Die Symbolfigur der alten Schule ist zurück bei der Tour. Doch Bjarne Riis gibt sich geläutert und will mit seinem neuen Team NTT alles besser machen. Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit bleiben.
Bjarne Riis ist der Manager des Teams NTT. Foto: Yuzuru Sunada/BELGA/dpa
Bjarne Riis ist der Manager des Teams NTT. Foto: Yuzuru Sunada/BELGA/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Bjarne Riis sieht ziemlich fertig aus.

Das Trikot spannt am mächtiger gewordenen Oberkörper, der Schweiss perlt von der markanten Glatze.

Der Tour-Sieger von 1996 atmet schwer. Noch sind es zehn Kilometer bis zum Gipfel des Col de Turini, den das Feld der 107. Frankreich-Rundfahrt auf der zweiten Etappe bezwungen hatte. Doch für Riis ist es Zeit für ein kleines Geständnis. «Um ehrlich zu sein, habe ich etwas Hilfe. Ein kleiner Motor in meinem Rad hilft mir mit ein paar hundert Watt. Aber es ist trotzdem noch sehr schwer», sagt der skandalumwitterte Däne und zeigt auf sein E-Bike.

Zyniker mögen nun behaupten, Riis könne es eben ohne fremde Hilfe einfach nicht. Als Radprofi half er mit dem Blut-Dopingmittel Epo angeblich so sehr nach, dass er in Anspielung auf seinen verdächtig aussergewöhnlichen Hämatokritwert den Spitznamen «Mister 64 Prozent» erhielt. Als Teamchef der CSC-Équipe soll er dann beste Beziehungen zum spanischen Doping-Arzt Eufemiano Fuentes gepflegt haben, auch wenn er das lange bestritt. Nun ist der 56 Jahre alte Charakterkopf aus Jütland nach fünf Jahren Abstinenz zurück bei der Tour. Als Anteilseigner und Teammanager des Rennstalls NTT.

Das «grosse Comeback», als das dänische Medien die Riis-Rückkehr feierten, begann mit einer Entschuldigung. Im Februar bat der einstige Telekom-Profi bei Tour-Direktor Christian Prudhomme schriftlich um Verzeihung. Denn Riis war in Frankreich nicht zwingend wegen seiner Doping-Vergangenheit in Ungnade gefallen. Vielmehr hatte er sich bei seinem Doping-Geständnis zu der saloppen Bemerkung hinreissen lassen, dass sein Gelbes Trikot in einem Karton in der Garage liege und man es gern abholen könne. Dieser Affront gegen das Symbol des Nationalheiligtums Tour ging den Franzosen zu weit.

«Es gibt Dinge, die ich bereue und auf die ich nicht stolz bin. Aber ich kann garantieren, dass sie nicht noch einmal passieren werden», sagt Riis nun. Das Gelbe Trikot von seinem Triumph 1996, so versichert er, liege nicht in einem Karton. Es habe einen guten Platz in seinem Haus in der Schweiz.

Riis gibt sich geläutert. Und man kommt nicht umhin, in seinen Worten die Auswirkungen einer kleinen Lebenskrise zu deuten. «Ich habe so viel durchgemacht und ich garantiere, dass ich es nicht noch einmal tun werde. Mein Leben ist zu kurz dafür», betont der «Adler von Herning»: «Es gibt sicherlich einige Leute, die meinen, ich sollte nicht in den Radsport zurückkehren. Friede sei mit ihnen. Sie können ihre Meinung haben. Aber es geht hier um mein Leben und nicht ihres.»

Intern soll er bei NTT reinen Tisch gemacht und seine Rückkehr auch mit einem dopingfreieren Radsport erklärt haben. «Wenn jemand irgendwelche Fragen hat, kann er gern zu mir kommen und ich erkläre alles», sagt Riis. Da ist es natürlich misslich, dass er dies öffentlich nie umfassend getan hat.

Deshalb hat es Riis schwer, seine neue Einstellung zum Radsport glaubhaft zu verkaufen. Schliesslich steht er für die alte Schule wie nur noch wenige andere im Peloton. «Ich wäre froh, ich hätte lauter Kollegen, die so wie ich keine grosse Historie im Radsport haben. Das wäre sicher besser und glaubhafter», sagte Ralph Denk, Teamchef von Bora hansgrohe, der «Süddeutschen Zeitung». «Ich glaube, dass es rechtlich wenig Handhabe gibt, solche Leute auf Lebenszeit zu verbannen. Aber für Glaubwürdigkeit steht das nicht. Das muss man aussitzen, bis die nächste Generation da ist.»

Doping-Kronzeuge Jörg Jaksche, der einst Fahrer unter Riis war, geht sogar noch einen Schritt weiter. «Ich glaube schon, dass es unter ihm Doping geben wird. Ich weiss nicht, ob er es initiieren würde», sagte der 44-Jährige Anfang des Jahres der dpa. Jaksche kann auch keinen Wandel im Radsport feststellen. «Wie schlimm geht es dem Radsport, dass man finanziell auf Leute wie Bjarne Riis angewiesen ist? Das ist eher eine Budgetfrage. In der Not frisst der Teufel Fliegen.»

Beim NTT-Team flüchtet man sich zur Vergangenheit von Riis in Sinnsprüche. «Man lernt mehr aus seinen Fehlern als aus seinen Siegen», sagt Gründer Doug Ryder. Und Riis bot an, all seine Kritiker zu einem Kaffee einzuladen und seine Sicht der Dinge zu erklären. Es dürfte, sollte es jemals dazu kommen, eine ziemlich grosse Runde werden.

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