Namibische Volksgruppen fordern Deutschland auf, sich für den Genozid während den Kolonialzeiten zu entschuldigen. Die Haltung der Regierung sei «schockierend».
Dirk Behrendt (4.v.r.), Berliner Justizsenator, empfängt eine Delegation von Ovaherero und Nama aus Namibia
Dirk Behrendt (4.v.r.), Berliner Justizsenator, empfängt eine Delegation von Ovaherero und Nama aus Namibia - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Herero und Nama fordern eine offizielle Entschuldigung der Deutschen für den Genozid.
  • Ausserdem fordern mehrere Organisationen Entschädigungszahlungen für die Gräueltaten.

Vertreter der namibischen Volksgruppen der Herero und Nama haben am Montag die immer noch fehlende Entschuldigung Deutschlands für die unter deutscher Kolonialherrschaft verübten Verbrechen im heutigen Namibia angeprangert. Die Haltung der Bundeskanzler und des Bundestages seit 1990 sei «schockierend», sagte Esther Utjiua Muinjangue, Vorsitzende der Ovaherero Genocide Foundation bei einer Pressekonferenz beim Justizsenat in Berlin. Eine Entschuldigung würde «das Heilen emotionaler Wunden» möglich machen, fügte sie hinzu.

Berlins Justizsenator Dirk Behrendt hatte die Delegation von Herero und Nama anlässlich der Rückgabe historischer Gebeine aus Namibia am Mittwoch zum Gespräch eingeladen. Behrendt entschuldigte sich «im Namen der Berlinerinnen und Berliner» für die «unbestrittenen Taten», deren «Nachwirkungen bis heute» zu spüren seien.

Keine offizielle Entschuldigung bisher

Zwischen 1904 und 1908 waren unter der deutschen Kolonialherrschaft auf dem Gebiet des heutigen Namibia zehntausende Herero und Nama getötet worden. Die Bundesregierung bezeichnet die Verbrechen inzwischen zwar als Völkermord, bisher gab es aber keine offizielle Entschuldigung und auch keine Entschädigungszahlungen.

Die Bundesregierung verhandelt bereits seit einiger Zeit mit der namibischen Regierung über eine Aufarbeitung. Am Montagnachmittag sollte eine Delegation unter Leitung der namibischen Kulturministerin Katrina Hanse-Himarwa politische Gespräche mit Vertretern des Auswärtigen Amtes in Berlin führen.

Die Vertreter der Opferverbände machten deutlich, dass sie eine mögliche Entschuldigung der Bundesregierung an die namibische Regierung nicht akzeptieren würden. Solch eine Geste hätte nur Bedeutung, wenn sie sich an die traditionellen Führer der Herero und Nama richte, sagte Muinjangue.

«Es muss Entschädigungen geben»

Die namibische Parlamentsabgeordnete und Vorsitzende des Nama Genocide Technical Committee, Ida Hoffmann, forderte zudem, dass die Bundesregierung mit den Opferverbänden über Entschädigungszahlungen sprechen sollte. «Es muss Entschädigungen geben», sagte sie. Schliesslich hätten die deutschen Kolonialherren den Nama auch das Land genommen. Das «schöne Deutschland von heute» sei auch auf der Ausbeutung ihrer Ressourcen gebaut.

Am Mittwoch übergibt die Bundesregierung im Rahmen eines Gottesdienstes menschliche Gebeine an Regierungsvertreter des südwestafrikanischen Staates, die während der deutschen Kolonialzeit unrechtmässig nach Deutschland gebracht worden waren.

Der Berliner Historiker Christian Kopp vom NGO-Bündnis «Völkermord verjährt nicht» kritisierte, dass nach wie vor nicht klar sei, wie viele Gebeine aus Namibia und den übrigen deutschen Kolonien sich noch in Deutschland befinden würden. Hier gebe es «keine Transparenz». Es sei nicht auszuschliessen, dass die Gebeine heute noch für wissenschaftliche Untersuchungen genutzt werden.

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