Das serbelnde Milizsystem ist eine Schwäche der Schweizer Demokratie. Eine Analyse von Politikwissenschaftler Claude Longchamp.
Claude Longchamp
Politologe Claude Longchamp schreibt vor den Wahlen im Herbst bei Nau über Stärken und Schwächen der Schweizer Demokratie. . - Nau
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Das Wichtigste in Kürze

  • Politik-Experte Claude Longchamp schreibt über Stärken und Schwächen der Demokratie.
  • In diesem Artikel erklärt er das serbelnde Milizsystem zur Schwäche der Schweiz.

Zu den Erfolgsgeschichten der Schweizer Politik gehört – oder besser gehörte – das Milizsystem. Nicht Berufspolitiker sollen das Volk vertreten. Vielmehr sollen es Bürger sein, die Politik im Nebenamt betreiben.

Doch das ist vor allem das Wunschbild. Die Realität sieht häufig anders aus. Wer in eine Gemeindebehörde gewählt wird, merkt schnell, wie anspruchsvoll die Arbeit ist. Sie braucht viel Zeit und Geduld.

Nationalrat
Die Grosse Kammer beschäftigt sich mit der Steuervorlage 2017, an der Herbstsession der Eidgenössischen Räte 2018 im Nationalrat in Bern. - Keystone

Die Medien haben genau das nicht mehr, sie wollen alles und sofort wissen. Und wer nicht transparent Auskunft gibt, wird schnell kritisiert.

Das hat Folgen: Im Musterland der Demokratie wollen sich immer weniger freiwillig engagieren. In kleinen Gemeinden hat es bisweilen weniger Bewerber als Sitze.

In mittelgrossen Gemeinden reichen die Vereine nicht, um Personal zu rekrutieren, es gibt aber immer öfters auch keine Parteien. Und in Städten ist die räumliche Mobilität so hoch, dass Ende Amtsperiode selbst Gewählte weggezogen sind.

Handlungsbedarf erkannt

Der neueste Bericht zur Milizarbeit in der Schweiz erkennt verschiedene Handlungsfelder. So etwa die Notwendigkeit einer verbesserten finanziellen und ideellen Anerkennung.

Diskutiert werden auch Organisationsformen für Gemeindepräsidien aus der Privatwirtschaft, um den Rest der «Milizler» zu entlasten.

Nicht zuletzt sei auch die Ausbildung zentral – vor allem für JungpolitikerInnen, die im Nebenamt einsteigen.

Gemeindenfusion rettet Milizsystem

Politanalysten sind überzeugt: Das Milizsystem hat in den letzten 25 Jahren nur überlebt, weil ein Viertel der Gemeinden meist durch Fusionen verschwunden sind. Es braucht immer weniger Behördenmitglieder. Glarus war da am radikalsten und hat die Gemeinden bis auf drei abgeschafft.

Auch der Schweizerische Gemeindeverband ist der Überzeugung: Ohne grundlegende Reformen sei die Erfolgsgeschichte der Milizpolitik bald am Ende.

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«Stärken und Schwächen der Schweizer Demokratie»

Im Rahmen dieser Serie schreibt der Politikwissenschaftler und Historiker Claude Longchamp Beiträge zu den Stärken und Schwächen der Schweizer Demokratie. Die Texte erscheinen jeweils am Sonntag.

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