«Du willst ja nie» – so verführst du den Partner ohne Druck!
Verführung darf keinen Leistungsdruck erzeugen, schreibt unsere Lust-Kolumnistin. Und liefert Tipps, wie man es am besten macht.

Das Wichtigste in Kürze
- Verführung in der Sexualität sei nicht nur das, was in der Nacht passiere.
- Sexualberaterin Sandra Torokoff klärt in ihrer neuesten Lust-Kolumne auf.
Vielleicht kennt ihr das? Ihr habt einen Lieblingsort. Ein schönes Plätzchen am Meer, das ihr entdeckt habt. Ein Ort, an dem die Mischung aus Ruhe und Natur einfach perfekt ist.
Und wenn ihr davon erzählt, beginnt euer ganzer Körper zu sprechen. Ihr beschreibt, wie das Meer duftet, wie kristallklar das Wasser ist, wie das saftige Grün der Hügel leuchtet, die diesen Ort umrahmen.

Ihr sprecht mit leuchtenden Augen, mit Händen, die Details formen – und plötzlich entsteht ein Bild. Und mit jeder eurer Bewegungen, mit jedem Wort wird eure Begeisterung spürbar. Sie ist so ansteckend, dass euer Gegenüber Lust bekommt, diesen Ort selbst zu erleben.
Das ist Verführung.
Doch was passiert, wenn wir die Verführung in den Bereich der Sexualität übertragen?
Stellt euch vor, ihr kommt nach einem langen Arbeitstag nach Hause. Ihr seid müde, aber dennoch ist irgendwo in euch dieses leise, unbestimmte Bedürfnis, Nähe zu suchen, sich zu verbinden, jemanden zu verführen.
Verführung in der Sexualität beginnt im Alltag
Wie macht ihr das? In einem Moment, der oft unbemerkt bleibt, spielt sich eine subtile Verführung ab.
Ein Blick, der vielleicht mehr sagt als Worte, ein Lächeln, das für den Bruchteil einer Sekunde aufblitzt. Eine Geste, die mehr bedeutet als sie auf den ersten Blick scheint.

Verführung in der Sexualität ist nicht nur das, was in der Nacht passiert – sie beginnt schon im Alltag, in den kleinen, unauffälligen Momenten. In der Art, wie wir uns einander nähern, wie wir den Raum zwischen uns gestalten.
Geduld ist wichtig
Verführung ist auch, Geduld zu haben. Eine gewisse Langsamkeit. Nicht gleich sofort alles anzubieten und zu sagen: «So, Schatz, treffen wir uns im Schlafzimmer?»
Das Gegenüber steht in dem Moment vielleicht an einem anderen Ort, denkt noch an die Arbeit, an die Wäsche. Oder an die Kinder. Aber sicher noch nicht daran, verführt zu werden.
Stück für Stück anbieten
Es lohnt sich also, geduldig mit einem geheimnisvollen Lächeln zu beginnen. Eine kurze Berührung über die Schulter beim Vorbeilaufen. Und dann wieder weiter gehen. Ernst gemeinte Komplimente geben. Immer wieder den Blickkontakt suchen.
Verführung ist, sich Zeit nehmen. Eine Spannung oder ein Knistern erzeugen.
Kennst du deine Bedürfnisse?
Verführen zu können heisst auch, sich und die eigenen Bedürfnisse zu kennen.
Aber auch diejenigen seines Gegenübers. Um offen zu sein, um zu lernen, was der andere mag. Wie hole ich meine Partnerin oder den Partner eigentlich ab? Was will mein Gegenüber eigentlich?
Jemand, der gut verführt, rechnet auch immer damit, dass die Einladung nicht angenommen wird. Und weiss, dass dies keine prinzipielle Ablehnung bedeuten muss – und damit umgehen kann.
Verführung darf keinen Leistungsdruck erzeugen: Man lässt immer die Wahl. Das gibt Freiheit.
Es gibt auch die Antiverführung
Neben der Verführung gibt es aber auch die Antiverführung. Es ist genauso wichtig, sich dessen bewusst zu sein.
Antiverführung ist, wenn Druck gemacht wird. Druck ist nicht verführerisch. Sätze wie «Aber ich will jetzt Sex» oder «Du willst ja nie» oder die Drohung «Sonst hole ich es mir woanders» sind nicht hilfreich. Im Gegenteil.
Durch Druck oder das Kritisieren des Anderen entsteht ganz sicher keine Lust, verführt zu werden. Das Gegenüber wird sich wahrscheinlich eher zurückziehen.
Freiraum lassen heisst, den Raum zu bekommen, um verführt zu werden. Aber auch die Möglichkeit zu haben, ohne schlechtes Gewissen nein zu sagen.
Verführung ist ehrlich
Verführung ist nicht zu verwechseln mit Manipulation.
Manipulation bedeutet, seine wahren Absichten zu verstecken. Seinem Gegenüber etwas vorzuspielen, sein wahres Ich nicht zu zeigen, um zu erhalten, was man gerade möchte.
Die Bedürfnisse des Gegenübers interessieren dabei nicht. Verführung dagegen ist ehrlich.

Wie mache ich mich interessant?
Indem ich weiss, was den Anderen reizt – aber vor allem, was mich selbst anspricht. Welche Berührungen gefallen mir? Welche Körperstellen empfinde ich als besonders sinnlich?
Es geht nicht darum, einem Schönheitsideal zu entsprechen, sondern zu erkennen, was ich an mir selbst attraktiv finde.
Wer sich sexy und liebenswert fühlt, strahlt genau das aus: Nämlich eine natürliche Selbstsicherheit, die auf andere verführerisch wirkt.
Denn: Wahre Verführung beginnt mit einem Bewusstsein. Ich kann ein erotisches Geschenk für den anderen sein. Und mit dem Mut, sich genauso zu zeigen.
Verführung bedeutet nicht nur, den Anderen zu gewinnen. Sie bedeutet auch, dass wir uns selbst öffnen. Und dass wir zeigen, wer wir wirklich sind. Mit all unseren Wünschen, Ideen und Bedürfnissen.
Verführung ist nicht nur ein Mittel, um jemanden für uns zu gewinnen. Es ist ein Austausch. Und eine Einladung, die darauf wartet, angenommen zu werden.
Zur Person: Die Bernerin Sandra Torokoff ist Beraterin rund um das Thema Sexualität, hat zwei Kinder und ist verheiratet.