Nicht gegen, sondern für das Bypass-Projekt will sich Kriens einsetzen.
Kirens
So stellt sich Kriens die «Vision Chance Bypass» vor: Rot heute, Blau geplant vom Astra, gelb eine gute Lösung für Kriens - stadt-kriens
Ad

Allerdings soll mit dem Bau des Autobahn-Grossprojektes nicht die alte städtebauliche Wunde vergrössert werden. Sie soll vielmehr geschlossen werden, indem daraus eine Chance für die ganze Region gemacht wird. Diese Strategie legt der Stadtrat dem Krienser Einwohnerrat mit einem Planungsbericht für die April-Sitzung vor.

ie politische Konstellation ist historisch: In Kriens, wo die politischen Meinungen ansonsten traditionell heftig aufeinanderprallen, gibt es ein Thema, bei dem von Beginn an grosse Geschlossenheit herrschte: Die Komplett-Einhausung der Autobahn parallel zur Realisierung des Grossprojektes «Bypass». Mehrere Male erteilte das Krienser Stadtparlament dem Stadtrat einstimmig Aufträge, um sich für eine Verbesserung des Autobahn-Grossprojektes Bypass einzusetzen.

Projekt Bypass: Ja, aber …

Der Blick aufs Projekt und seine Dimensionen zeigt, was die lokale Bevölkerung alarmierte und deren Volksvertretung zum historischen Schulterschluss trieb: Der Bund will den Auto-Transitverkehr auf der Strecke zwischen Hamburg und Rom grossräumiger an Luzern vorbeiführen. Er plant dafür das «Gesamtprojekt Bypass», in dessen Kern ein zweites Tunnelsystem entsteht. Darin wird der Transitverkehr zwischen der ehemaligen KVA Ibach und dem Sonnenberg-Südportal in einem zweiten, neuen Tunnel geführt. Das Meisterwerk der Tunnelbaukunst führt unter der Reuss und dem Sonnenbergtunnel hindurch und beseitigt so geschickt einen Flaschenhals im internationalen Transitverkehr. Gleichzeitig schafft der Bypass im Reussport- und im bestehenden Sonnenbergtunnel Platz für den lokalen und regionalen Verkehr. Transit- und Regionalverkehr werden am Südportal des Sonnenbergtunnels wieder zusammengeführt. Es entsteht ein Grossbauwerk mit total acht Autobahnspuren mitten im Wohngebiet – und als «Visitenkarte» am Ortseingang von Kriens. Von dieser neu 70 Meter breiten Grosshofbrücke wird der Verkehr auf sechs Autobahnspuren weitergeführt – mitten durch dicht besiedeltes Wohngebiet.

Steine aus dem Weg räumen

«Kriens trägt die Last bezüglich Verkehr, Lärm und Abgasimmissionen als Standortgemeinde seit den Fünfzigerjahren» sagt die Krienser Stadtpräsidentin Christine Kaufmann-Wolf. «Und Kriens wird das auch weiterhin tun. Deshalb unterstützen wir auch die Ziele, die hinter der Bypass-Planung stehen.» Denn mehr Stabilität des Verkehrssystems führe zu mehr Zuverlässigkeit des gesamten Strassennetzes für alle Verkehrsteilnehmenden in der Stadt und Agglomeration - «das nützt letztlich der Bevölkerung und dem Gewerbe der ganzen Zentralschweiz.» Deshalb hat sich Kriens im gesamten Planungsprozess auch stets konstruktiv-kritisch eingebracht: «Unser Ziel ist es, der Bypass-Realisierung Steine aus dem Weg zu räumen.»

Der grösste Stein: In Kriens führt die Autobahn, die zu grossen Teilen dem Nord-Süd-Transitverkehr dient, offen über mehr als einen Kilometer durch dicht besiedeltes Gebiet – in der kantonalen Richtplanung als Entwicklungsschwerpunkt definiert. Ein eigentlich unhaltbarer Zustand, dürften sich doch die Verkehrszahlen dort bis ins Jahr 2030 auf 110'000 Fahrzeuge pro Tage im Vergleich zu heute fast verdoppelt haben. «Die Verkehrsströme und die Mobilitätsbedürfnisse haben sich seit dem Bau dieser Autobahn fundamental geändert,» sagt Christine Kaufmann-Wolf. «Wenn nun jetzt ein solches Grossprojekt realisiert wird, muss man auch die Chance nutzen, die negativen Auswirkungen auf den Lebensraum entlang dieses Projektes zu minimieren.» Kriens befürchtet durch den Ausbau der Autobahn mehr Lärm, mehr Abgase und nicht zuletzt auch mehr Verkehr in den Quartieren. Während der über 10jährigen Bauzeit ist zudem ein Totalkollaps zu befürchten. Dies ist ein zweiter Stein, den es für eine erfolgreiche Projektumsetzung aus dem Weg zu räumen gilt.

