunikation. - Unversität Zürich

Udris beobachtet aber, dass «Angriffe auf den Mann oder die Frau» in den letzten zehn bis 20 Jahren in der Politik zugenommen haben. Eigentlich ein Widerspruch zum Schweizerischen Konkordanz-Gedanken.

Ein Beispiel für die Angriffe auf Personen war etwa die Abstimmung um die Revision des Radio- und Fernsehgesetzes. So stand der damalige SRF-Generaldirektor Roger de Weck stark im Fokus der Angriffe.

Gier nach Aufmerksamkeit sind Ursache

«Hauptgrund ist, dass so Aufmerksamkeit generiert wird», sagt Udris. Mit solchen Aktionen sei einer Partei die Medienpräsenz sicher – und die wiederum werde heute vermehrt gesucht.

«Zudem hat das Internet einen grossen Einfluss auf die Debattenkultur», sagt der Forscher. Im digitalen Raum müsse man schnell reagieren und die Nachrichten zuspitzen, um wiederum Aufmerksamkeit zu erreichen. Zudem kommen, dies belegt die Forschung, populistische und emotionale Nachrichten im Netz besser an.

Udris: «Ich beobachte, dass die Medien heute eher über Kampagnen berichten als über die konkreten Inhalte.» Mit einer solchen angriffigen Aktion sei die Medienaufmerksamkeit sicher. Der Aufschrei bei der CVP war gewaltig, auch wenn sie nicht die erste Partei mit einer solchen Aktion war.

Widerspruch zur Ideale der CVP

Für Udris ist klar: «Die CVP positioniert sich selbst als Konsenspartei – die Kampagne wird so als Widerspruch wahrgenommen.» Ob die Rezeption der Aktion nun mehrheitlich negativ ausfällt, sei eigentlich egal.

«Die Partei hatte so eine enorme Reichweite erreicht, das wird das oberste Ziel sein», erläutert Udris. Zudem werden sich die Wogen der politischen Auseinandersetzung nach den Wahlen auch wieder legen, ist sich Udris sicher.

Umfrage

Verroht die Schweizer Politik mit solchen Aktionen?

Ja
49%
Nein
51%

Die Kampagne ist laut dem Kommunikationsexperten ein Vorgeschmack, auf was noch kommen wird. Ausser es ändere sich etwas im Umgang mit der Demokratie bei Google und Facebook.

Doch das würde eher von der EU als von der Schweiz ausgehen. In spätestens vier Jahren wird sich zeigen, ob Negative Campaigning schon bald zum guten Schweizer Ton gehört – trotz Konkordanz.