Andreas Lustenberger (ALG) lehnt eine Bezahlkarte für Asylsuchende nach deutschem Vorbild ab, denn unser System funktioniere ganz anders.
Andreas Lustenberger
Andreas Lustenberger, Kantonsrat ALG Zug. - zVg

Das Wichtigste in Kürze

  • ALG-Lustenberger lehnt eine Bezahlkarte für Asylsuchende wie in Deutschland ab.
  • Lustenberger kritisiert die Argumentation der SVP als populistisch und gefährlich.
  • Im Interview erklärt der Zuger Kantonsrat, weshalb seine Fraktion den Vorstoss ablehnt.
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Asylsuchende sollen in Deutschland zukünftig eine Prepaid-Bezahlkarte anstelle von Bargeld erhalten. Diese Karte funktioniert ähnlich wie eine herkömmliche Debitkarte, ermöglicht jedoch keine Kontoüberweisungen und ist ausschliesslich innerhalb Deutschlands gültig. Die Bezahlkarte soll Personen abschrecken, die nach Deutschland kommen, um möglichst viel Geld in ihre Heimat zu überweisen.

Auch in der Schweiz stösst diese Idee auf Interesse, insbesondere innerhalb der SVP, die diverse Vorstösse dazu eingereicht hat, unter anderem im Kanton Zug. Sie argumentiert, dass solche Karten das Risiko von Missbrauch und illegalen Aktivitäten minimieren könnten. Zudem wäre der Geldfluss durch die Bezahlkarte nachvollziehbar.

Andreas Lustenberger, Zuger Kantonsrat der Alternative – die Grünen (ALG), lehnt die Idee vehement ab und erklärt seine Gründe im Interview mit Nau.ch.

Nau.ch: Wie stehen Sie zum Vorschlag, dass Asylsuchende in Zukunft Bezahlkarten mit Guthaben erhalten sollen?

Andreas Lustenberger: Der Vorstoss der SVP ist bereits formell teilweise falsch: Seit der Einführung des neuen Asylsystems 2019 bleiben Asylsuchende in der Kompetenz des Bundes. Normalerweise bleiben diese Personen in den Bundesasylzentren und werden nur in Ausnahmefällen auf die Kantone zwecks Unterbringung verteilt. Asylsuchende erhalten bereits heute die Unterstützung hauptsächlich als Sachleistung – wie ein Dach über dem Kopf, Essen im Zentrum, Kleider oder medizinische Leistungen. In bar erhalten sie nur ein kleines Sackgeld von wenigen Franken pro Tag.

Bezahlkarte SVP Schweiz
In Deutschland sollen Asylbewerber künftig eine Prepaid-Bezahlkarte anstelle von Bargeld erhalten. Die SVP will die Idee auch in der Schweiz prüfen lassen. (Symbolbild) - keystone

Aber auch grundsätzlich ist dieser Vorstoss abzulehnen. Er verkennt, dass das Schweizer Asylsystem nicht gleich funktioniert wie das Deutsche. Geflüchtete Menschen mit positivem Asylentscheid müssen möglichst rasch gesellschaftlich und wirtschaftlich integriert werden. Anstatt unnötigen Aufwand und ein Bürokratiemonster für nicht notwendige Bezahlkarten aufzuwenden, sollen die Ressourcen in die rasche Integration der Geflüchteten mit positivem Asylentscheid eingesetzt werden.

Nau.ch: Die SVP argumentiert im Antrag damit, dass «kriminelle Schlepperbanden und Terroristen direkt und indirekt auch mit Geld von Asylsuchenden aus der Schweiz finanziert werden». Lässt sich diese Aussage belegen? Falls ja, um welche Summen handelt es sich?

«Höchst tendenziös, populistisch und gefährlich»

Lustenberger: Die Aussage der SVP, dass Asylsuchende terroristische Organisationen finanzieren, halte ich für tendenziös, populistisch und gefährlich. Es wird ein Generalverdacht gegenüber den schwächsten Mitgliedern unserer Gesellschaft (Flüchtlinge) in die Welt gesetzt, was völlig unangebracht ist.

