Im Dokumentationsfilm «Colonia Dignidad – Aus dem Innern einer deutschen Sekte» geht es um Tim Schäfers Sekte in einem abgelegenen Dorf Argentiniens.
Paul Schäfer (Mitte) mit Kindern in Heide ca. 1960. Foto: WDR/LOOKSfilm/WDR Kommunikation/Redaktion Bild/dpa
Paul Schäfer (Mitte) mit Kindern in Heide ca. 1960. Foto: WDR/LOOKSfilm/WDR Kommunikation/Redaktion Bild/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Arte und ARD veröffentlichen eine Doku über eine deutsche Sektensiedlung in Chile.
  • Paul Schäfer missbrauchte darin während vier Jahrzehnten seine Sektenmitglieder.
  • Ehemalige Mitglieder erzählen von ihren Erlebnissen vor der Kamera.

Kein Radio, kein Fernsehen, keine Zeitung, keine Uhren: Eine Doku von Arte und ARD rollt die unfassbare Geschichte einer deutschen Sektensiedlung in Chile auf. Das Filmmaterial wurde buchstäblich ausgegraben.

Hinter der Fassade eines deutschen Musterdorfes herrschten Terror, Angst, Folter und massenhafter Kindesmissbrauch: Die deutsche Sektengruppe «Colonia Dignidad» («Kolonie der Würde») konnte sich an einem abgelegenen Ort in Chile über vier Jahrzehnte halten.

300 Siedler waren ihrem Anführer Paul Schäfer in den 60ern ans Ende der Welt gefolgt, viele waren Kinder.

TV-Dokumentation in zwei Teilen

Wie der Laienprediger Schäfer sie unter seine Kontrolle bekam, zeigt die eindrucksvolle TV-Dokumentation: «Colonia Dignidad – Aus dem Innern einer deutschen Sekte». Das Erste bringt sie an zwei Abenden, an diesem Montag und eine Woche später, jeweils um 22.45 Uhr.

Frühere Mitglieder erzählen erstmals vor der Kamera von ihren traumatisierenden Erlebnissen. Der Film zeigt dazu in einer nie dagewesenen Fülle Filmmaterial aus der Siedlung.

«Er war der Teufel über Jahre»

Der dynamische Jugendpfleger Schäfer hatte schon in Deutschland verunsicherte junge Menschen der Nachkriegszeit um sich geschart. Auch Kurt Schnellenkamp war von seinen Predigten fasziniert und folgte ihm: «Es war, als ob ein Wind käme – alles weggefegt und da wäre keine Dunkelheit mehr.» Ex-Colonia-Mitglied Robert Matthusen erinnert sich: «Für mich war klar: Der Mann ist eine gottähnliche Figur.» Sein Leidensgenosse Willi Malessa, vom Sektenführer als Kind missbraucht, bringt es dann ganz deutlich auf den Punkt: «Er war der Teufel über Jahre, Jahrzehnte.»

Die Siedler,mussten aus dem Nichts im Wald ein Dorf errichten und lebten völlig abgeschottet von der Aussenwelt. Sie hatten kein Radio, kein Fernsehen, keine Zeitung.

Opfer wussten ihr Alter nicht

Weihnachten oder Geburtstage wurden abgeschafft. Viele wussten nicht einmal, wie alt sie waren. «In der Kolonie stand die Zeit still. 40 Jahre lang», heisst es in der Doku treffend.

Die «Colonia Dignidad» war 1961 rund 350 Kilometer südlich von Santiago de Chile von deutschen Auswanderern gegründet worden. In der Kolonie kam es unter dem 2010 gestorbenen Sektenführer Schäfer jahrzehntelang zu Folter, Zwangsarbeit und Kindesmissbrauch. Später benannte sich die Siedlung in «Villa Baviera» um und sagte sich von Schäfer los. Dieser wurde 2006 wegen Kindesmissbrauchs in Chile zu 20 Jahren Haft verurteilt.

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