Der Oldtimer – zwischen Liebhaberobjekt und Kulturgut

Oldtimer geben Einblick in die Automobilgeschichte, faszinieren mit Retro-Schick und bringen Romantik in den Strassenverkehr.

Ferrari 340 America Barchetta von 1950 am Concours d'Excellence in Luzern, 2016. - autoconcours.ch

Das Wichtigste in Kürze

  • Oldtimer sind nicht nur etwas für Reiche, es braucht vor allem Hingabe.
  • Für ihre Besitzer sind die Autos häufig die Erfüllung eines Lebenstraums.
  • Bestaune einzigartige Ausstellungsstücke im Autotheater des Verkehrshauses der Schweiz.

Autos sind praktisch. Sie befördern uns von A nach B, tragen unsere schweren Sachen und schützen uns vor Regen und Schnee. Autos sind aber noch mehr: Niemand kauft «aus Versehen» einen Manta, einen Twizy oder einen Multipla. Diese Autos sind Statements und geben Einblick in die Identität ihres Fahrers oder ihrer Fahrerin.

Bei Oldtimern ist der Fall noch klarer: In den allermeisten Fällen ist das Fahrzeug die Erfüllung einer lang gehegten Schwärmerei. Und die Beziehung zwischen Fahrer und Auto zeigt, mit wie viel Liebe und Respekt Menschen einem Objekt begegnen können.

Nicht schlecht für einen bald 80-Jährigen. Kenner wissen um das dohc-Triebwerk des Jaguar XK 140, alle anderen bewundern seine hinreissende Karosserie. Das Bild zeigt den in Handarbeit gefertigten Prototyp vom 1961er Genfer Autosalon am Concours d'Excellence in Luzern. - autoconcours.ch

Oldtimer sind aber viel mehr als Highlights in persönlichen Biografien. Sie geben Einblick in entscheidende Momente der Geschichte der individuellen Motorisierung. Und symbolisieren als prototypische Automobile Selbstbestimmung und persönliche Freiheiten. Oder stehen, das die Kehrseite der Medaille, für das umweltgefährdende Potenzial dieser Konzepte.

First things first: Was ist denn genau ein Oldtimer?

Die FIVA, der Welt-Dachverbandes der Oldtimerorganisationen, definiert ein «historisches Fahrzeug» (der international anerkannte Terminus für Oldtimer) wie folgt: Ein historisches Fahrzeug muss mindestens 30 Jahre alt und in historisch korrektem, technisch und optisch einwandfreiem Zustand sein. Es sollte nicht dem täglichen Transport dienen und ist wegen seines technischen oder historischen Wertes aufbewahrenswert.

Mit einem gut erhaltenen Simca sind dem Fahrer neben seinem sonntäglichen Fahrspass die Sympathien der anderen Verkehrsteilnehmer sicher. - Pixabay

Das heisst also, nicht jedes alte Auto ist automatisch ein Oldtimer oder, wie es bei uns heisst, ein «Veteranenfahrzeug». Auch wenn ein Auto mehr als 30 Jahre auf dem «Buckel» hat, muss der Veteranenstatus speziell beim Strassenverkehrsamt beantragt werden. Hat das Auto die Veteranenprüfung bestanden, muss es nur noch alle sechs Jahre vorgeführt werden. Dazu darf der Fahrer mehr als zwei Veteranenfahrzeuge auf derselben Wechselnummer anmelden, aber jährlich nur 3000 km pro Auto fahren.

Kultur auf vier Rädern

Die FIVA-Definition zeigt, dass, wer einen Oldtimer pflegt, nicht nur einem Hobby nachgeht, sondern Kulturarbeit leistet. Nicht zuletzt ist die FIVA seit 2017 ein offizieller Partner der UNESCO. Im Gegensatz aber zu Kulturobjekten, die sicher im Museum verwahrt werden, kann man einem Oldtimer jederzeit auf der Strasse begegnen. Und Anlass für Eltern oder Grosseltern sein, der Jugend Einblicke in die «Welt von gestern» zu geben.

Während die Bildstrecke oben suggerieren könnte, Veteranenfahrzeuge seien etwas für die oberen Zehntausend, zeigt die Schweizer Realität ein anderes Bild: Etwa CHF 5000 gibt jeder der 53 000 Schweizer Veteranenfahrzeug-Besitzer im Jahr für seinen Liebling aus. Das zeigt, Oldtimer müssen nicht in jedem Fall teuer sein.

Tatsächlich aber wurden Oldtimer in den letzten Jahren gerne als Investitionsmöglichkeit genutzt, wobei jedoch nur die Top-Modelle hohe Renditen abwerfen. Im Idealfall investieren deswegen nur Liebhaber in Oldtimer, denn sie wissen einerseits, wie man hohe Kosten bei der Pflege vermeidet. Und geniessen andererseits als Teil der persönlichen Rendite den regelmässigen Fahrspass.

