Marko Kovic: So lösen wir die Wohnungsnot!

Marko Kovic
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Flawil,

Bezahlbare Mietwohnungen sind in vielen Städten zur absoluten Rarität geworden. Nau.ch-Kolumnist Marko Kovic erklärt, wie die Wohnungsnot gelöst werden kann.

Wohnungsnot in der Schweiz
Die Wohnungsnot in der Schweiz spitzt sich zu. (Symbolbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Bezahlbare Mietwohnungen werden immer knapper, findet Nau.ch-Kolumnist Marko Kovic.
  • Laut ihm wird sich die Wohnungsnot in den kommenden Jahren weiter verschärfen.
  • Als Grund dafür nennt Kovic, dass sich Linke und Rechte gegenseitig blockieren.
  • Gute Beispiele für kaum Wohnungsnot seien die asiatischen Metropolen Tokyo und Singapur.

Menschen müssen irgendwo wohnen. Das ist aber leichter gesagt als getan. Viele Städte in vielen Ländern kämpfen seit Jahren mit der Wohnungsnot.

Bezahlbare Mietwohnungen werden immer knapper. An Bilder und Videos von endlos langen Schlangen bei Wohnungsbesichtigungen haben wir uns längst gewöhnt.

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Marko Kovic: So lösen wir die Wohnungsnot! - Marko Kovic

Das Thema ist in den Medien ein Dauerbrenner. Die politischen Diskussionen zur Wohnungsnot laufen in der Endlosschlaufe (und bewirken im Grunde nichts).

Auf die Wohnungsnot kann man salopp antworten: Es gibt kein Recht auf das Wohnen in der Stadt. Das stimmt.

Wenn aber die Mietkosten derart steigen, dass all die Menschen, die die Stadt lebenswert machen – die Verkäuferinnen, die Reinigungskräfte, die Bauarbeiter, die Coiffeure, die Gastro-Mitarbeiter – nicht mehr in der Stadt leben können, läuft etwas falsch.

Angebot und Nachfrage

Die Wohnungsnot ist eine Folge von Angebot und Nachfrage. Sehr viele Menschen wollen z.B. in Zürich wohnen – die Nachfrage ist entsprechend gross. Doch es gibt nicht genug Wohnungen, um die Nachfrage zu decken – das Angebot ist zu gering.

Bei geringem Angebot, im Vergleich zur Nachfrage, sind Menschen bereit, relativ mehr für die wenigen verfügbaren Wohnungen zu bezahlen. Die Preise steigen.

Zürich Wohnkrise
Seit der Finanzkrise 2008 sind die Bodenpreise in Zürich in die Höhe geschossen – und damit die Mieten. - Tsüri.ch / Lara Blatter

Die Wohnungsnot lässt sich theoretisch entspannen, wenn weniger Menschen da sind. Würden sich über Nacht 50’000 Menschen in Zürich in Luft auflösen, würden die Mietpreise sinken.

Da es eher unrealistisch ist, dass in kurzer Zeit sehr viel weniger Menschen in Städte wollen, müssen wir uns andere Massnahmen überlegen.

Ein guter Ansatz dafür ist Empirie statt Ideologie. Einige Beispiele untersuchen, in denen es keine oder eine weniger ausgeprägte Wohnungsnot gibt – und von ihnen lernen.

Zwei solcher Beispiele sind die asiatischen Metropolen Tokyo und Singapur. Diese Beispiele zeigen, was in der politischen Debatte falsch läuft.

Tokyo zeigt, wo die Linken falsch liegen

Die japanische Hauptstadt Tokyo ist die grösste Stadt der Welt. Das Leben in Tokyo ist im Vergleich zu anderen japanischen Städten zwar teurer. Eine Wohnungsnot gibt es aber nicht.

Anders als in vielen anderen grossen Städten in Europa und Nordamerika gab es in den letzten Jahren keine Preisexplosion auf dem Wohnungsmarkt.

Wie hat Tokyo das geschafft? Mit Regulierung, die das Bauen (und Abreissen) von Wohnraum sehr einfach macht.

Braucht es in den Städten mehr günstigen Wohnraum?

Tokyo erlebte in den 1980er Jahren eine Wohnungsnot, die in rasant steigenden Mieten resultierte. Als Reaktion darauf vereinfachte die japanische Regierung die Regeln für das Bauen.

Baurecht ist in Japan zentralisiert. Baubewilligungen werden grundsätzlich erteilt, wenn die vorgegebenen Vorschriften eingehalten werden. Weder lokale Behörden noch lokale Interessensgruppen haben Veto-Macht.

Die Freiheiten beim Bauen sind im Vergleich zu westlichen Ländern gross. Kleine Wohnhäuser, grosse Wohnblocks und kommerzielle Gebäude sind viel gemischter anzutreffen als in westlichen Ländern.

Tokyo hat, wie andere japanische Städte, keine Wohnungsnot, weil in Tokyo ständig gebaut wird und das Angebot genug gross ist. Bauen ist in Tokyo unkomplizierter und günstiger als in vielen westlichen Städten.

Was Tokyo hingegen nicht hat: einen Mietpreisdeckel. Der Mietpreisdeckel ist die Lieblingsforderung der Linken. Es ist verständlich, warum.

Die Mieten steigen und Menschen mit tieferem Einkommen werden aus den Städten getrieben. Mietpreisdeckel können kurzfristig tatsächlich das Steigen von Mieten bremsen.

