Unterschriften-Bschiss: Bundeskanzlei macht keine Nachkontrollen
Das Wichtigste in Kürze
- Die Bundeskanzlei will keine Initiativen sistieren oder Unterschriften nachprüfen.
- Trotz Unterschriften-Bschiss: Es fehlten unter anderem auch die gesetzlichen Grundlagen.
- Mit einem runden Tisch wird jetzt nach Lösungen für Unterschriftensammlungen gesucht.
Dass gefälschte Unterschriften zu Tausenden von bezahlten Unterschrifensammlern den Komitees übergeben wurden, hat die direktdemokratische Schweiz erschüttert. Verschiedene Forderungen wurden vorgebracht. Unter anderem sind auch noch hängige Initiativen wie «Blackout stoppen» vom Skandal betroffen.
«Der Sammelprozess steht unter Missbrauchsverdacht», hielt Bundeskanzler Viktor Rossi gleich zu Beginn der Medienkonferenz fest. Drei Fragen stünden nun im Raum: Ist auf das Sammel- und Kontrollsystem noch Verlass, was ist zu tun, um das Vertrauen wieder herzustellen und was geschieht mit den noch pendenten, abstimmungsreifen Vorlagen.
Trotz Bschiss: Nachkontrollen und Sistierungen nicht vorgesehen
Die Bundeskanzlei informierte den Bundesrat heute erneut über die unlauteren Praktiken bei Unterschriftensammlungen für Volksbegehren, also Initiativen und Referenden. Es gebe bis heute keine belastbaren Indizien, dass Initiativen unrechtmässig zustande gekommen wären.
Aus diesem Grund, sowie wegen rechtlicher und staatspolitischer Bedenken, geht der Bundesrat mit der Bundeskanzlei einig: Man wolle nicht die Behandlung von hängigen Initiativen sistieren oder bei zustande gekommenen Initiativen nachkontrollieren.
«Beides wäre rechtlich problematisch und hätte politische Unsicherheit zur Folge», heisst es in einer Mitteilung. Bundeskanzler Rossi erinnert daran, dass die ungültigen oder gefälschten Unterschriften nicht mitgezählt wurden für das Zustandekommen von Initiativen. Es gebe keinen einzigen Fall, bei dem sich eine für gültig erklärte Unterschrift im Nachhinein als ungültig erwiesen habe.
Bundesrat will nicht Notrecht anwenden
Es gebe aktuell auch keine rechtlichen Grundlagen, die es den Behörden erlauben würden, Sistierungen oder Nachtkontrollen zu veranlassen. Da das Beschliessen von Gesetzen durch das Parlament zu lange dauern würde, könnte der Bundesrat per Notrecht rechtliche Grundlagen schaffen. Die Bedingungen für die Anwendung von Notrecht seien aber nicht erfüllt.
Braucht es ein Verbot für das Einkaufen von Unterschriften bei externen Firmen für Volksinitiativen und Referenden?
Die Bundeskanzlei gibt zu bedenken, dass Nachkontrollen auch schwierig umzusetzen wären. Es gehe um stichprobeartige Befragungen von Personen, deren Unterschrift von der Gemeinde bescheinigt wurde.
Doch wären diese von beschränkter Aussagekraft, wegen der Auswahl der Personen, der Rücklaufquote oder wegen Erinnerungslücken. Man müsse sich bewusst sein, dass die betroffenen Unterschriftensammlungen zum Teil schon vier Jahre her seien, so Bundeskanzler Rossi.
Mit rundem Tisch zu Standards für Unterschriftensammlungen
Die Bundeskanzlei verweist auch darauf, dass die Staatspolitische Kommission des Nationalrates sich ebenfalls gegen Nachkontrollen ausgesprochen hat. Man habe sich an die Devise gehalten: «Im Zweifel für die Volksrechte.»
Hingegen soll den unlauteren Praktiken «auf verschiedenen Ebenen schnell und entschieden entgegengetreten werden». Dazu gehörten strafrechtliche Verfolgung, Prävention, sowie Verbesserung der Abläufe.
Die Bundeskanzlei will demnächst einen runden Tisch einberufen. Dazu eingeladen werden sollen die beteiligten Akteure: Parteien, Verbände, Komitees, Sammelorganisationen und Behörden.
Ein Ziel sei die Entwicklung effizienter und pragmatischer Standards, zu deren Einhaltung die Akteure sich selber verpflichten. Weiter sollen zusammen mit der Wissenschaft technische Lösungen geprüft werden, um Unterschriftensammlungen gegen Missbrauch und Betrug besser schützen zu können.