Ein SVP-Inserat suggeriert eine frappante Ungerechtigkeit: Ein Asylbewerber erhält viermal soviel Geld wie ein Rentner. Doch: Stimmen die unglaublichen Zahlen?
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«Verdienen» Asylbewerber tatsächlich viel mehr als Rentner? - Keystone/Pixabay
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Das Wichtigste in Kürze

  • Verdienen Rentner weniger als Asylbewerber? Ein SVP-Post suggeriert genau das.
  • Sozialhilfe- und Renten-Kenner sagen: Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen.
  • Die SVP operiert gemäss Experten der SKOS mit unrealistischen Einzelfällen.

Der Post verbreitet sich derzeit rasend schnell in den Sozialen Medien. Der Absender: die SVP. Der Inhalt: ein gewagter Vergleich. Die Botschaft: «Schweizer, erwachet!»

Der Beitrag sorgt für entrüstete Kommentare. Fast 3000-mal wurde etwa der Facebook-Post von SVP-Nationalrat und -Asylchef Andreas Glarner bereits geteilt. Doch: Stimmt der Inhalt des Posts überhaupt?

Wieviel Wahrheit steckt in den Zahlen der SVP?

«Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen», sagt Ingrid Hess von der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe SKOS. Beim Beispiel von Asylbewerber Achmed Z. sei komplett falsch gerechnet worden.

Für Asylsuchende und vorläufig Aufgenommene gelten die tieferen Ansätze der Asylsozialhilfe, nicht die Sozialhilfe. «Weiter ist zu beachten, dass die Sozialhilfe nur die Differenz bis zum Existenzminimum deckt. Rund ein Viertel der Sozialhilfebezüger sind erwerbstätig und verfügen damit über ein Einkommen.» Die Sozialhilfe ist zudem nur vorübergehend, die Hälfte der Empfänger ist weniger als ein Jahr von ihr abhängig.

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Karl Flubacher vom unabhängigen Vermögensberater VZ Vermögenszentrum (l.) und Ingrid Hess von der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe SKOS hatten die Zahlen in Glarners Facebook-Post kritisiert. - vermoegenszentrum.ch/skos.ch

Im Beispiel handle es sich aber um eine Person, die eine fünfköpfige Familie versorgte. «Der Grundbedarf für fünf Personen beläuft sich auf 2'386 Franken. Darin eingeschlossen sind die Kosten für Lebensmittel, die Kommunikation aber auch für den öffentlichen Verkehr.»

Es können weitere Leistungen hinzukommen: Die Miete, unter Umständen die Kinderbetreuung (nur, wenn beide Elternteile arbeiten, was hier nicht der Fall ist), der AHV-Minimalbeitrag von 482 Franken jährlich, die nötigsten Zahnarztkosten sowie eine Integrationspauschale für Ausbildungen. Die letzten beiden Positionen belaufen sich durchschnittlich auf 400 Franken pro Monat.

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SVP-Nationalrat Andreas Glarner ist bei der SVP für Asyl und Migration zuständig. - Keystone

«Die Unterstützung für eine fünfköpfige Familie beträgt etwa 4600 Franken», erklärt Hess. Dazu komme noch die Krankenkasse, wobei die Kantone bei diesem tiefen Einkommen Prämienverbilligungen zahlen. Doch auch unter Einbezug aller noch so unwahrscheinlicher Kosten, komme man nicht auf diesen hohen Betrag, so Hess.

Ein Rentner, der sehr, sehr wenig gearbeitet hat?

Der Betrag des Rentners scheint ebenfalls wenig mit der Realität zu tun zu haben. «Gemäss der aktuellsten Neurentenstatistik ist der Fall eines Rentners mit 1616 Franken Monatsrente sehr unrealistisch.» Das sagt Karl Flubacher, Geschäftsleiter der Region Nordwest- und Westschweiz des Vermögenszentrums. «Das dürfte ein absoluter Einzelfall sein.»

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50 Prozent der Neurentner beziehen eine monatliche Rente von ihrem Pensionskassen-Kapital. Die andere Hälfte lässt sich mindestens einen Teil auszahlen. - BFS

Denn: «Wer mit 65 Jahren in Pension geht, bezieht durchschnittlich 4264 Franken.» Der häufigste Betrag, der Median, liegt etwas tiefer bei 3884 Franken. «Und selbst der unterste Viertel der Neurentner liegt mit gut 3000 Franken Monatsrente aus AHV und Pensionskasse deutlich über dem Wert aus dem Beispiel.»

Wer zudem über 44 Jahre lückenlos AHV eingezahlt hat, erhält eine Minimalrente von 14'220 Franken pro Jahr, also 1185 Franken pro Monat. «Das würde bedeuten, dass man aus PK und Freizügigkeitskonto noch 431 Franken erhielte – das ist fast unmöglich. Mit dem Umwandlungssatz von 6,8 Prozent müsste das Altersguthaben demnach 76‘059 Franken betragen. Man müsste also sehr wenig verdient haben oder in einem tiefen Teilzeitpensum gearbeitet haben.»

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Zum Vergleich die neusten Zahlen der Neurentenstatistik. - Nau

Flubacher hat deshalb eine andere Vermutung. «Vielleicht hat sich die Person die Pensionskasse auszahlen lassen. Dann erhielte sie monatlich nur noch eine AHV-Rente. Sie würde aber über ein Kapital verfügen, das sie über die Zeit verzehren könnte.»

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