«Literatur soll lebendig werden» an Solothurner Literaturtagen

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Solothurn,

Catherine Schlumberger ist die neue Geschäftsführerin und leitet zum ersten Mal die Solothurner Literaturtage. Sie gibt nun einen Einblick hinter die Kulissen.

Schlumberger
Catherine Schlumberger ist die Geschäftsführerin der Solothurner Literaturtage. - keystone

Als neue Geschäftsführerin verantwortet Catherine Schlumberger erstmals die Solothurner Literaturtage. Kurz vor dem Start der 47. Ausgabe am (morgigen) Freitag gewährt sie der Nachrichtenagentur Keystone-SDA einen Blick hinter die Kulissen.

Der kürzlich verstorbene Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa hat gesagt, die Schweiz habe abgesehen von einigen herausragenden Figuren «keine grosse Literatur». In einem Land, das so fortgeschritten und reich sei, «schwindet die Dringlichkeit, die Realität und die Gesellschaft zu verändern – und genau diese Dringlichkeit macht grosse Literatur aus.» Wie sehen Sie das?

Catherine Schlumberger: «Es gibt auch in der Schweiz viele Verhältnisse, die man hinterfragen kann. Die Zürcherin Nora Osagiobare kritisiert in ihrem Roman »Daily Soap«, wie sich die Mehrheitsgesellschaft gegenüber Minderheiten verhält. Nur schon ein solches Gefälle sorgt für Dringlichkeit. Oder Jonas Lüscher: Er greift in seinem neuen Buch sehr aktuelle und politische Themen auf, wie das Verhältnis von Mensch und Maschine und die technische Revolution durch KI, die unsere Gesellschaft nachhaltig verändert. Auch das hat Dringlichkeit.»

Nach welchen Kriterien haben Sie das Programm für die 47. Solothurner Literaturtage zusammengestellt?

«Wir haben den Auftrag, schweizerisches Literaturschaffen in seiner ganzen Vielfalt breit abzubilden. Unser Auswahlverfahren ist viel-perspektivisch. Mit mir sind elf Personen in der Programmkommission, die meisten zum ersten Mal. Gemeinsam stellen wir die Schweizer Werkschau zusammen. Wichtig ist dabei die Mehrsprachigkeit, dass also alle offiziellen und weitere Landessprachen vertreten sind. Vielfalt zielt auch darauf, dass neben Prosa die Lyrik ihren Platz findet. Gerade in diesem Jahr haben wir starke Lyrikstimmen gefunden.»

Wie läuft dieser Auswahlprozess ganz konkret? Sie haben für die aktuelle Ausgabe 226 Neuerscheinungen auf dem Tisch gehabt. Wie ist nur schon diese Anzahl zu bewältigen?

«Ab dem Sommer lesen wir sehr, sehr viel. Die meisten Bücher werden in der Programmkommission von mindestens zwei Personen gelesen. Und dann beginnt die Auseinandersetzung, im Rahmen derer ganz unterschiedliche Perspektiven aufeinander treffen. Im Herbst haben wir eine erste Vorauswahl. Die wird weiter reduziert. Das Ganze ist ein Prozess, der durchaus auch kontrovers ist, aber auf eine gute Art.»

Wie viele dieser 226 Neuerscheinungen tauchen jetzt noch auf?

«Rund 35 hat die Programmkommission ausgewählt. Es kommen weitere dazu, die andere Gruppen einbringen.»

Wie nähern Sie sich der unüberblickbaren Menge an internationalen Neuerscheinungen?

«Mit internationalen Stimmen ergänzen wir Themen aus der schweizerischen Literatur. Und dann gibt es Namen, die wir uns einfach nur wünschen.»

Wen wollten Sie dieses Jahr unbedingt dabei haben?

