Sophie Hunger verbindet in ihrem neuen Album «Molecules» den Liebeskummer mit Elektro-Musik und Krautrock: Wie wenn man «heisse Schokolade über den Kopf» leert.
Die Berner Musikerin Sophie Hunger.
Die Berner Musikerin Sophie Hunger. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Das neue Album «Molecules» von Sophie Hunger befasst sich einzigartig mit Liebeskummer.
  • Sie reduziert ihre Musik auf «Synthies, programmierter Beat, Stimme und eine Gitarre».

Es gibt Menschen, die rufen nach einer Trennung ein Bild aus glücklichen Tagen in Erinnerung und lassen es nie mehr los. Und es gibt solche, die zerlegen es in Einzelteile – so wie Sophie Hunger dies auf ihrem neuen Album «Molecules» tut.

«Ich stand am Mischpult, als wir der Plattenfirma in London die neuen Songs präsentierten, und fragte, was das für ein Album sei», sagt Sophie Hunger im Gespräch mit Keystone-SDA. «It's a break-up album», habe die Antwort gelautet. Ein Schlussmach-Album. Und die Musikerin dachte bloss, ah okay, das ist also ein Genre.

«Heisse Schokolade über den Kopf leeren»

Sie selber wäre nie auf die Idee gekommen, «Molecules» in dieser Schublade unterzubringen. Die Atmosphäre, die ihre elf neuen Nummern verströmen, lässt auch tatsächlich nicht sofort an Liebeskummer denken. Die Songs sind von düsteren Nächten in Berliner Techno-Clubs geprägt, klingen vielmehr nach Kälte und Dunkelheit, als «wie wenn man jemandem heisse Schokolade über den Kopf leeren würde», so Hunger.

Wäre sie während des Wundenleckens am Flügel gesessen, hätte das Album von der musikalischen Wirkung her womöglich schon «etwas sehr Pathetisches gehabt». Doch die 35-Jährige tauchte stattdessen mit ihrer Berliner Clique in die Welt der Elektronischen Musik ein, liess sich von lokalen Krautrockbands der 60er Jahre inspirieren.

Was dazu führte, dass sie die klassischen Instrumente weitgehend durch Elektronik ersetzte und ihre Arbeitsmittel auf vier Elemente reduzierte: «Synthies, programmierter Beat, Stimme und eine Gitarre».

Während einer Ausbildung in den USA, bei der Sophie Hunger nur mit Computerprogrammen arbeitete, hat sie ihre Berührungsängste mit der Elektronischen Musik verloren. Entsprechend passend schien es ihr, die in der Vergangenheit sowohl Englisch, wie auch Deutsch und Französisch gesungen hatte, für «Molecules» ausschliesslich englischsprachige Texte zu schreiben.

Innerhalb der Zeilen wiederum sind zuweilen Bezeichnungen für physikalische Substanzen zu finden – ein weiteres Stilmittel, mit dem sie ihre Vorstellung eines zeitgemässen Albums komplettiert.

Faszinierender Kontrast

Aber ja, Statik, Synthetik und Pragmatismus zum Trotz: «Molecules» ist ein Schlussmach-Album. Sophie Hunger verarbeitet damit eine Trennung, in die auch Kinder involviert waren, wie im Pressetext zu lesen ist. Dass das da stehe, sei kein Freipass, um fortan nur noch Fragen zu ihrem Privatleben zu stellen, lacht die Sängerin.

Überhaupt sei das Thema irreführend. «Wohl gibt es drei, vier Lieder, die sich um diese vergangene Beziehung drehen», so die Musikerin.

Ihre Songs seien aber sicher nicht wie die Tagesschau zu deuten. «Es wäre dumm, eins zu eins über den Inhalt zu reden.» Schliesslich habe sie aus ihren Erfahrungen Fiktion kreiert.

Mit «Molecules» ist Sophie Hunger Faszinierendes gelungen. Eine einzigartige Kombination aus kühlem Elektrosound, der einem in feuchte Keller, ins flackernde Neonlicht, in die Anonymität herunterzieht, Texten, in denen es um starke Gefühle geht, und einer Stimme, die wohltuend daran erinnert, dass hinter diesem Werk die gute alte Sophie Hunger steckt.

Die Sophie Hunger, die so Vertrautes wie Trennungsschmerz komplett neu zu verpacken vermag. Und die nur darum einwilligt, «Molecules» ein «break-up album» zu nennen, weil sie «schlecht sagen kann, es handle von einem Pfirsichbaum».

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