Doch Mietpreisdeckel führen nachweislich auch dazu, dass weniger gebaut wird. Kurzfristig stoppen Mietpreisdeckel höhere Mieten – mittelfristig verschärfen sie die Wohnungsnot aber.

Wohnung Zürich
Insbesondere in Zürich ist die Wohnungsnot derzeit gross. - keystone

Tokyo zeigt, was Linke nicht hören wollen: Um die Wohnungsnot zu lindern, müssen wir mehr Bauen und die Regeln für das Bauen vereinfachen.

Singapur zeigt, wo die Rechten falsch liegen

Im südostasiatischen Stadtstaat Singapur leben rund sechs Millionen Menschen. Singapur ist eine internationale Drehscheibe für den Handel und das Finanzwesen.

Von den rund sechs Millionen Einwohnern sind nur rund 3,6 Millionen Staatsbürger von Singapur. Die Bevölkerung wächst rasant. Aber Singapur hat keine Wohnungsnot.

Der Grund dafür ist der gleiche wie in Tokyo: In Singapur wird viel und unkompliziert gebaut. Aber die Art des Bauens ist das Gegenteil von Tokyo.

Während die Hauptbautätigkeit in Tokyo von Privaten kommt, baut in Singapur vor allem das staatliche «Housing and Development Board». Über 80 Prozent der festen Wohnbevölkerung lebt in staatlich gebauten Wohnungen. Die meisten davon nicht zur Miete, sondern im Rahmen einer 99-jährigen Pacht.

Marko Kovic
Marko Kovic schreibt regelmässig Kolumnen auf Nau.ch. - zVg

Ein Mantra der Rechten bei Wohnungsnot ist, dass zwar gebaut werden soll, aber ja nicht vom Staat. Nur Private sollen bauen, weil öffentlicher Wohnungsbau ein Eingriff in den Markt und kontraproduktiv sei. Singapur zeigt, dass das falsch ist.

Die Wohnungsnot ist eine Folge von hoher Nachfrage bei zu geringem Angebot. Die Lösung dafür ist, mehr zu bauen. Wer mehr baut, ist einerlei. Es gibt keinen rationalen Grund, warum nicht öffentlich gebaut werden soll.

Wir müssen mehr bauen – und mehr wagen

Die Lösung für die Wohnungsnot ist eindeutig: Die Wohnungsnot nimmt ab, wenn mehr gebaut wird. Warum tun wir es dann nicht? Weil sich Linke und Rechte gegenseitig blockieren.

Linke fordern kontraproduktive Mietpreisdeckel und hemmen die Vereinfachung des Baurechts. Sie sind dafür, dass mehr öffentlich gebaut wird, aber sie akzeptieren den fundamentalen Mechanismus von Angebot und Nachfrage nicht.

Es ist schön, wenn der Anteil an günstigen Wohnungen etwas steigt – aber das ist keine Lösung für die Wohnungsnot. Die Nachfrage bleibt hoch und die Mieten bei Privaten steigen noch stärker, wenn das Angebot insgesamt nicht überproportional grösser wird.

Rechte wollen, dass mehr und einfacher gebaut wird, was an sich gut ist. Aber sie sind in der ideologischen Wahnvorstellung gefangen, dass öffentliches Bauen um jeden Preis verhindert werden muss.

Nicht zuletzt, weil nicht wenige rechte Politiker für die private Immobilienlobby arbeiten. Es geht ihnen in erster Linie um die Profite ihrer Auftraggeber, nicht um das Lösen der Wohnungsnot.

Schlange vor Neubauten
Das Anstehen um eine Wohnung ist in Zürich keine Seltenheit mehr. - keystone

Und so befinden wir uns in einer Pattsituation. Die Ursache und Lösung für die Wohnungsnot ist klar: Angebot und Nachfrage.

Entweder müssen wir die Nachfrage, also die Menge an Menschen, die in Städten leben, drastisch reduzieren. Das ist nicht besonders realistisch.

Darum müssen wir beim Angebot ansetzen. Wir müssen das Angebot erhöhen, indem wir das Baurecht vereinfachen und deutlich mehr bauen.

Aber weil sich Linke und Rechte gegenseitig ideologisch blockieren, kommen wir nicht vom Fleck.

Machen dir die steigenden Mieten Sorgen?

Die Wohnungsnot wird sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen. Das ist ein doppeltes Armutszeugnis. Einerseits zeigt die Wohnungsnot, wie dysfunktional Politik geworden ist. Andererseits zeigt die Wohnungsnot auch, wie ideenlos Politik geworden ist.

Der Sinn von Politik war es mal, mit grossen Visionen und Projekten zum Fortschritt der Gesellschaft beizutragen. Heute ist Politik hingegen zu einer verknöcherten Verwalterin der gesellschaftlichen Stagnation verkümmert.

Man schraubt vielleicht hier und da ein wenig, aber wirklich vorausschauend und mutig werden Herausforderungen nicht mehr angegangen. Darum ist die Wohnungsnot keine akute Wohnungsnot mehr – es ist einfach der neue Normalzustand, an dem sich so schnell nichts ändern wird.

***

Zum Autor: Marko Kovic ist Gesellschaftskritiker. Er interessiert sich für gesellschaftlichen Wandel und die Frage, ob wir noch zu retten sind. Er lebt in Uzwil SG.

Kommentare

User #6544 (nicht angemeldet)

50% sind noch Schweizer... weshalb haben wir eine Wohnungsnot??!

User #6027 (nicht angemeldet)

In meiner Schweiz gibt es keine Wohnungsnot.

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