«Ich freue mich, dass Olivia Laing aus Grossbritannien im Rahmen unseres digitalen Programms dabei ist. Laing erkundet den Garten als Ort der Gemeinschaft und der Verbindung. Die Italienerin Francesca Melandri wird mit ihrem neuen Buch »Kalte Füsse« da sein. Sie setzt sich darin sehr persönlich mit ihrem Vater auseinander, der im Zweiten Weltkrieg in der Ukraine gekämpft hat.»

Dabei fällt auf, dass einer fehlt: Christian Kracht. Er war mit seinem neuen Roman 'Air' gerade erst für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert, er kommt ans Literaturfestival nach Leukerbad – und fehlt in Solothurn.

«Wir hatten Anfang Dezember unsere Deadline, bis wann wir Texte prüfen konnten. 'Air' lag aber seitens des Verlags erst Anfang Februar vor. Es ist schade, dass wir diesen Titel deshalb nicht berücksichtigen konnten.»

Anwesend sein werden die Ukrainerin Yevgenia Belorusets und die Israelin Lizzie Doron. Sie reden an einem Podium darüber, welche Sprache sie für den Krieg in ihrer Heimat finden – schwierige Themen. Die Literaturtage sprechen damit eine Leserschaft an, der Literatur auch weh tun darf. Das ist nicht die breite Masse.

«Die Solothurner Literaturtage richten sich an ein breit interessiertes Publikum. Ich habe den Eindruck, dass dieses Publikum offen ist, neugierig auf aktuelle Themen und bereit ist, zuzuhören. Vor diesem Hintergrund hoffe ich auf einen Austausch, der neue Perspektiven zulässt und als bereichernd wahrgenommen wird.»

Geht es auch in diese Richtung, wie Sie als Geschäftsführerin die Solothurner Literaturtage prägen wollen?

«Das mache ich nicht alleine. Wir sind ein Team. Aber es stimmt schon: Ich halte gerade in der heutigen Zeit den Austausch für wichtig und ich möchte, dass Literatur lebendig wird, in all ihren Facetten.»

Ihr Vertrag als Geschäftsleiterin läuft nur für zwei Jahre, also für die aktuelle 47. Ausgabe und die von 2026. Wieso diese Befristung?

«Ich bin vorerst für diese beiden besonderen Jahre im Amt – während der Sanierung des Landhauses. Eine Ausnahmesituation, die wir als Chance begreifen, um Neues auszuprobieren. Und sie gibt dem Vorstand auch den nötigen Raum, um über strategische Fragen nachzudenken.

Aber nach den vielen Wechseln der letzten Jahre müsste jetzt doch eigentlich Kontinuität als Argument ins Gewicht fallen.

«In unseren Gesprächen wird das sicher rechtzeitig Thema sein.»

Zur Person:

Catherine Schlumberger kommt hauptberuflich aus der Verlagswelt. Bevor sie nach Solothurn wechselte, hat sie bei Diogenes in Zürich gearbeitet, zuletzt als Verantwortliche für Autorenlesungen und literarische Veranstaltungen.

Sie war auch bei den Solothurner Literaturtagen keine Unbekannte. Von 2019 bis 2024 hat sie im Mandat Vermittlungsformate geplant. Darüber hinaus arbeitete sie nebenberuflich für das Literaturfestival Zürich liest, für das junge Literaturfestival Literatur & Noise in Zürich oder für die Rote Fabrik.

Schlumberger hat an der Universität Zürich ein Studium der Literatur- und Sprachwissenschaft, Kunstgeschichte und Publizistik mit dem Lizentiat abgeschlossen. Es folgte unter anderem ein Master in Kulturmanagement an der Hochschule Luzern für Design und Kunst.

Kommentare

User #4405 (nicht angemeldet)

Ach was. Und darauf chummet die GeschaeftsfuehrerIn i.d. Schweiz 2025. Mei Gott, da sind ja d. Gschichtli d. Schweiz / Schwaetzerland seit 1200 besser - LoL.

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