KSBL-Wegzug droht: Wie wichtig ist Liestal, Stadtpräsi Spinnler?

Stadtpräsident Daniel Spinnler wehrt sich dagegen, dass das KSBL aus Liestal verschwinden soll, und wirft dem Kanton vor, alles ins Unterbaselbiet zu verlegen.

Daniel Spinnler
Daniel Spinnler zeigt auf die brachliegenden Areale in Liestal. - OnlineReports / Daniel Aenishänslin

OnlineReports: Daniel Spinnler, wann haben Sie das letzte Mal mit Thomi Jourdan telefoniert?

Daniel Spinnler: Ich habe ihn kürzlich an einem Anlass des Kantonsspitals Baselland (KSBL; Anm. d. Red.) getroffen, und wir haben ein Gespräch abgemacht.

OnlineReports: Und bei diesem Treffen wollen sie den KSBL-Standort Liestal retten?

Spinnler: Mir ist wichtig, dass wir gut in den ganzen Prozess eingebunden sind. Es gibt ein paar Dinge zu beachten. Einfach alles auf die grüne Wiese nach Pratteln zu ziehen, mag im ersten Moment super klingen. Aber die Annahme, damit seien alle Probleme gelöst, ist zu einfach

OnlineReports: Sie haben 38 Gemeindevertreter aus dem Oberbaselbiet mobilisiert, die Druck machen sollen. Denken Sie, das bringt etwas?

Spinnler: Ich glaube, es hat Bewegung in die Diskussion gebracht. Die Mitglieder der Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission des Landrats merken jetzt, dass die Standortfrage nicht nur ein Gesundheitsthema ist.

Sie ist auch volkswirtschaftlich und regionalpolitisch relevant. Es ist wichtig, dass das Oberbaselbiet nicht das Gefühl bekommt, abgehängt zu werden.

OnlineReports: Genau das will die Regierung verhindern und sieht ein dezentrales Netz mit mehreren Gesundheitszentren vor. Zudem sind Liestal und Pratteln nur 6,2 Kilometer voneinander entfernt. Ist die Sorge da nicht etwas übertrieben?

Spinnler: Um das herauszufinden, will ich mich mit Regierungsrat Thomi Jourdan treffen. Ich will wissen, was die Alternative ist, wenn das Spital aus Liestal weggeht. Darauf habe ich noch keine Antwort.

Klar, es bringt uns nichts, wenn das KSBL aus einer kleingeistigen Standortmentalität heraus in Liestal bleibt und wir in fünf Jahren wieder das gleiche Problem haben oder – noch schlimmer – das Spital sogar Konkurs geht, weil der Kanton kein Geld mehr einschiessen kann.

Wir müssen bei der Gesundheitsversorgung aber sehr gut auf das KSBL als wichtigen Dienstleister aufpassen.

OnlineReports: Welche Risiken sehen Sie genau?

Spinnler: Zunächst beim Personal des KSBL. Im Moment müssen die Mitarbeitenden zum Teil zwischen den beiden Standorten Liestal und Bruderholz wechseln, was sicher nicht angenehm ist.

Genauso unangenehm ist es aber, nicht zu wissen, wie es weitergeht, ob man sich von einem Standort verabschiedet oder beide bleiben. Bis der Prozess abgeschlossen ist, dauert es ein Jahr; das ist viel zu lang.

Entscheidet sich das Parlament für Pratteln, folgt eine Volksabstimmung. Bei einem Ja wird die Planung weitergeführt. Der Prozess dauert mehrere Jahre und kann durch Einsprachen zusätzlich verzögert werden. Wenn der Baustart erfolgt, sind mindestens zehn Jahre vergangen und die Pläne längst überholt. Nachträgliche Anpassungen an einem Bauprojekt sind zudem sehr teuer, wie das neue Spital in Lörrach zeigt. Die Technologie im medizinischen Bereich entwickelt sich wahnsinnig schnell, Behandlungsformen und Ansprüche der Bevölkerung ändern sich.

