Der Europarat hat sich erneut besorgt über die Lage von Flüchtlingen in Ungarn geäussert.
Ungarns Ministerpräsident Orban
Ungarns Ministerpräsident Orban - AFP/Archiv
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Das Wichtigste in Kürze

  • Budapest weist Vorwürfe zurück .

Viele Menschen in den von Ungarn betriebenen Containerlagern für Migranten erhielten keine Nahrung, kritisierte die Menschenrechtsbeauftragte der paneuropäischen Länderorganisation, Dunja Mijatovic, in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht. Sie forderte Ungarn auf, diese «unmenschliche Behandlung unverzüglich zu beenden». Die Regierung in Budapest wies die Vorwürfe umgehend zurück.

Asylanträge könnten nur in zwei Transitzonen an der serbischen Grenze gestellt werden, in denen Migranten hinter hohen Stacheldrahtzäunen de facto eingesperrt seien, stellte die Menschenrechtsbeauftragte fest. Mijatovic hatte sich im Februar vier Tage lang vor Ort über die Menschenrechtslage in Ungarn informiert. Sie traf dort Mitglieder der rechtskonservativen Regierung unter Präsident Viktor Orban, Parlamentarier sowie Vertreter von Nicht-Regierungsorganisationen.

Besonders besorgt äusserte sich Mijatovic über die Lage von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. In Ungarn würden Migranten ab 14 Jahren wie Erwachsene behandelt und ebenfalls in den Transitzonen eingesperrt, kritisierte die Menschenrechtsbeauftragte . Dies verstosse gegen internationale Abkommen wie etwa die UN-Kinderschutzkonvention, die Minderjährige bis 18 Jahre unter besonderen Schutz stelle.

Insgesamt sei das ungarische Asylrecht derart restriktiv, dass es zu einer «praktisch systematischen Abweisung der Anträge» führe, kritisierte die Menschenrechtsexpertin des Europarats. So hätten von September 2018 bis Januar 2019 nur sieben Migranten politisches Asyl erhalten. Ungarn habe im September 2015 wegen des damaligen Flüchtlingsandrangs eine «Krisensituation» ausgerufen und das Asylrecht drastisch eingeschränkt - unter Verletzung europäischer und internationaler Standards.

Die damals beschlossenen Regeln seien immer noch in Kraft, obwohl die Zahl der Migranten deutlich gesunken sei, kritisierte Mijatovic. Zudem sei der Zugang zu den Containerlagern sehr begrenzt: Im vergangenen Jahr seien pro Monat durchschnittlich 20 aus Serbien kommende Flüchtlinge aufgenommen worden. Von wenigen Ausnahmen abgesehen seien sie nach Ablehnung ihrer Anträge wieder nach Serbien abgeschoben worden.

Die ungarische Regierung habe mit ihrer Anti-Einwanderungspolitik «ausländerfeindliche Einstellungen, Furcht und Hass» in der Bevölkerung befeuert, stellte Mijatovic fest. Hinzu komme eine «Schmutzkampagne» gegen Menschenrechtsorganisationen und den aus Ungarn stammenden US-Milliardär George Soros und dessen Zentraleuropäische Universität (CEU) in Budapest.

Das Aussenministerium in Budapest betonte, Ungarn habe - wie andere Europaratsländer - in seiner Verfassung das Recht verankert, selbst darüber zu entscheiden, wem es Zugang zu seinem Territorium gewährt. Die Genfer Flüchtlingskonvention gelte im übrigen nur für Menschen, deren Leben oder Freiheit bedroht seien. Sie gelte nicht für Migranten, die aus einem anderen EU-Staat oder einem sicheren Drittstaat wie Serbien einreisten. Insofern seien die Abschiebungen nach Serbien gerechtfertigt.

Das Ministerium wies auch die Feststellung der Menschenrechtsexpertin zurück, die Migranten seien in den eingezäunten Transitzonen faktisch eingesperrt: Die Zonen seien in Richtung Serbien offen - jeder könne sie jederzeit verlassen und in das Nachbarland zurückkehren, betonte Budapest.

Zu dem Vorwurf, viele Menschen in den Transitzonen erhielten keine Nahrung, heisst es in der Stellungnahme, nach Abschluss des Asylverfahrens und bis zur Abschiebung über die Grenze sei Ungarn nicht verpflichtet, die Verpflegung der Migranten aus dem Staatshaushalt zu finanzieren. Diese könnten jederzeit in den Transitzonen Nahrung kaufen oder aber die Lager in Richtung Serbien verlassen.

Die restriktive ungarische Asylpolitik war wiederholt auch von der EU, dem UNHCR und von Menschenrechtsorganisationen als Verstoss gegen das Völkerrecht kritisiert worden. Die EU leitete im vergangenen September ein Strafverfahren gegen die rechtskonservative Regierung in Budapest ein, das bis zum Entzug von Stimmrechten im Ministerrat führen kann. Ein solches Verfahren ist laut EU-Vertrag möglich, wenn ein Land systematisch die demokratischen Grundwerte der Europäischen Union verletzt.

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