Nach wochenlangem medialem Trommelfeuer musste am 9. Januar 2012 der amtierende Nationalbankpräsident Philipp Hildebrand seinen Sessel räumen.
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Philipp Hildebrand, Ex-Präsident der Schweizerischen Nationalbank, spricht am WEF in Davos im Januar 2018. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die «Affäre Hildebrand» warf damals auch politisch hohe Wellen bis in den Bundesrat und das Parlament.

Es war ein Schock für die Schweizer Wirtschaftswelt: Nach wochenlangem medialem Trommelfeuer musste am 9. Januar 2012 der amtierende Nationalbankpräsident Philipp Hildebrand seinen Sessel räumen. Er stolperte über den Vorwurf, Insider-Wissen bei privaten Devisengeschäften ausgenutzt zu haben.

Juristisch blieben die Vorkommnisse dagegen für den früheren SNB-Präsidenten folgenlos. Die Zürcher Staatsanwaltschaft stellte eine Untersuchung wieder ein: Devisengeschäfte fielen gemäss Strafgesetz nicht in den Geltungsbereich der Insiderstrafnorm, so die Begründung.

Eine gerichtliche Verurteilung gab es in der Folge dagegen für den «Whistleblower» aus Hildebrands Hausbank Sarasin, der die Informationen nach aussen getragen hatte, sowie für einen als «Gehilfen» taxierten SVP-Lokalpolitiker.

Die umstrittenen Devisenkäufe waren von der damaligen Ehefrau des SNB-Präsidenten getätigt worden, der Galeristin und früheren Finanzexpertin Kashya Hildebrand: Nur wenige Wochen vor der überraschenden Einführung des Euro-Mindestkurses durch die SNB kaufte sie über die Bank Sarasin rund eine halbe Million US-Dollar - die sich nach der geldpolitischen Massnahme aufwerteten. Laut Philipp Hildebrand handelte sie dabei ohne sein Wissen.

Eine im Dezember 2011 eilig einberufene Untersuchung konnte zwar zunächst keine unzulässigen Transaktionen von Hildebrand feststellen. Nach Bekanntwerden von E-Mails von Hildebrand mit seinem Bankberater, die seine Aussagen widersprüchlich erscheinen liessen, blieb dem SNB-Präsidenten im Januar 2012 keine andere Wahl als der Rücktritt.

Rein juristisch habe man Philipp Hildebrand wie auch seiner Frau tatsächlich nichts zur Last legen können, sagt Wirtschaftsrechtsprofessor Peter V. Kunz von der Universität Bern im Rückblick. Dennoch sei der Rücktritt unvermeidlich gewesen. «Die Vorgänge waren schlicht und einfach nicht mit der wichtigen Funktion eines Nationalbankpräsidenten vereinbar.» So habe die Gefahr einer Schädigung der Institution der Zentralbank bestanden.

Dass es damals viele Stimmen in der Politik wie auch in den Medien gab, die Hildebrand in Schutz nahmen, hatte auch mit der Politisierung der Affäre zu tun. Denn der «Whistleblower» hatte seine Informationen zunächst einem ihm persönlich bekannten Anwalt und Thurgauer SVP-Politiker zugetragen, der sich dann an Christoph Blocher wandte.

Der damalige SVP-Nationalrat und Ex-Justizminister informierte im Dezember 2011 seinerseits den Bundesrat und geriet in der Folge selbst unter politischen und juristischen Beschuss.

Auch heute bliebe das Verhalten Hildebrands und seiner Frau juristisch wohl noch folgenlos, sagt Kunz im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP. Denn die Insider-Regelung sei in den vergangenen zehn Jahren nie angepasst worden - das sei auch für ihn selbst etwas überraschend.

Denn die Sensibilität für Fehltritte von Behörden- und Wirtschaftsvertretern habe sich in den vergangenen Jahren stark erhöht: Das damalige Verhalten Hildebrands wäre «heute wohl noch inakzeptabler als vor zehn Jahren», ist der Wirtschaftsrechtsprofessor überzeugt.

Ihre Lehren aus der Affäre Hildebrand zog zumindest die Nationalbank: Sie verschärfte im Frühling 2012 die Kontrolle über private Finanzgeschäfte ihrer Mitarbeiter rigoros. Es solle nicht einmal mehr im Ansatz zu solchen Problemen kommen können, erklärte Hildebrands Nachfolger Thomas Jordan damals.

Während Hildebrand wie auch Blocher juristisch unbeschadet aus der Affäre kamen, kam es zu Verurteilungen des «Whistleblowers» und des Anwalts. Juristisch ist für Kunz auch hier der Fall klar: Der damalige Sarasin-Angestellte habe eindeutig das Bankkundengeheimnis verletzt. Zudem habe er dabei nicht den korrekten Weg über die Compliance-Abteilung seiner Bank eingehalten.

Der frühere SNB-Präsident Hildebrand hat nach dem Rücktritt derweil seine berufliche Karriere ausserhalb der Schweiz fortgesetzt. Im Herbst 2012 wechselte er als «Vice Chairman» zum Vermögensverwalter Blackrock nach London. Anfang 2021 wurde er von der Schweiz in das Rennen um das Amt des OECD-Generalsekretärs geschickt; er zog die Kandidatur allerdings mangels breiter Unterstützung der OECD-Mitglieder wieder zurück.

Auch eine Rückkehr in die Schweizer Wirtschaftswelt ist keineswegs ausgeschlossen: Geht es um die Besetzung hochkarätiger Posten wie etwa der Präsidien der Grossbanken UBS oder Credit Suisse, wird regelmässig der Name Hildebrand genannt.

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