Die Schweizerische Nationalbank (SNB) senkte überraschend ihren Leitzins um 25 Basispunkte auf 1,50 Prozent. Ökonomen äusserten sich dazu.
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Überraschend senkte die Schweizerische Nationalbank (SNB) ihren Leitzins um 25 Basispunkte auf 1,50 Prozent. (Archivbild) - sda - KEYSTONE/ANTHONY ANEX

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat ihren Leitzins – für viele überraschend – um 25 Basispunkte auf 1,50 Prozent gesenkt. Und ist damit den ausländischen Zentralbankern erneut voraus gegangen. Nachfolgend Kommentare von Ökonomen.

Thomas Gitzel: «Starker Franken ein Dorn im Auge»

VP BANK, Thomas Gitzel: Wow, die SNB weiss zu überraschen. Die deutliche Mehrheit der Volkswirte rechnete mit einem gleichbleibenden Leitzins. Vermutlich war den Währungshütern der starke Franken ein Dorn im Auge. Ein schwächerer Franken hilft der exportstarken Schweizer Industrie.

RAIFFEISEN, Fredy Hasenmaile: Da die Preisanstiege zu Jahresbeginn weniger stark als von der SNB erwartet ausgefallen sind, sorgt man sich kaum mehr um die Inflation. Viel mehr hat der anhaltend starke Franken die Sorgen vor negativen Effekten auf die Exportindustrie zunehmen lassen. Die SNB hat also ihren Spielraum genutzt und will offensichtlich mit einer frühen Zinssenkung dazu beitragen, die Frankenstärke abzumildern und allfälligen erneuten Aufwertungstendenzen schon vorab die Spitze zu brechen.

VONTOBEL, Reto Cueni: Die SNB beweist erneut ihre Unabhängigkeit und beginnt mit ihrer Zinssenkung als erste der grossen Zentralbanken. Sie startet damit auch die Senkung der Zinsen erneut vor der Europäischen Zentralbank, wie sie auch vor der EZB im Juni 2022 mit ihrem Zinsanstieg begonnen hat. Damit dürfte auch der Aufwertungsdruck auf den Schweizer Franken, gerade gegenüber dem Euro, etwas weiter abnehmen.

Karsten Junius: «Gute Entscheidung der SNB»

JULIUS BÄR, David Kohl: Die SNB nutzt die aktuelle konjunkturelle Lage in der Schweiz und handelt. Das frühzeitige Erreichen der Preisstabilität, das moderate Wachstum und der zunehmende internationale Wettbewerbsdruck durch eine starke Währung sind plausible Gründe für die Zinssenkung. Einem allfälligen Abwarten auf andere Zentralbanken wurde zu Recht kein Mehrwert beigemessen.

SAFRA SARASIN, Karsten Junius: Es ist eine gute Entscheidung der SNB, die Zinsen heute zu senken und nicht auf das Fed oder die EZB zu warten. Die SNB konzentriert sich zu Recht auf die Schweizer Daten. Der entscheidende Unterschied zu anderen Ländern besteht darin, dass der Lohndruck in der Schweiz viel geringer ist.

Sodass es nur einen sehr geringen inländischen Preisdruck gibt. Die starke reale Aufwertung des Schweizer Frankens und die schwierige Lage des Schweizer Exportsektors waren ein weiteres Argument für die Zinssenkung und für einen schwächeren Schweizer Franken in der Zukunft. Eine weitere Zinssenkung im Juni ist wahrscheinlich.

LUKB, Brian Mandt: Die SNB ist immer für eine Überraschung gut. Mit der Zinssenkung trägt die SNB auch Rechnung, dass der Franken in den letzten Monaten real aufgewertet hat, was die Wirtschaft beeinträchtigt. Mit der Zinssenkung stemmt sie sich also gegen die reale Aufwertung. Gleichzeitig verbessert sie damit die Finanzierungsbedingungen für Investitionen.

Marc Brütsch: «Zeitpunkt überrascht uns»

Swiss Life, Marc Brütsch: Der Zeitpunkt der ersten Zinssenkung durch die SNB überrascht uns. Mit diesem Schritt steigt die SNB endgültig aus dem Seitenwagen der EZB aus. Der Zinsschritt lässt sich durch die Tatsache, dass die Inflation in der Schweiz wieder im Zielband der SNB liegt, gut rechtfertigen.

Eine nochmalige Erhöhung des hypothekarischen Referenzzinssatzes wird durch die SNB-Entscheidung von heute nochmals etwas weniger wahrscheinlich, was wiederum Implikationen auf die künftige Mietzinsentwicklung haben könnte. Aktuell rechnen wir für 2024 mit einer weiteren Zinssenkung durch die SNB auf 1,25 Prozent. Den Wert, den wir als die sogenannte «Neutral Rate» annehmen würden.

MIGROS BANK, Valentino Guggia: Wir erachten den Zinsentscheid im aktuellen Umfeld als einen mutigen und nicht zwingend notwendigen Schritt. Der Leitzins lag mit 1,75 Prozent keineswegs im restriktiven, sondern bereits im neutralen Bereich. Deshalb bleibt das weitere Zinssenkungspotential nun erst recht begrenzt.

Thomas Gangi: «SNB scheint für ‹Surprise National Bank› zu stehen»

ZKB, David Marmet: Während die Leitzinsen anderer wichtiger Notenbanken derzeit noch im restriktiven Bereich liegen, wirkt das neue Schweizer Zinsniveau mit 1,5 Prozent weder bremsend noch stimulierend auf die Wirtschaftsaktivität. Aus heutiger Sicht drängen sich keine unmittelbaren Zinssenkungen auf. Wir rechnen damit, dass die SNB bei ihrer nächsten geldpolitischen Lagebeurteilung im Juni keine Zinsänderung kommunizieren wird.

UBS, Alessandro Bee: Die Inflation in der Schweiz ist zuletzt deutlicher gefallen als zu Jahresbeginn erwartet. Dies deutet darauf hin, dass Zweitrundeneffekte in der Schweiz anders als in anderen Volkswirtschaften kein grosses Thema darstellen und das erlaubte der SNB, bereits im März die Leitzinsen zu senken. Allerdings hätte es auch gute Gründe gegeben, mit den ersten Leitzinssenkungen zu zuwarten.

Erstens ist es noch zu früh, um die Frage nach den Zweitrundeneffekte abzuhaken. Zweitens ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht klar, ob und wann die anderen Notenbanken Zinssenkungen beschliessen werden. Und dritten hat der Schweizer Franken seit Jahresbeginn an Wert verloren. Die SNB hat bei ihrer Einschätzung den tiefen Inflationszahlen mehr Gewicht beigemessen als den Gründen zuzuwarten.

VALIANT, Thomas Gangi: Auch wenn eine Leitzinssenkung bis zum Schluss nicht ganz ausgeschlossen wurde, so überraschte die SNB heute doch wieder einmal und beginnt als erste grosse Notenbank den Zinssenkungszyklus. Die Abkürzung SNB scheint für «Surprise National Bank» zu stehen.

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