Zwischen Chaos und Poesie: Blick auf das Schaffen von Jean Tinguely
2025 wäre der Schweizer Künstler Jean Tinguely 100 Jahre alt geworden. Wir werfen einen Blick auf sein Schaffen – und seine bevorstehende Geburtstagsfeier.

Das Wichtigste in Kürze
- 2025 wäre Jean Tinguely 100 Jahre alt geworden.
- Zu diesem Anlass feiert das Museum Tinguely am 22. Mai 2025 ein grosses Fest.
- Das grosse Highlight ist die Eröffnung der Kunst-Geisterbahn.
- Der berühmte Schweizer Künstler zählt zu den wichtigsten Vertretern des Nouveau Réalisme.
Wer vor einem von Jean Tinguelys Werken steht, kommt ins Grübeln und ins Staunen: Drehende Räder, Quietschen, Schläuche und zahlreiche metallische Glieder, die ineinander übergehen. Auf den ersten Blick scheinen die Einzelteile zufällig ineinander verwoben zu sein. Doch steckt dahinter ein ausgeklügeltes System, welches das ganze Konstrukt in Bewegung setzt – oder auch mal zum Klingen bringt.
2025 wäre Tinguely 100 Jahre alt geworden. Das Museum Tinguely ehrt den Künstler am 22. Mai 2025 mit einem grossen Fest im Solitude-Park zu seinem 100. Geburtstag. Nebst Cüpli und Kuchen gilt die feierliche Einweihung der Kunst-Geisterbahn «Scream Machines» von Rebecca Moss und Augustin Rebetez als grosses Highlight.
Doch wer war Jean Tinguely eigentlich? Höchste Zeit, einen Blick auf das Schaffen eines der bedeutendsten Schweizer Künstler überhaupt zu werfen.
Wenn Kunst sich selbst erzeugt
Geboren wurde Jean Tinguely am 22. Mai 1925 in Fribourg und wuchs dann in Basel auf. Bereits in jungen Jahren interessierte er sich für mechanische Konstruktionen. Nach einer gescheiterten Lehre als Schaufensterdekorateur besuchte Tinguely die Kunstgewerbeschule in Basel. 1952 zog er dann nach Paris.
Dort lernte er nicht nur die französische Künstlerin Niki de Saint Phalle – seine zweite Ehefrau – kennen, sondern wurde Teil der dortigen Avantgarde-Kunstbewegung. Er gilt als Mitbegründer des Nouveau Réalisme und erlangte rasch Berühmtheit für seine kinetischen Skulpturen.

Tinguely hinterfragte in seinen Werken immer wieder die Beziehung zwischen Technologie, Kunst und Konsum. Zu seinen ersten weltbekannten Werken zählen die «Méta-Matics». Die «Méta-Matics» sind eine Reihe von kinetischen Skulpturen, die selbst Kunst erzeugen. In anderen Worten: Bei den «Méta-Matics» handelt es sich um Zeichenmaschinen.
In diesen Werken stellt Tinguely nicht nur die Rolle von Robotern als Schnittstelle in unserer Gesellschaft, sondern auch die des Künstlers, des Kunstwerks und der betrachtenden Person in Frage.
Wenn Kunst sich selbst zerstört
1960 öffneten sich für Tinguely auch die Türen der Kunstszene in Amerika – und zwar durch eine spektakuläre Aktion. Sein berühmtes Werk «Homage to New York» (1960) gilt als das erste autodestruktive Kunstwerk der Welt.

Der Künstler kreierte eine Maschine aus Schrott, welchen er in New Jersey zusammensuchte. Diese bestand etwa aus Stahlrohren, Fahrradteilen oder einem Klavier. Tinguely inszenierte das Werk dann im Skulpturengarten des Museums of Modern Art, wo sich die Maschine vor den Augen der Zuschauenden selbst zerstörte. Quasi über Nacht machte ihn die Aktion in Amerika berühmt.
Klang als zentrales künstlerisches Mittel
Irgendwo zwischen Bewegung, Zerstörung und Sinnlosigkeit bewegen sich die Werke von Jean Tinguely. Doch nicht nur. In seinen späteren Werken spielen auch Musik und Ton als Resultat der Bewegung eine wichtige Rolle.
Für die «Hammerausstellung» 1978 kreierte Tinguely etwa ein bewusst spektakuläres Werk: seine erste Méta-Harmonie. Die Meta-Harmonien sind eine Reihe an grossen, von Motoren angetriebene Räderwerke, die er mit diversen Musik- und Schlaginstrumenten bestückte. Einmal in Gang gesetzt, bieten sie ein lärmendes Getöse, aber auch ein theatrales, visuelles Erlebnis.

Im Frühjahr 1985 konnte der Künstler eine still gelegte Fabrikhalle der Giesserei Von Roll AG in Olten als Atelier nutzen. Dort lagerten auch viele ausgediente Holzgussmodelle, die Tinguely in die dort entstehende «Fatamorgana – Méta-Harmonie IV» integrierte. Die Méta-Harmonien markieren den Höhepunkt von Tinguelys Beschäftigung mit Klang als künstlerischem Mittel.
Das Spiel mit dem Tod
Ab 1981 integrierte Jean Tinguely immer wieder Tierschädel in seine Kunst. Auch wenn er erklärte, dass die Tierschädel das Burleske betonen sollen, sind sie doch auch Zeichen seiner zunehmenden Auseinandersetzung mit dem Tod.

Diese spiegelt sich auch Tinguelys zentralem Spätwerk «Mengele-Totentanz» (1986). Die dreizehn Maschinen des Kunstwerkes entstanden aus Überresten, welche beim Brand eines Bauernhofes in seinem Wohnort Neyruz übrig blieben.
«Scream Machines» – eine immersive Reise durch die Kunstlandschaft
Seine Werke lösen Staunen und Begeisterung, aber auch Kritik und Empörung aus. Die Kunstwerke von Jean Tinguely faszinieren.
Die Kunst-Geisterbahn «Scream Machines», welche an Tinguelys Geburtstagsfest feierlich eröffnet wird, ist auf dem Grundgerüst einer historischen Geisterbahn aufgebaut und nimmt die Besuchenden auf eine Reise durch eine immersive Kunstlandschaft mit.
Die Grossinstallation referenziert Tinguelys Werk «Le Crocodrome de Zig et Puce» (1977), welches der Künstler zusammen mit Bernhard Luginbühl, Daniel Spoerri und Niki de Saint Phalle für die Eröffnung des Centre Pompidou in Paris geschaffen hatte.

Das Museum Tinguely zeigt die Kunst-Geisterbahn vom 22. Mai bis 30. August 2025. Auch das End-Datum der Ausstellung ist nicht zufällig gewählt. Es markiert den Todestag von Tinguely.