In diesem Gastbeitrag von Klimastreik Schweiz geht es um eine Analyse der aktuellen Macht- und Lebensverhältnisse und das Konzept der «Imperialen Lebensweise».
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Der Klimastreik Schweiz in Baden AG. - zvg
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Das Wichtigste in Kürze

  • Milena Hess vom Klimastreik Schweiz schreibt über die «Imperiale Lebensweise».
  • Auch geht es um die aktuellen Macht- und Lebensverhältnisse.

«Damit unsere heile Welt noch eine Weile hält/ Halten wir uns raus, nur so fühl'n wir uns zu Haus» Diese Zeilen singt die Zürcher Band «Steiner & Madlaina» in ihrem Lied «Heile Welt» über die Schweiz. Die beiden Strophen beschreiben die wichtigsten Züge der «imperialen Lebensweise».

Mit diesem Konzept benennen die Politikwissenschaftler Ulrich Brand und Markus Wissen in ihrem gleichnamigen Buch die Art und Weise, wie im Globalen Norden gelebt wird, und die Auswirkungen dieses Lebensstils.

«Nur so fühl’n wir uns zu Haus» – wie der Globale Norden von Missständen im Globalen Süden abhängig ist

Als Voraussetzung der imperialen Lebensweise müssen die Verhältnisse «andernorts» – konkret bedeutet das oft im Globalen Süden – so sein, dass Arbeit und Naturressourcen in die kapitalistischen Zentren geschaffen werden können.

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Klimagerechtigkeit ist ein wichtiger Punkt für Umweltschützer. - zvg

Anders gesagt: Damit wir im Globalen Norden unseren aktuellen Lebensstil weiterführen können, müssen im Globalen Süden Menschen als Arbeitskräfte ausgebeutet und natürliche Ressourcen rücksichtslos abgebaut werden können. Unsere «heile Welt» ist nur möglich, weil anderswo Menschen und ihre Lebensgrundlagen ausgebeutet werden.

Wie die «imperiale Lebensweise» die eigenen Bedingungen schafft

Der Alltag in den Zentren des Kapitalismus – besonders im globalen Norden – hängt jedoch nicht nur von den Verhältnissen in der Peripherie ab, sondern verursacht diese auch gerade durch diese Lebensweise.

Die internationalen Konzerne, von welchen die Schweiz als deren Lieblingshauptsitz oft profitiert, nutzen Ungerechtigkeit, Armut und Gewaltstrukturen in Globalen Süden aus und verstärken und verursachen diese Missstände gleichzeitig.

Ein weiteres Beispiel ist die Klimakrise: Unter den Folgen der Erhitzung des Planets wie Hitzewellen, Überschwemmungen, Anstieg des Meeresspiegels, Biodiversitätsverlust und Waldbränden leiden besonders Menschen, die sich aufgrund von fehlender Infrastruktur und Armut nicht schützen können.

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Unwetter in Athen: Autos stehen verstreut auf einem Parkplatz, nachdem sie von einer Sturzflut infolge eines plötzlichen Wolkenbruchs mitgerissen wurden. - dpa

Gleichzeitig verstärken diese (Natur)Katastrophen umgekehrt auch die Armut, wodurch diese Menschen grossen Konzernen noch mehr ausgesetzt und deren katastrophalen Arbeitsbedingungen ausgeliefert sind. Wobei genau diese Konzerne durch ihre Form des Raubbaus an natürlichen Ressourcen die Klimakrise ja überhaupt erst verursach(t)en!

«Halten wir uns raus» – ein Alltag normalisiert Krisen und Ungerechtigkeit

Nach den Politikwissenschaftlern Brand und Wissen verhindert die «Imperiale Lebensweise» als Weltbild, dass angebrachte Lösungen gegenüber den Krisen durchgesetzt werden können, und normalisiert den Status quo, welcher die Krisen verursacht. In einer «imperialen Lebensweise» werden globale Machtstrukturen zu einem Teil unseres Alltags und damit normalisiert und vertuscht.

Avocados aus Peru werden zu einem normalen Anblick beim Einkaufen, die Meldung einer Hungersnot in Madagaskar zu einem wiederkehrenden Thema auf dem Bildschirm im Bus und die unter menschenunwürdigen Bedingungen abgebauten Materialien im E-Auto «hinter Grenzen» gekehrt – wie es in «Heile Welt» heisst.

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Der brasilianische Regenwald. - dpa

Die «Imperiale Lebensweise» versucht möglichst, den Status Quo der Ausbeutung zu erhalten. Ein wichtiger Aspekt ist es dabei, möglichst das Gefühl zu vermitteln, dass es keine Alternativen zum aktuellen System gibt und eine Veränderung in den Machtstrukturen ein Nachteil für eine Mehrheit der Bevölkerung wäre.

Das Scheitern der Konzernverantwortungsinitiative zeigt zum Beispiel, wie verbreitet die Vorstellung ist, dass ohne den stetigen Profit von Schweizer Konzernen Arbeitsplätze in Gefahr seien. Tatsächlich profitiert jedoch auch im Globalen Norden nur eine kleine Minderheit von der «Imperialen Lebensweise».

Der Wunsch nach der «heilen Welt» zerstört die Welt.

Absurderweise zerstört sich die «imperiale Lebensweise» bis zu einem gewissen Grad selbst. Oder, wie Brand und Wissen schreiben: «Dass sich viele Probleme heute derart krisenhaft zuspitzen, ist auch darauf zurückzuführen, dass die imperiale Lebensweise derzeit im Begriff ist, sich zu Tode zu siegen.»

Denn unsere Lebensgrundlagen sind nicht unendlich, und so lässt sich die «imperiale Lebensweise» als das Sägen am eigenen Ast beschreiben. Wir brauchen daher dringend einen Systemwandel und damit ein Ende der «imperialen Lebensweise».

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