Der bernische Sicherheitsdirektor Philippe Müller (FDP) übt scharfe Kritik an «Berner Zeitung» und «Bund».
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Philippe Müller, der Sicherheitsdirektor von Bern. - Keystone

Bei einer Polizeikontrolle in Bern im Juni 2021 war ein widerspenstiger Mann zu Boden geführt worden, um ihm Handfesseln anlegen zu können. Zufällig anwesende Journalistinnen von BZ und «Bund» brachten den Fall an die Öffentlichkeit.

Der Polizist, der den Mann zu Boden führte, wurde an diesem Dienstag erstinstanzlich vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs und der Tätlichkeit freigesprochen. Verurteilt wurde ein Polizist, der den Mann später unsanft in einen Wagen stiess. Beide Urteile sind noch nicht rechtskräftig.

Müller kritisiert Berichtserstattung

«Das Knie auf dem Hals. Verstörende Aktion der Berner Polizei» lautete ein Zeitungstitel im Juni 2021. Müller stört sich in einem an diesem Mittwoch veröffentlichten Communiqué daran, dass der Fall von Beginn weg auf die gleiche Stufe gestellt worden sei wie die Tötung von George Floyd durch einen US-Polizisten, der dem Opfer fast zehn Minuten lang das Knie auf den Nacken gedrückt hatte.

Müller sieht «eine öffentliche Vorverurteilung». Der Leserschaft seien entscheidende Informationen vorenthalten worden, zum Beispiel die Dauer der Fixierung von etwas mehr als einer Minute. Die Journalisten hätten gewusst, dass die Dauer deutlich unter dem kritischen Wert von drei bis vier Minuten gelegen sei.

Zudem habe man aus zahlreichen Fotos genau dasjenige Bild ausgewählt, das Assoziationen zum Fall Floyd wecke. Andere Bilder seien bis heute unveröffentlicht. Sie zeigen laut Müller, dass vor allem der Unterschenkel für die Fixierung genutzt worden sei und der Mann den Kopf zwischenzeitlich leicht habe anheben können.

Erklärungen der Polizei seien verkürzt dargestellt worden

Informationen, die nicht zur «Story» passten, seien unterschlagen worden, sagte Müller im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Die Erklärungen der Polizei seien verkürzt dargestellt, differenzierte Fachmeinungen unterschlagen oder vereinfacht worden.

Die Berichterstattung sei für die Mitarbeitenden der Polizei eine schwere Belastung gewesen. Müller appellierte an die Medienschaffenden, «fair, ausgewogen und unvoreingenommen» zu berichten.

Die Chefredaktion von BZ und «Bund» wies die Vorwürfe zurück. Die Berichterstattung sei «ausgewogen und so präzise und umfassend wie möglich» gewesen, hielt BZ-Chefredaktor Simon Bärtschi auf Anfrage fest.

Verifizierte Faktenlage zu dem Zeitpunkt nicht vorhanden

Beim Vorfall mit dem Knie auf dem Hals des überwältigten Mannes handle es sich um die detaillierte Beschreibung eines Augenzeugen. Eine verifizierte Faktenlage, wie sie später den Ermittlern zur Einschätzung des Vorgehens diente, habe zu diesem Zeitpunkt nicht vorgelegen.

Im Beitrag sei zudem kein direkter Vergleich mit dem Fall Floyd gemacht worden. In einem später erschienenen Leitartikel sei explizit erwähnt worden, dass sich die beiden Fälle nicht vergleichen liessen.

Beschrieben habe man im übrigen auch die zweite Szene, in der der Mann in den Kastenwagen «bugsiert» worden sei. Diese Szene habe nun zur Verurteilung eines Polizisten geführt. Die Richterin habe den Vorfall als «verwerflich und inakzeptabel» bezeichnet.

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