Die Personenfreizügigkeit ist dank der flankierenden Massnahmen zum Lohnschutz ein Erfolgsmodell. Ein Gast-Kommentar von SP-Nationalrätin Claudia Friedl.
Claudia Friedl
Claudia Friedl, Nationalrätin SP St. Gallen. - zvg
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Personenfreizügigkeit funktioniert so gut wegen der flankierenden Massnahmen.
  • Fallen diese weg, geraten die Löhne unter Druck.

Die SVP will mit ihrer Initiative die Personenfreizügigkeit aufkündigen. Sie argumentieren, die Personenfreizügigkeit würde zu viel Einwanderung bringen. Doch wie sähe die Schweiz ohne Einwanderer und Einwanderinnen aus? Würde es uns besser gehen?

Kürzere Wartezeiten für ärztliche Behandlungen dank der Personenfreizügigkeit

Mitnichten. In der Schweiz fehlen viele Arbeitskräfte in den verschiedensten Branchen. Bau, Landwirtschaft, Lebensmittelverarbeitung, Gastgewerbe, Reinigung, Informatik oder Gesundheitswesen, überall braucht es ausländische Arbeitskräfte. Als Beispiel: Die Schweiz bildet zu wenig Ärzte aus.

Dank der Personenfreizügigkeit können Fachpersonen aus dem Ausland ohne riesige Bürokratie einwandern. So waren 2017 in der Schweiz knapp 40'000 Ärzte berufstätig. 34 Prozent davon stammten aus dem Ausland, wie die Ärztestatistik des Berufsverbandes der Schweizer Ärztinnen und Ärzte zeigt.

Die Wartezeiten für ärztliche Behandlungen wären ohne sie deutlich länger als heute. Und es gibt heute schon eine Schutzklausel: Sobald es in gewissen Fachgebieten genug Fachkräfte gibt, kann die Schweiz einen Ärztestopp für ausländische Ärzte verfügen. Im Gesundheitssystem hätten wir auch bei den Pflegefachpersonen ohne ausländische Fachkräfte ein grosses Problem, das ist allgemein bekannt.

Flankierende Massnahmen schützen vor Lohndumping

Durch die Personenfreizügigkeit können die nachgefragten Leute in die Schweiz einwandern, wenn sie denn einen gültigen Arbeitsvertrag haben. Diese Personen zahlen wie alle anderen Arbeitenden in die Sozialwerke AHV/IV/EO ein und helfen so mit, die Renten von heute zu bezahlen.

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SP-Nationalrätin Claudia Friedl spricht sich klar gegen die Begrenzungsinitiative aus. - Keystone

Die Personenfreizügigkeit funktioniert aber nur durch die flankierenden Massnahmen zum Lohnschutz. Diese sichern die inländischen Löhne vor Lohndumping und sind deshalb ein zentrales Element in den heutigen Beziehungen zur EU. Sie sind ein Erfolgsmodell und haben uns Wohlstand gebracht.

Mehr Bürokratie bei Wegfall der Personenfreizügigkeit

Durch den Wegfall der Personenfreizügigkeit würde die Zuwanderung nicht zwingend zurückgehen. Die Bürokratie würde aber massiv zunehmen. Stets müsste durch die Verwaltung festgelegt werden, welcher Branche wie viele Arbeitskräfte zugesprochen würden.

Die Konflikte sind vorprogrammiert. Gleichzeitig würden die heute existierenden flankierenden Massnahmen zum Lohnschutz wegfallen. Dadurch könnten Firmen ausländische Arbeitskräfte zu Dumpinglöhnen anstellen. Damit würde sich der Druck auf sämtliche Löhne massiv verstärken.

Die Personenfreizügigkeit ist dank der flankierenden Massnahmen zum Lohnschutz ein Erfolgsmodell. Fällt sie weg, leiden alle darunter. Deshalb braucht es ein NEIN zur Kündigungsinitiative der SVP.

Zur Person: Claudia Friedl (60) ist St. Galler Nationalrätin und Mitglied der Aussenpolitischen Kommission und Finanzkommission.

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