Stadtreparatur in Kriens

In der gesamten Projektentwicklung haben die Krienser Behörden mit Rückendeckung des Stadtparlamentes auf diese beiden Ziele hingewirkt: Kompletteindeckung («Einhausung») der Autobahn sowie maximale Vorkehrungen zum Schutz der Bevölkerung während der Bauzeit. Der Bund als Auftraggeber kam mit einer ersten Anpassung des Projektes durch die Verlängerung des Tunnelportals bei den Grosshof-Brücken bereits ein Stück entgegen und anerkennt damit die Problematik. «Das ist ein guter Anfang», weiss auch die Krienser Stadtpräsidentin. Aber sie ist überzeugt: «Die Chance ist noch sehr viel grösser, wenn wir mit dem Autobahn-Projekt auch die Chancen zur Stadtreparatur nutzen.» Denn Kriens habe historisch gesehen die Autobahn nie gewollt – aber sie stets mitgetragen. Jetzt fordert Kriens, dass die Autobahn zwischen Sonnenbergtunnel und den vor 20 Jahren bereits überdeckten Teilstücken unter den Schweighof-Quartieren bis zum Pilatusmarkt (Tunnels Schlund und Spier) komplett überdacht und «eingehaust» wird. Deshalb hat Kriens die Vision «Chance Bypass: Oben Stadtpark – unten Autobahn» entwickelt. Sie zeigt, was sich Kriens unter «Stadtreparatur» vorstellt. «Um es nochmals klar zu machen: Wir sind nicht gegen, sondern klar für den Bypass. Aber wir finden, dass man jetzt die Chance hat, mit dem Autobahnbau gleichzeitig ein Stück Lebensraum für die Menschen hier zu schaffen».

Die Vision «Chance Bypass» dient als Denkansatz für die Weiterentwicklung des Bypass-Projektes. Und sie soll Grundlage sein für städtebauliche Überlegungen. Parallel dazu hat Kriens im laufenden Planauflageverfahren für den Autobahnbau eine formelle Einsprache eingereicht. Das Beschreiten dieses Rechtsweges hat weder die Verhinderung noch die Verzögerung der Projektumsetzung, sondern die Projektoptimierung zum Ziel.

Kriens will eine Lösung, kein Gerichtsverfahren

In seinem Planungsbericht skizziert der Stadtrat nun, wie er sich positionieren will: «Am Gesamtprojekt Bypass haben sehr viele Fachleute bereits intensiv gearbeitet. Diese Arbeit können wir nun fortführen und mit einer Einhausung die Wiederholung früherer städtebauliche Fehler verhindern. Diese Chance gilt es zu nutzen, weil wir damit völlig neue Perspektiven schaffen.» Damit lässt Christine Kaufmann-Wolf auch durchblicken, dass Kriens bereit ist für konstruktive Gespräche für eine regional verträgliche Lösung: «Der Krienser Einwohnerrat hat uns zwar ermächtigt, notfalls auch den Rechtsweg zu schreiten. Mit der Einsprache haben wir uns diese Option offengehalten. Das aber ist für uns nur das letzte Mittel. Wir wollen das Projekt nicht durch den Gang ans Bundesgericht verzögern, sondern wollen an einer siedlungsverträglichen Lösung mitarbeiten, die zügig realisiert wird.» Damit, so ist der gesamte Krienser Stadtrat überzeugt, würde der wohl grösste Stein für eine rasche Realisierung des Autobahnprojektes aus dem Weg geräumt.

Das brauche nun aber noch einmal einen Effort. Und ein Öffnen der Denkweise, aus einem Autobahnprojekt ein Stadtentwicklungsprojekt zu machen. Umso mehr, als viele der einst mit dem Bypass-Projekt einhergehenden flankierenden Massnahmen inzwischen nur noch auf dem Papier existieren. Dazu gehören die Spange Nord, die Reussüberquerung Fluhmühle oder die durchgehende Busspur vom Eichhof bis zum Luzernerhof.

Seit der formellen Abgabe der Einsprache, mit der die Stadt Kriens auf juristischem Weg ihre Bedenken zu den Folgen des Projektes formuliert hat, ist in Kriens viel passiert. Der Stadtrat wurde nach den Gesamterneuerungswahlen komplett ausgetauscht, und auch im Parlament sitzen viele neue Gesichter: «Der neue Stadtrat hat sich inzwischen auch in dieses sehr komplexe Dossier Bypass eingearbeitet und steht voll und ganz hinter dem wichtigen Ziel, das Autobahnprojekt als Chance zur Stadtentwicklung zu nutzen.

Das Projekt geniesst deshalb bei uns höchste Priorität» sagt Christine Kaufmann-Wolf. Jetzt wolle man mit dem Planungsbericht auch das Parlament abholen. Das Parlament soll nun die Stossrichtung beraten und dem Stadtrat zu Handen der anstehenden Gespräche und der Verhandlungen auf der juristischen Ebene das Mandat erteilen. Die Stadtpräsidentin ist überzeugt: «Die Auswirkungen des Bypass’ sind für Kriens gravierend. In der Bevölkerung wird die Front, die sich für die Vision ‘Chance Bypass’ stark machen will, immer breiter.

Der Druck der Bevölkerung ist enorm!» Das Stadtparlament gibt mit der Debatte über den Planungsbericht für dieses Engagement nun die Stossrichtung vor. Und das überparteiliche Komitee «Bypass – so nicht», das sich aus dem Einwohnerrat herausgebildet hat, darf sich in seiner Stossrichtung bestätigt fühlen: Kriens ist nicht gegen den Bypass als Gesamtidee. Aber Kriens ist gegen ein reines Autobahn-Grossprojekt, das zu Lasten und damit gegen den Willen der Krienser Bevölkerung gebaut wird.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

AutobahnWolfBundesgerichtParlament