Was tun Schweizer Fussball-Clubs für die psychische Gesundheit?
Das Thema psychische Gesundheit hat in den letzten Jahren gesellschaftlich an Akzeptanz gewonnen. Doch wie viel Wert legen die Schweizer Fussballclubs darauf?

Das Wichtigste in Kürze
- Ronald Araujo vom FC Barcelona nimmt sich eine Auszeit – wegen psychischer Probleme.
- Der offene Umgang damit ist im Fussball noch eher eine Seltenheit.
- Auch in der Schweiz scheint es diesbezüglich Luft nach oben zu geben.
Riesige Stadien, permanenter Leistungsdruck, belastende Medienberichte und immer irrer werdende Ablösesummen und Gehälter: Das Konstrukt Profi-Fussball verlangt von den Spielern viel ab. Die psychische Belastung wurde mit Aufkommen der sozialen Medien nicht gerade kleiner.
Doch: Darüber reden und vermeintliche Schwäche zeigen, ist im Männersport noch immer schwierig. Das weiss auch Sportpsychologe Jan Rauch von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.
«Der Umgang mit mentalen Belastungen im Spitzensport ist in den letzten Jahren öffentlicher geworden», sagt er im Gespräch mit Nau.ch.
«Aber es ist noch immer so, dass man keine Schwächen zeigen will. Sei es gegenüber den Gegnern, den Fans oder dem eigenen Trainer.» Eine höhere Akzeptanz sei dennoch spürbar.
Rodriguez und Brunner offenbaren psychische Probleme
Ein prominentes Beispiel ist Ronald Araujo vom FC Barcelona. Seit seinem Platzverweis in der Champions League gegen Chelsea fehlt er dem Team. Grund für seine Absenz: Mentale Probleme.

Das Thema war auch hierzulande schon Thema. So sprach beispielsweise Francisco Rodríguez öffentlich darüber, an einer mittelschweren Depression erkrankt zu sein.
Jüngst sagte Ex-FCZ-Profi Cédric Brunner, der selber an der Uni Zürich Psychologie studierte, über den Druck im Profi-Fussball: «Ich habe gemerkt, dass ich Hilfe brauche.»
Machen die Vereine genug?
Hilfe, das wünschen sich wohl viele Fussballer. Ob sie sie aber auch einfordern und dann bekommen, ist eine andere Sache. Was können die Vereine präventiv tun?

«Sensibilisierungsarbeit», so Sportpsychologe Rauch, «die findet bereits statt.» Doch wie fortschrittlich ist die Schweizer Super League in dieser Hinsicht?
Zur Person
Dr. Jan Rauch ist Sportpsychologe an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW. Er betreut Einzelsportler:innen und Teams zu den Themen Psychische Gesundheit und Mentale Stärke.
Einige Vereine arbeiten laut Rauch mit Mentaltrainerinnen und Mentaltrainern zusammen. Diese können bei leistungsbezogenen Themen und im Umgang mit Druck wertvolle Unterstützung leisten.
Für einen ganzheitlichen Ansatz im Bereich der mentalen Gesundheit seien jedoch fundierte, häufig auch psychologische Ausbildungen zentral.

Rauch stellt klar: «Bei psychischen Erkrankungen geht es um Behandlung und Heilung.» Dafür seien entsprechend ausgebildete Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten erforderlich.
Ein Problem sieht der Sportpsychologe darin, dass Sport in der Schweiz oft defizitär sei. Daher überlege sich jeder Club wohl zweimal, wo er die finanziellen Mittel einsetze. Die Arbeit im mentalen Bereich kommt scheinbar nicht an erster Stelle.
FC Thun: Sportlich und psychisch top
Ein Verein, der mit gutem Beispiel vorangeht, ist der FC Thun. Der Aufsteiger führt aktuell nicht nur sportlich die Tabelle an, sondern setzt auch mit dem Programm «Mental parat» bewusst auf psychische Stärkung.
Auf Anfrage heisst es, dass man die Spieler auch im Umgang mit sozialen Medien sensibilisiere. Man nehme die psychische Gesundheit der Spielerinnen und Spieler sehr ernst, über alle Altersstufen hinweg.
Konkret heisst das: Den Nachwuchs-Talenten stehen externe Coaches zur Verfügung, bei denen sie Beratungen in Anspruch nehmen können. Der FC Thun unterstützt die Spieler, indem er die ersten drei Sitzungen vollumfänglich finanziert.
FCB hat Mentalcoach für Junioren
Auch beim FC Basel gibt es Schulungen zum Umgang mit den sozialen Medien. Zudem steht dem Nachwuchs mit Dirk Wahlandt ein Mentalcoach zur Verfügung, wie der Verein auf Anfrage mitteilt.
«Die Spieler der 1. Mannschaft nutzen bei Bedarf individuelle Angebote oder wenden sich in der Regel an ihre Vertrauenspersonen. Selbstverständlich unterstützt oder vermittelt der Club aber, wenn nötig», heisst es.
Ähnlich handhabt es der FC Aarau, der «intensiv mit einem Mentaltrainer zusammenarbeitet». Man lege grossen Wert auf ein stabiles Umfeld.
Anstelle starrer Programme zur Prävention setzt der Challenge-Ligist mehr auf «Nähe, Vertrauen und Aufmerksamkeit im Alltag».
SFL nimmt Idee auf
Die Annahme von Sportpsychologe Rauch scheint sich zu bestätigen: Die Arbeit im mentalen Bereich findet statt, hat aber definitiv noch Luft nach oben.
Auch bei der SFL gibt es aktuell noch «wenig in diesem Bereich», wie es auf Anfrage heisst. «Das Angestelltenverhältnis besteht zwischen den Spielern und ihren Klubs als Arbeitgeber, weshalb auch die Verantwortung bisher in dieser Beziehung bestand.»
Aber: «Wir werden die Idee im neuen Jahr einmal aufnehmen und schauen, in welches Gefäss eine Sensibilisierung gehören könnte.»
Brauchst du Hilfe?
Bist du selbst depressiv oder hast du Suizidgedanken? Dann kontaktiere bitte umgehend die Dargebotene Hand (www.143.ch).
Unter der kostenlosen Hotline 143 erhältst du anonym und rund um die Uhr Hilfe. Die Berater können Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen. Auch eine Kontaktaufnahme über einen Einzelchat oder anonyme Beratung via E-Mail ist möglich.
Für Kinder oder Jugendliche steht die Notrufnummer 147 zur Verfügung.
Hilfe für Suizidbetroffene: www.trauernetz.ch
Wie es bei den restlichen Vereinen der Super League aussieht, ist unklar. Entsprechende Anfragen blieben unbeantwortet.