Es bringt nichts, wenn wir am Ende mit einem veralteten Spital dastehen und glauben, das Problem des KSBL gelöst zu haben. Kommt hinzu, dass Patientinnen und Patienten im Wissen, dass man den Standort Liestal bald schliessen wird, sich nicht mehr dort behandeln lassen. Das würde zu einem erheblichen Imageverlust des KSBL führen.

Daniel Spinnler
Daniel Spinnler im Interview mit OnlineReports. - OnlineReports / Daniel Aenishänslin

OnlineReports: Der Ruf des KSBL in Liestal ist schon seit Längerem angeschlagen. Ein Neubau an einem neuen Standort könnte das Image aufpolieren.

Spinnler: Pauschale Urteile sind schwierig. Wann fühlen Sie sich nach einem Spitalbesuch gut? Wenn Sie wieder gesund sind. Was trägt dazu bei?

Wenn die Leute, die sich um Sie kümmern, kompetent sind und Sie ihnen vertrauen können. Das ist das Wichtigste. Wenn Sie gut behandelt wurden, können Sie sich auch in einem nicht topmodernen Haus wohlfühlen.

Medizin ist ein People-Business. Es lebt von der Beziehung zwischen Arzt und Patient. Es gibt Abteilungen, mit denen Patientinnen und Patienten sehr zufrieden sind, weil dort ein super Job gemacht wird. Andere Abteilungen schneiden vielleicht schlechter ab.

OnlineReports: Von der Notfallstation etwa hört man viel Schlechtes ...

Spinnler: … und ich höre vor allem Gutes. Das zeigt, wie unterschiedlich die Erfahrungen sind. Ich sehe eher ein Problem in der «Sofort und jetzt»-Anspruchshaltung.

Wer am Sonntagabend mit einem Schnupfen auf den Notfall geht, wird hoffentlich erst dann behandelt, wenn die kritischen Fälle stabilisiert wurden.

OnlineReports: Was wäre denn die Alternative zu einem Spital auf der grünen Wiese in Pratteln?

Spinnler: Die Lösung ist aus meiner Sicht, Standorte zu wählen, bei denen man periodisch neue Bauprojekte realisieren und so die Risiken besser abfangen kann. Der Behandlungstrakt am Kantonsspital Liestal wäre bereit.

Man könnte jetzt schon Baubewilligungen einholen und loslegen. Die Kantonsspitäler in St. Gallen und Baden zeigen, dass ein Umbau im laufenden Betrieb funktioniert.

OnlineReports: Wie und wo stellen Sie sich einen Erweiterungsbau in Liestal vor?

Spinnler: Wie gesagt: Es liegt bereits ein pfannenfertiges Projekt in der Schublade. Wenn man sogar alles zusammenziehen will, dann gibt es in der Nähe des aktuellen Spitals genügend Möglichkeiten für Erweiterungsbauten.

Zum Beispiel bei der Gewerbeschule, die wegzieht. Die Stadt Liestal hat dazu ja auch schon eine Machbarkeitsstudie erstellt. Wir haben auch die Ärztegesellschaft einbezogen …

OnlineReports: … die sich nun klar für den Standort Pratteln ausspricht.

Spinnler: Der Ärztegesellschaft geht es primär darum, dass alles an einem Standort vereint ist. Sie hat Pratteln lediglich als einen möglichen Standort vorgeschlagen.

Jedenfalls hat die Regierung zuerst einen Auftrag für einen Einzelstandort in Liestal erteilt. Sie hat die Ergebnisse dem Stadtrat aber nie vorgelegt – und nun präsentiert sie plötzlich zwei Optionen, und eine davon ist Pratteln.

Warst du schon einmal in Liestal BL?

OnlineReports: Sie haben ausgerechnet, dass Liestal eine Million Franken an Steuersubstrat verliert, sollte der Standort Liestal aufgegeben werden. Ist Geld der hauptsächliche Treiber, das KSBL in Liestal zu halten?

