Andri Silberschmidt: Nein zur Staatsmedizin durch die Hintertüre
Die Politik will in die Lohnstrukturen des Gesundheitswesens eingreifen. Im Gastbeitrag erklärt Andri Silberschmidt (FDP) die negativen Folgen.

Das Wichtigste in Kürze
- Eine parlamentarische Initiative prüft die Deckelung aller Löhne in der OKP.
- Ein Lohndeckel per se würde noch keinen Franken einsparen, sagt Andri Silberschmidt (FDP).
- Es wäre ein riskanter Schritt hin zur zentralistischen Steuerung im Gesundheitswesen.
Ein Lohndeckel für Krankenkassen-CEOs gilt schon längst als Topseller der Symbolpolitik. Spätestens im September bei der Prämienankündigung wird er wieder Hochkonjunktur haben.
Nun möchte eine Mehrheit der Gesundheitskommission des Nationalrats im Rahmen einer parlamentarischen Initiative aber noch weiter gehen und prüft die Deckelung aller Löhne in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP). Was ist davon zu halten?
Einsparungen nicht garantiert
Ein Lohndeckel per se spart noch keinen Franken ein. Werden anstelle einer Person mit einem hohen Lohn zwei Personen zu tieferen Löhnen angestellt, führt das nicht zu tieferen, sondern zu höheren Gesundheitskosten.

Konsequenterweise müssten also auch die Anzahl der Ärztinnen und Ärzte sowie die Gesundheitsleistungen reguliert beziehungsweise rationiert werden. Ein weiterer Schritt in Richtung Staatsmedizin, ohne dass die strukturellen Herausforderungen im Gesundheitswesen gelöst werden.
Wer will dann noch Arzt werden?
Gerade Ärztinnen und Ärzte – auf die der Vorschlag hauptsächlich abzielt – investieren mit dem Medizinstudium und jahrelanger Assistenzzeit einen relevanten Teil ihres Lebens in die Ausbildung. Zudem ist die wöchentliche Arbeitszeit im Vergleich zu anderen Branchen überdurchschnittlich hoch.
Vor dem Hintergrund des bereits heute vorherrschenden Ärztemangels drängt sich die Frage auf: Finden wir in Zukunft noch genügend Personen, die diesen Ausbildungsweg und den beruflichen Alltag in Kauf nehmen, wenn der Staat bei den Löhnen mitentscheidet?
Ich bezweifle dies. Für mich ist klar: Ein Medizinstudium soll sich lohnen. Dazu gehört auch die Aussicht auf einen Lohn, der sich an der Ausbildung, der Leistung und der Verantwortung orientiert und nicht in einer Amtsstube fernab eines Spitals oder einer Arztpraxis festgelegt wurde.
Tarife bestimmen Löhne
Schon heute gilt: Wer eine Arztpraxis führt, kann nicht verlangen, was er möchte. Ärztinnen und Ärzte, die im ambulanten Bereich tätig sind, rechnen ihre Leistungen gemäss dem TARMED beziehungsweise schon bald gemäss dem TARDOC ab. Diese Tarife definieren nicht nur die Preise für medizinische Leistungen, sondern haben indirekt auch Einfluss auf die Löhne der Ärztinnen und Ärzte.

Da die Tarifverhandlungen stark politisch geprägt sind und der Bundesrat die Tarife genehmigen muss, unterliegen die Honorare faktisch bereits heute einer staatlich mitbestimmten Lohnregulierung.
Kantone in der Pflicht
Und zu guter Letzt: Es ist nicht Sache des Bundes, bei allen OKP-Löhnen einzugreifen. Sollte tatsächlich Handlungsbedarf bestehen, könnten die Kantone bereits heute regulierend einwirken.
Der Zürcher Kantonsrat hat für Ärztinnen und Ärzte in den kantonalen Spitälern einen Lohndeckel von einer Million Franken pro Jahr festgelegt. Auf politischen Druck hin führte das Universitätsspital Zürich anschliessend Fixlöhne für sämtliches ärztliches Personal ein.
Bevor die regulierende Hand des Bundes eingreift, liegt die Verantwortung in unserem föderalen System zunächst bei den Kantonen.
Aus diesen Gründen lehne ich die Deckelung aller OKP-Löhne ab. Die Politik täte besser daran, sich auf die dringend nötigen Reformen zu fokussieren, statt einmal mehr einer populistischen Debatte aufzusitzen.
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Zum Autor: Andri Silberschmidt (*1994) ist Zürcher FDP-Nationalrat, Vizepräsident der FDP Schweiz und Gastro-Unternehmer aus Zürich.