Jeremy Chavez-Garcia aus Villmergen wurde 2019 U20-Schweizermeister im Poetry Slam. Am Samstag steht der 21-Jährige in der heimischen Überseh-Bar auf der Bühne.
Jeremy Chavez-Garcia
«Beim Poetry Slam kollidiert das Wort mit der Performance», sagt Jeremy Chavez-Garcia. - Biovision
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Nau.ch: Jeremy, seit wann stehst du schon als Slam Poet auf der Bühne? Wie bist du dazu gekommen?

Jeremy Chavez-Garcia: Als ich 13 Jahre alt war, gab mir meine damalige Deutschlehrerin ein Buch über Poetry Slam; wahrscheinlich um meine Tagträume und die Schreiblust in eine Kunstform zu kanalisieren. Zum Poetry Slam selber kam ich aber erst vor zwei Jahren.

In meiner Schule sah ich eine Ausschreibung für die kantonalen U20-Vorrunden. Ich schrieb mich ein, fuhr vier Stunden nach St. Gallen um vor zehn Zuschauern aufzutreten und nach der ersten Runde wieder nach Hause zu fahren. Im Zug schwor ich mir, das nie wieder zu machen.

Ein allzu schlimmes Trauma kann es aber nicht gewesen sein, denn kurze Zeit später stand ich in der Kanti Wohlen wieder auf der Bühne. In einem vertrauten Umfeld vor Familie und Freunden in der eigenen Schule einen selbstgeschriebenen Text vorzulesen, löste irgendeinen Funken in mir aus, der seither nicht mehr aufhörte zu sprühen.

Jeremy Chavez-Garcia
2019 wurde Jeremy zum U20-Schweizermeister im Poetry Slam erkoren. - Kiff Aarau

Nau.ch: Wovon handeln deine Slams? Wo nimmst du die Ideen her?

Meine Ideen finden ihren Ursprung meistens in den kleinen Verrücktheiten des Alltags. Deshalb verlasse ich auch nie ohne Notizbuch das Haus. Ich beobachte gerne meine Umgebung und ziehe von da aus Schlüsse auf die grosse Welt. So versuche ich für mich, unsere Gesellschaft besser zu verstehen, zu thematisieren und bereits Erzähltes auf neue Art und Weise auf die Bühne zu bringen.

Nau.ch: Ist es in der aktuellen Zeit fast schon Pflicht, einen Text über Corona zu schreiben oder ist das Gegenteil der Fall, da die Leute vielleicht gerade mal etwas anderes hören wollen?

Corona beschäftigt unsere Gesellschaft seit bald einem Jahr und wird es noch länger tun. Die Schwierigkeit für die Slam-Szene besteht darin, dieses bald totdiskutierte Thema auseinanderzunehmen und trotzdem spannend auf der Bühne zu erzählen. Der «so habe ich das jetzt noch nicht gesehen»-Effekt spielt hier eine wichtige Rolle.

Jeremy Chavez-Garcia
Die Ideen für seine Slams findet Jeremy im Alltag. - Pierre Jarawan

Corona wird für die Gesellschaft eine Zäsur darstellen; vieles wird und darf nicht mehr so sein wie es vorher war. Als Künstler zuzusehen, wie Geschichte entsteht und sich dann zu entscheiden sie zu ignorieren, das wäre doch unglaublich schade.

Für alle, die am nächsten Samstag in die Überseh-Bar möchten, das Thema aber nicht mehr hören können, kann ich aber eine Entwarnung aussprechen: Ich habe meinen eigenen «so habe ich das jetzt noch nicht gesehen»-Effekt noch nicht zu Papier gebracht.

Nau.ch: Du wurdest 2019 U20-Schweizermeister im Poetry Slam. Wie war das für dich?

Das war eine grosse Überraschung. Ich hatte vorher nur eine handvoll Auftritte, von denen die meisten im Kreise der Familie stattfanden. Plötzlich stand ich vor dem ausverkauften Neubad, durfte meine Texte vorlesen und dann auch noch Schweizermeister werden.

Eine unglaubliche Erfahrung und ein Sprungbrett in die Slam-Szene. Dass ich seither mit meinen Texten durch den deutschsprachigen Raum pendeln und ein Publikum berühren kann, ist einfach fantastisch und ich geniesse es sehr.

Jeremy Chavez-Garcia
Jeremy Chavez-Garcia im Halbfinale der U20-Schweizermeisterschaft 2019. - Tobias Heyel

Nau.ch: Wie vorher angetönt stehst du am Samstag, 15. August, mit anderen Slam Poeten in der Überseh-Bar in Villmergen auf der Bühne. Worauf darf sich das Publikum freuen?

Beim Poetry Slam kollidiert das Wort mit der Performance. Die Texte sind thematisch völlig frei, jedoch zeitlich begrenzt. Auf der Bühne kann das Universum verklärt, das eigene Stofftier beschrieben, die Weltwirtschaft berappt, Goethe beschimpft oder eine Himbeermilchshakeanleitung beschrieben werden. Inhalt egal. Hauptsache selbstgeschrieben, Hauptsache unter sechs Minuten.

Überseh-Bar Villmergen
Die Überseh-Bar bietet eine schöne Atmosphäre. - z.V.g.

Neben mir treten in der Überseh-Bar Olivia Chianese, Patrick Züst und Benjamin Koch auf. Drei interessante Menschen, die etwas zu erzählen haben.

Benjamin ist der aktuelle Innerschweizer Meister und stammt aus Dietwil. Mit seinen Texten verklärt er auf seine eigene Art und Weise die Welt in einer unbeschreibbaren Art. Mit unserem Slamteam Ben&Jerry belegten wir gemeinsam bei den U20 deutschsprachigen Meisterschaften den dritten Teamplatz.

Überseh-Bar Villmergen
Die Überseh-Bar Villmergen öffnete 2019 erstmals ihre Türen. - z.V.g.

Patrick Züst ist aus Villmergen und stand mit dreizehn Jahren zum ersten Mal auf einer Bühne. Leider ist er seit einigen Jahren nicht mehr aufgetreten und darum freue ich mich umso mehr, dass er sich jetzt entschieden hat, in der Überseh-Bar sein Comeback zu geben. Ich bin gespannt zu hören, über was sich der ehemalige Silicon-Valley-Korrespondent und jetziger ETH-Student Gedanken macht.

Olivia kenne ich aus der Kantonsschule Wohlen. Sie schafft es mit Leichtigkeit Menschen zum Lachen zu bringen, weshalb ich sie schon lange für einen Auftritt überzeugen wollte. Am nächsten Samstag feiert sie jetzt endlich ihre Slam-Premiere.

Jeremy Chavez-Garcia
Bald schon beginnt Jeremy sein Geschichts- und Germanistikstudium. - Benjamin Koch

Nau.ch: Was steht dieses Jahr bei dir sonst noch an?

Derzeit bin ich in der Rekrutenschule (RS). Danach beginne ich mein Geschichts- und Germanistikstudium an der Universität Basel. Ansonsten ist es natürlich schwierig, etwas zu planen, weshalb ich bis sicher Ende Oktober keine weiteren Auftritte geplant habe.

Zur Person

Jeremy Chavez-Garcia aus Villmergen wurde 2019 U20-Schweizermeister im Poetry Slam. Der 21-jährige Maturand widmet sich in seiner Freizeit nebst dem Schreiben und der Literatur auch gerne der Musik sowie dem Fussball.

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