Ich kenne keine Studie welche aufzeigt, ob überhaupt Geld von Asylsuchenden und Geflüchteten in andere Länder transferiert wird. Die Erfahrung zeigt, dass diese Personengruppe in der Schweiz wie gesagt so wenig Geld hat, dass sie keinen finanziellen Spielraum haben.

Richtig ist hingegen, dass Menschen mit Migrationshintergrund eine wichtige Stütze für ihre Angehörigen und der Wirtschaft ihrer Herkunftsländer sind. Also beispielsweise, wenn Xherdan Shaqiri seine Familienangehörigen im Kosovo unterstützt. Diese sogenannten «Remittances», machen Milliarden pro Jahr aus. Dieses Geld kommt aber von Personen, die ganz normal in der Schweiz leben, hier voll arbeiten und ihr Geld spenden. Das hat rein gar nichts mit Geflüchteten und Asylsuchenden zu tun.

«Es überrascht, dass die SVP einen so planwirtschaftlichen Eingriff machen möchte»

Nau.ch: Schweizer Banken verfügen bereits über Instrumente, um illegale Transaktion aufzuspüren. Inwiefern sollen Bezahlkarten verbotene Zahlungen besser verhindern können?

Lustenberger: Die Idee in Deutschland funktioniert so, dass die Bezahlkarten nur für gewisse Dienstleistungen zur Verfügung stehen. Es soll vorgegeben werden, in welchen Geschäften damit eingekauft werden kann und für welche online Dienste (beispielsweise ÖV-Ticket) die Karte zur Verfügung steht. Transaktionen ins Ausland und der Bezug von Bargeld sollen praktisch nicht mehr möglich sein. Wie das genau technisch funktionieren soll, ist aber nicht klar. Die Einführung ist gemäss Medienberichten aber erst auf 2025 geplant.

In der Schweiz müssten dann die Kantone festlegen, in welchen Geschäften eingekauft werden darf und in welchen nicht. Oder noch schlimmer, welche Produkte gekauft werden können oder nicht. Es überrascht, dass die SVP einen so planwirtschaftlichen Eingriff machen möchte.

Asylsuchende Bezahlkarte Zug
Eine Person wartet an einen Tisch gelehnt vor Waschmaschinen auf das Ende einer Wäsche, bei einem Besuch des Bundesasylzentrums Basel mit Bundesrat Beat Jans, am Freitag, 19. Januar 2024 in - keystone

Illegale Geldflüsse werden bereits heute strafrechtlich verfolgt und von den Banken, wenn immer möglich, regulatorisch verhindert. Diese Thematik hat wiederum gar nichts mit Asylsuchenden zu tun. Insbesondere der Kanton Zug hat eher das Problem, dass skrupellose Diktatoren in unserem Kanton und der Schweiz Geld verstecken und reinwaschen.

Nau.ch: Wie lassen sich Bezahlkarten mit dem Schutz der Privatsphäre der Asylsuchenden vereinbaren?

Lustenberger: Personen im Asylbereich sind bereits heute registriert und ihre Fingerabdrücke sind europaweit gespeichert. Hier würde sich wohl nicht viel ändern.

Sollten Asylsuchende ihr Geld künftig auf einer Spezialkarte erhalten?

Gleichzeitig muss man aber auch wissen, dass neue Überwachungssysteme historisch immer an den Schwächsten getestet werden. Eine Bezahlkarte könnte man ja zukünftig auch für Schweizer Sozialhilfebeziehende fordern oder für alle Menschen in Ausbildung oder alle mit einer römisch-katholischen Konfession. Solche Entwicklungen sind sehr gefährlich.

Zur Person: Andreas Lustenberger sitzt im Zuger Kantonsrat als Vertreter der Alternative – die Grünen (ALG).

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