Spinnler: Nein, obwohl wir aktuell ein Defizit von 6,3 Millionen Franken schreiben. Insbesondere der volkswirtschaftliche Faktor ist wichtig.

Eine Studie der Vereinigung Nordwestschweizer Spitäler zeigt, dass eine Wertschöpfung von 100 Franken in den Spitälern zusätzliche 40 Franken Wertschöpfung in anderen Wirtschaftsbereichen generiert. Wird der KSBL-Standort nach Pratteln verlegt, hat man viele bisherige Zulieferer wie Bauunternehmen oder Bäckereien nicht mehr auf dem Radar.

Ähnlich verhält es sich mit den vielen Spezialärzten, die in Liestal oder in der Umgebung eine Praxis haben und als Zuweiser fürs KSBL tätig sind. Viele wohnen auch hier in der Region, wovon letztlich auch das Oberbaselbiet profitiert. Verschwindet das KSBL, ziehen vermutlich auch die Ärzte weg.

OnlineReports: Befürchten Sie einen Bedeutungsverlust für den Hauptort des Kantons?

Spinnler: Ich stelle einfach fest, dass der Kanton immer mehr Institutionen ins Unterbaselbiet verlegt. Den Abfall der Nordwestschweiz dürfen wir aber hier behalten – Stichwort Deponien Höli und Elbisgraben.

Ich kann bis heute nicht verstehen, wieso die Stadt Liestal, die mit dem Zug acht Minuten von Basel entfernt liegt, nicht als Standort für den Uni-Campus infrage kam. Man hat sich stattdessen für Münchenstein entschieden und sich später gefragt, wie die rund 2200 Studierenden ins Areal gelangen sollen. Mit dem Velo? Wohl kaum.

Der Standort für die FHNW und PH in Muttenz ist ebenfalls falsch gewählt: Es mussten extra Schnellzughalte eingeführt werden. Ausserdem benötigt man vom Bahnhof bis zum Campus zu Fuss 15 Minuten.

Und auch bei einem KSBL-Standort Pratteln sind die Verkehrsbedingungen mit der ständig verstopften Autobahn nicht ideal.

Mal ehrlich: Das alles ist doch nicht fertig gedacht! Und ich frage mich schon auch, welche Bedeutung der Kanton Liestal als Hauptstadt zumisst. Wir werden nicht mit Traktoren auffahren, um zu verhindern, dass das KSBL wegzieht. Aber ich will eine klare Antwort auf diese Frage.

OnlineReports: Haben Sie diese Frage dem Kanton schon gestellt?

Spinnler: Mehrfach. Es ist immer von Leuchttürmen die Rede, die sich in Liestal befinden sollen. Aber welche Leuchttürme haben wir ausser dem Kantonsparlament, dem Regierungssitz, dem Kantonsgericht und der Kantonsverwaltung?

OnlineReports: Vielleicht ist die Frage vielmehr, was Liestal tun kann, um attraktiver zu werden und diese Verluste zu vermeiden.

Spinnler: Liestal ist attraktiv und hat eine hohe Wohnqualität. 300‘000 Arbeitnehmende – auch aus dem Mittelland – sind in einer Stunde in Liestal. Ein Problem ist aber, dass viele Flächen mit Entwicklungspotenzial im Besitz des Kantons sind. Diese Areale liegen brach, man nutzt sie höchstens als Parkplätze oder um Büromaterial zu verwalten.

Die grösste ungenutzte Fläche befindet sich auf dem ehemaligen Industrieareal beim Adlertunnel. Für die kantonalen Gebiete fehlt mir eine Vision.

Wir haben nun mit dem Kanton vereinbart, dass ein strategisches Flächenmanagement erstellt wird. Und immerhin läuft nun ein Prozess für den Lebensraum Schönthal. Gibt der Kanton die Flächen nicht frei, dann erwarte ich bald einen Vorstoss aus dem Einwohnerrat mit der Forderung, diese ÖW-Zonen, die zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen, auszuzonen.

Der Kanton wird dann gezwungen, diese Flächen freizugeben. Aber statt einem politischen Hickhack hätte ich das Problem lieber direkt gelöst.