Denkmalpflege und viel Bewegung

Bei Veteranenfahrzeugen ist es wie bei Haustieren: Nur wer genügend Zeit, Platz und Liebe aufbringen kann, sollte sich einen anschaffen. Eine Garage zum Beispiel ist sehr zu empfehlen, denn die grössten Feinde des Oldtimers sind Feuchtigkeit und UV-Strahlung. Der Stall ist aber nur die halbe Miete, die Pferde wollen auch bewegt werden. Denn Stillstand ist Gift für jedes Auto.

Deshalb haben Oldtimer-Vereinigungen verschiedenste Veranstaltungen ins Leben gerufen, wo die Autos zu alter Stärke auflaufen können. Zum Beispiel die «Rolex Monterey Motorsports Reunion» auf dem weltberühmten «Laguna Seca Raceway» in Kalifornien. Hier holen die Fahrer in echten Rennen aus den teils über 70-jährigen Autos noch einmal alles heraus. Für Normalbürger erreichbarer sind markenspezifische Treffs wie der «Super Corvette Sunday» des Schweizer Clubs «Corvettes Unlimited Switzerland».

Der Corvette-Club ist nur ein Beispiel für die sehr aktive Schweizer Oldtimer-Szene. Veranstaltungen mit weit über hundert Fahrzeugen sind hier keine Seltenheit. Sie geben den Autobesitzern die Möglichkeit, ihr rollendes Kulturgut auf den Strassen zu präsentieren. Dazu sind die Clubs ein Hort des Wissens und helfen den Mitgliedern, Kontakte zu knüpfen und Wissen auszutauschen.

Dieser Wissenstransfer ist essenziell. Denn laut Zahlen der «Swiss Historic Vehicle Foundation» führen stattliche 48 % der Schweizer Servicearbeiten an ihrem Oldtimer selbst aus. Den Rest der Reparaturen und Instandhaltungsmassnahmen erledigen unzählige spezialisierte Handwerks- und Kleinbetriebe. Von Sattlern über Karosseriebauer, Holzbearbeiter, Motorenbauer und Zylinderschleifer profitieren viele vom Aussterben bedrohte Betriebe vom Geschäft mit Veteranenfahrzeugen.

Kein Navi, keine Kamera, kein Spurhalteassistent: Wer einen Oldtimer hat, liebt ihn häufig auch wegen seiner verständlichen Technik. - Pexels

Schweizer Autogeschichte

Die Schweiz ist aber nicht nur eine Oldtimer-Hochburg, sondern hat auch selbst eine bewegte Autogeschichte. FBW und Monteverdi dürften vielen noch ein Begriff sein. Auch dass der Smart zu wichtigen Teilen in Biel entwickelt wurde, werden die meisten noch wissen.

Aber wusstest du zum Beispiel, dass die Schweizer Marke Tribelhorn schon anfangs des zwanzigsten Jahrhunderts Lastwagen mit leistungsstarken Elektromotoren herstellte? Oder dass die Amag noch bis in die 1960er Jahre im aargauischen Schinznach Chrysler und Dodge zusammenbaute?

Einblick in das Verkehrshaus-Schaulager: Im Vordergrund ein Rolls-Royce Cabriolet mit Schweizer Fahrgestell des Berner Herstellers «Carosserie Graber». Wer es bescheidener mag, wird unten in der Mitte fündig: Das dreirädrige Belcar war eine Art sportliche Schweizer Isetta, der Kleinstwagen wurde ab Mitte der 50er Jahre in Wollerau am Zürichsee hergestellt. - Verkehrshaus der Schweiz

Wer mehr wissen will, findet die wichtigsten Meilensteine der Schweizer Automobilgeschichte in Luzern ausgestellt, und zwar mit verkehrshaustypischer Kreativität. Als Herzstück der Ausstellung fungiert dabei das über zehn Meter hohe Hochregal-«Schaulager» mit Originalen aus der Verkehrshaussammlung.

Vor diesem imposanten Hintergrund dreht sich eines der Vehikel auf einem Teller, während das Publikum alles über seine Geschichte erfährt. Der Clou dabei ist, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer selbst entscheiden, was sie als Nächstes zu sehen bekommen: Per Knopfdruck wählen sie ihren Favoriten aus Themen wie «Alternative Antriebe», «Monteverdi», «Rennsport» oder «Concept Cars & Prototypen». Und schauen zu, wie der Parkierroboter die passenden Autos aus dem Schaulager holt.

Mehr zur Geschichte der Schweizer Mobilität findest du auf der Website des Verkehrshauses. Hier erfährst du auch alles über Eintrittspreise und Öffnungszeiten. Oder du löst gleich ein praktisches Online-Ticket und ersparst dir so das Anstehen an der Kasse.