Mythos vs. Realität: Niedergang der Route 66
Was ist dran am Mythos Route 66? Erfahren Sie im zweiten Teil mehr über den Niedergang und das Erbe der weltberühmten Verkehrsader.
Präsident Eisenhowers «Federal-Aid Highway Act» von 1956 markierte den Anfang vom Ende für die Route 66 in ihrer ursprünglichen Funktion. Die Effizienz der deutschen Autobahnen und die Verteidigungserfordernisse des Kalten Krieges motivierten Eisenhower zu diesem Schritt.
Die neuen Interstates umfuhren die kleinen Städte, was zum wirtschaftlichen Niedergang vieler Geschäfte führte, die vom Durchgangsverkehr der Route 66 abhängig waren. Damit wurde die Route 66 schrittweise stillgelegt.
Das letzte Teilstück wurde 1984 in Williams, Arizona, umgangen, wo Anwohner Berichten zufolge sogar auf die Bulldozer schossen. Am 27. Juni 1985 wurde die Route 66 offiziell ausser Dienst gestellt.
Streckenverlauf
Die Streckenführung der Route 66 war änderte sich mehrfach, besonders in städtischen Gebieten, um Verkehrsstaus zu entlasten. Dies macht ihre exakte Länge schwer bestimmbar und führte unter anderem dazu, dass sich die Route 66 in Albuquerque selbst kreuzte.
Diese ständigen Anpassungen zeigen, dass die «Wirklichkeit» immer im Fluss war und stellen die Vorstellung einer einzigen «Originalroute», die Touristen heute suchen, infrage. Auch das populäre Bild vom Ende der Route am Santa Monica Pier ist ein Mythos.
Der tatsächliche Endpunkt lag an der Kreuzung Lincoln und Olympic Boulevards, nachdem er bis 1939 an der 7th Street/Broadway in Los Angeles gelegen hatte.
Route 66 heute
Heute sind etwa 85 % der ursprünglichen Strecke noch befahrbar, wenn auch oft fragmentiert, was für Touristen eine sorgfältige Navigation zwischen alten Abschnitten und modernen Interstates erfordert. Ein gut erhaltener, ca. 68 Kilometer langer Abschnitt in Arizona wird als «Historic Back Country Byway» beworben.
Entlang der Strecke finden sich zahlreiche restaurierte oder erhaltene Wahrzeichen: historische Tankstellen wie Ambler's Texaco in Dwight, Motels wie das Wig Wam Motel in Holbrook oder das El Rancho Hotel in Gallup.
Hinzu kommen skurrile Strassenkunst wie die Cadillac Ranch bei Amarillo oder der Blue Whale of Catoosa, Naturwunder wie der Petrified Forest National Park oder der Meteor Crater und «Geisterstädte» wie Calico.
Kommerzialisierung und Authentizität
Die Wiederbelebung der Route 66 geht Hand in Hand mit einer deutlichen Kommerzialisierung. Souvenirläden, thematisch gestaltete Motels und Diners sowie zahlreiche Attraktionen bedienen den Nostalgiemarkt.
Dies führt zur Debatte, inwieweit die moderne Route 66-Erfahrung eine authentische Reflexion ihrer Vergangenheit oder eine kommerzialisierte, bisweilen «disneyfizierte» Version darstellt. Viele Reisende suchen gezielt nach «Retro-Feeling».
Die Erfahrung von «Authentizität» auf der heutigen Route 66 ist jedoch subjektiv und eher an emotionale Verbindungen und persönliche Sinnstiftung geknüpft als an objektive historische Genauigkeit.
Die bleibende kulturelle Bedeutung
Die Route 66 dient als Mikrokosmos der amerikanischen Erfahrung. Sie spiegelt Themen wie Migration, Ehrgeiz, Wohlstand, Niedergang, Neuerfindung und die Suche nach Identität wider. Ohne Zweifel ist sie ein Eintauchen in die Geschichte der Vereinigten Staaten.
Auch in Zukunft wird die Route 66 vor der Herausforderung stehen, Denkmalschutz, kommerzielle Interessen und eine authentische historische Darstellung in Einklang zu bringen. Letztendlich bleibt die Route 66 eine fesselnde, wenn auch komplexe Reise durch das Herz der amerikanischen Geschichte.