Liestal Basel
Zieht das KSBL aus Liestal weg, macht der Masterplan Rheinstrasse kaum mehr Sinn. - OnlineReports / Alessandra Paone

OnlineReports: Was ist Ihre Vision?

Spinnler: Meine Vision heisst seit sieben Jahren Masterplan Rheinstrasse. Damit soll das gesamte Gebiet im nördlichen Teil der Stadt belebt werden. Zudem ist ein Innovations- und Gesundheitshub vorgesehen.

OnlineReports: Können Sie das erklären?

Spinnler: Uns schwebt ein Ökosystem für unternehmerische Innovation im Bereich Gesundheit vor. In der Pfrund könnte man beispielsweise medizinische Weiterbildungen, Kongresse und Skills Labs ansiedeln. In einem Ideeninkubator sollen Anwendungen und Geschäftsmodelle im Gesundheitsbereich getestet werden können, zum Beispiel Apps für psychische Gesundheit oder gezieltere Verabreichung bereits bestehender Wirkstoffe.

Kurzum: Unternehmen sollen einen niederschwelligen Zugang zu den grossen medizinischen Dienstleistern wie dem KSBL und der Psychiatrie Baselland erhalten und dort Geschäftsideen und Anwendungen testen können. Im Anschluss sollen auch Finanzierungen durch Investoren bereitgestellt werden.

OnlineReports: Da ist Arlesheim mit dem MedTech Innovation Hub aber schon einen Schritt weiter.

Spinnler: Das ist korrekt, und ich wäre auch gerne bereits an diesem Punkt. Im Bachgraben in Allschwil oder im Digital Health Center in Bülach, mit dem wir uns übrigens ebenfalls vernetzen, ist man auch weiter. All diese Initiativen hat man früher gestartet.

Vielleicht hat es damit zu tun, dass die Region Liestal zu wenig im Fokus lag. Obwohl wir beste Voraussetzungen haben: Wir sind Teil des Life Science Cluster und sehr gut an die Welt angebunden – auch mit dem Flughafen Zürich, der man in einer knappen Stunde erreicht. Gemeinsam mit der Standortförderung Baselland und verschiedenen Playern aus der Branche konkretisieren wir aktuell den Fokus des Gesundheitshubs.

Wir werden uns bewusst nicht auf die Neuentwicklung von Medikamenten und Forschung wie in Allschwil oder auf Medizinaltechnik wie in Arlesheim fokussieren. Grundvoraussetzung für einen solchen Innovationshub ist aber eben die Möglichkeit, entsprechende Areale zu entwickeln.

OnlineReports: Was passiert mit dem Masterplan Rheinstrasse, wenn das KSBL wegzieht?

Spinnler: Dann müssen wir uns überlegen, ob das Ganze so noch Sinn macht. Das KSBL ist ein wichtiger Treiber für Innovation und damit den Gesundheitshub.

OnlineReports: Immerhin hat Liestal nun einen neuen Bahnhof. Der riesige Bau passt aber besser zu einer Grossstadt als zum Stedtli.

Spinnler: Dieser Bahnhof ist so konzipiert, dass nicht gleich wieder Änderungen nötig sind. Früher waren die Perrons eng und gefährlich. Vom Oristal oder der Sichtern kam man mit Kinderwagen oder Rollstuhl kaum zu den Gleisen und musste teilweise fast auf dem Schotter aussteigen. Der Bahnbetrieb und die Sicherheit sind um Welten besser, und ich bekomme neben Kritik auch viele Komplimente.

***

Hinweis: Dieser Artikel von Daniel Aenishänslin und Alessandra Paone wurde zuerst im Basler Newsportal «OnlineReports» publiziert.

Kommentare

User #4903 (nicht angemeldet)

Tjä lieschtel isch offiz. Kantonshauptstadt aber scho lang stohbliebä rückständig und baselbieterfindlich…willkomme in dr realität! Sissach gilt unter der bevölkerung als hauptort.

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