Geld ist und bleibt billig. Für Unternehmen ist das die beste Voraussetzung, um auf Einkaufstour zu gehen. Darum gab es auch 2021 zahlreiche milliardenschwere Deals mit Schweizer Beteiligung. Eine Übersicht.
smi
Die Lonza Group in Visp VS. - keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Nach vagen Gerüchten ging es plötzlich schnell: Mitte Dezember wurde das Schweizer Pharmaunternehmen Vifor verkauft.

Und zwar an den australischen Biotech-Konzern CSL, der dafür fast 11 Milliarden Franken hinblätterte. So teuer war keine andere Schweizer Firma in diesem Jahr.

Andere Verkäufe in der Höhe von über einer Milliarde Franken gab auch, in der Regel betrafen sie aber Teile von Unternehmen. Manche Firma hat 2021 die Gelegenheit genutzt, sich von Bremsklötzen zu trennen und eine neue Richtung einzuschlagen.

So verkaufte beispielsweise der Pharmazulieferer Lonza Anfang Jahr sein Chemiegeschäft für 4,2 Milliarden Franken an zwei Finanzinvestoren. Damit trennte sich das Unternehmen endgültig von seinen Wurzeln, denn zur Gründungszeit 1897 stellte Lonza - heute vor allem für die Fabrikation von Medikamenten oder Corona-Impfstoffen bekannt - chemische Produkte wie Calciumcarbid und Acetylen her.

Auch der Technologiekonzern ABB, der letztes Jahr gleich drei grosse Firmenteile ins Schaufenster stellte, wurde einen weiteren los: Die Antriebstechnik-Division (genannt Dodge) ging für 2,9 Milliarden US-Dollar an die amerikanische RBC Bearings. Dadurch fällt beim Unternehmen zwar ein jährlicher Umsatz von etwa 600 Millionen US-Dollar weg, ABB will den Erlös aber auch nutzen, um wieder Firmen oder Firmenanteile zuzukaufen.

Solche Mischungen aus Ver- und Zukäufen haben 2021 viele Schweizer Unternehmen gemacht. Der Lebensmittelriese Nestlé etwa, der sich immer mehr in Richtung Gesundheitsmarkt bewegen will, erwarb im Frühling für 5,75 Milliarden Dollar die US-Firma Bountiful. Diese passt mit ihren Vitaminprodukten und Nahrungsergänzungsmitteln perfekt in die wachsende Sparte Nestlé Health Science (NHSc).

Mit zwei Verkäufen stellte das Unternehmen gleichzeitig sicher, dass genügend Geld für diese Übernahme vorhanden ist: Der Verkauf eines Aktienanteils am französischen L'Oréal-Konzern brachte dem Unternehmen 8,9 Milliarden Euro ein. Die Veräusserung des Wassergeschäfts in den USA und in Kanada spülte Nestlé weitere 4,3 Milliarden US-Dollar in die Kassen.

Gleichzeitig zugelegt und abgespeckt hat auch der Zementkonzern Holcim. Er verkaufte das wenig profitable und umweltschädliche Zementgeschäft in Brasilien für 1,025 Milliarden US-Dollar. Dafür griff er für insgesamt 4,7 Milliarden Dollar bei zwei Dachsystemspezialisten in den USA zu. Dadurch will Holcim in den USA die Führung im wachsenden Markt mit Gebäudedächern übernehmen und sein Angebot an nachhaltigen Produkten ausbauen.

Das Stichwort der Nachhaltigkeit spielte auch bei der Übernahme des Bauchemieherstellers Sika eine wichtige Rolle. Durch den Kauf des Mitbewerbers MBCC für 5,5 Milliarden Franken soll bei Sika der Anteil an umweltfreundlichen Produkten im Portfolio von 70 auf 80 Prozent erhöht werden.

Der Personalvermittler Adecco ging ebenfalls auf Shoppingtour in Milliardenhöhe. Er übernahm das im Bereich Ingenieur- und Technikberatung tätige belgische Unternehmen Akka für 2 Milliarden Euro. Das ist der grösste Zukauf in der Firmengeschichte von Adecco und er soll dem Personalvermittler zur Vergrösserung des zweiten Standbeins Technologie verhelfen.

Der Pharmariese Roche leistete sich im Frühling für 1,8 Milliarden Dollar die Diagnostikfirma Genmark aus den USA. Und der Logistikkonzern Kühne + Nagel kaufte für 1,1 Milliarden Franken in China zu. Er übernahm den Luftfracht-Dienstleister Apex.

19 Milliarden Franken: Für diesen Betrag hätten die Erbauer des Burj Khalifa in Dubai, dem höchsten Turm der Welt, noch 12 identische Türme aufstellen können. Das Geld ging aber nicht an ein Immobilienunternehmen im Wüstenemirat, sondern an den Pharma-Riesen Novartis in Basel. Es war der Preis, den Konkurrentin Roche für den Rückkauf von 53 Millionen eigener Aktien aus dem Besitz von Novartis bezahlte - und damit der mit Abstand teuerste Deal 2021.

Für Roche bedeutet er Unabhängigkeit. Solange Novartis in Roche investiert war, hätte der direkte Mitbewerber nämlich im Zweifelsfall GV-Abstimmungen blockieren können. Für Novartis bedeutet er den Rückkauf eigener Aktien - vor allem aber eine volle Kasse.

Wenn nun bald auch noch jemand bei der Generika-Tochter Sandoz zugreift, die seit einiger Zeit im Schaufenster von Novartis steht, dann dürfte sich der Pharmariese mit der überquellenden Kasse schon bald in Lauerstellung begeben, um das viele Geld in die nächste Übernahme zu stecken.

Experten gehen jedenfalls davon aus, dass die Einkaufslust der Firmen auch im kommenden Jahr kein Ende nimmt: «Auf der Grundlage guter Fundamentaldaten mit niedrigen Zinssätzen, hohen Börsenbewertungen und Zuversicht der CEOs dürfte die starke M&A-Dynamik im Jahr 2022 anhalten», sagte Marco Superina, Chef der Abteilung M&A Schweiz von der Credit Suisse.

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