Immer mehr Menschen bauen Antibiotika-Resistenzen auf. Es braucht dringend neue Wirkstoffe – doch aktuell hat der Medikamenten-Engpass höhere Priorität.
Antibiotika Inselspital Neurochirurgie
Antibiotika und andere Medikamente in einem Schrank der Universitätsklinik für Neurochirurgie am Inselspital Bern, am 21. November 2018. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Zahl der Menschen, die wegen Antibiotikaresistenzen sterben, ist deutlich gestiegen.
  • Die Zeit für die Entwicklung neuer Antibiotika drängt.
  • Der Präsident des «Runden Tischs Antibiotika» spricht von einer «stillen Pandemie».

Wer im Spital behandelt wird, bekommt oftmals Antibiotika verschrieben. Von der Blasenentzündung bis zur Blutvergiftung ist das Medikament ein effektives Mittel – zumindest meistens. Denn immer mehr Menschen bauen Resistenzen gegen die Wirkstoffe auf.

Das Schweizerische Zentrum für Antibiotikaresistenzen geht davon aus, dass wegen Antibiotikaresistenzen pro Jahr rund 300 Menschen an Infektionen sterben. Zum Vergleich: Im Jahr 2010 waren es erst halb so viele gewesen.

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Antibiotikaresistenzen stellten heute eine der grössten gesundheitlichen Herausforderungen in Europa dar. - Armin Weigel/dpa

Die Zeit drängt, wie die «Schweiz am Wochenende» schreibt. Denn seit rund 20 Jahren sind weltweit keine neuen Antibiotika mehr auf den Markt gekommen. Dabei würden diese eigentlich dringend benötigt.

Doch aktuell werden die Prioritäten anders gesetzt. Schweizer Ärzte und Spitäler wissen nicht einmal, wie lange sie überhaupt noch genügend konventionelle Antibiotika kaufen können.

Resistenzen werden durch Engpass gefördert

Das Bundesamt für Wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) warnte kürzlich, es drohe eine schwere Mangellage bei Antibiotika in Tablettenform. Deshalb müssen per 1. März die Pflichtlager aushelfen.

Doch warum gerade jetzt? Monika Schäublin von der Geschäftsstelle Heilmittel beim BWL führt dies gegenüber der Zeitung auf die Corona-Pandemie zurück. Denn während des Lockdowns seien weniger Personen erkrankt.

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Antibiotikum wird gegen eine Vielzahl von Erkrankungen verschrieben. (Symbolbild)
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Doch immer mehr Menschen sind gegen die Wirkstoffe resistent. (Symbolbild)
Grosse Pharma-Konzerne ziehen sich aus der Entwicklung neuer Antibiotika zurück. Die WHO beobachtet diese Tendenz mit Sorge. Foto: Daniel Karmann/dpa
Grosse Pharma-Konzerne ziehen sich aus der Entwicklung neuer Antibiotika zurück. Die WHO beobachtet diese Tendenz mit Sorge. Foto: Daniel Karmann/dpa
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Der Bund gibt wegen einer drohenden schweren Mangellage Pflichtlager für Antibiotika in Tablettenform frei. (Archivbild)

«Der Bedarf stieg Ende 2022 wieder sprunghaft an. Und das in einem Markt, der schon vor der Pandemie am Limit gelaufen ist», so Schäublin.

Der Engpass hat zur Folge, dass die Entwicklung multiresistenter Keime begünstigt wird. Denn Ärzte sehen sich gezwungen, ihren Patienten statt passender Wirkstoffe sogenannte Breitband-Alternativen zu verschreiben.

«Wettlauf gegen die Bakterien»

Vor diesem Problem warnt Rudolf Blankart, Präsident des «Runden Tischs Antibiotika», schon länger. In einem Appell an den Bundesrat betonte er, man müsse dringend eine sichere Versorgung mit wirksamen Antibiotika sicherstellen. Das war vor sechs Jahren – doch konkrete Massnahmen gibt es bis heute nicht.

Doch eigentlich gilt es, bei der Entwicklung neuer Antibiotika keine Zeit zu verlieren. Denn es handle sich um eine «stille Pandemie» und «einen Wettlauf gegen krankheitserregende Bakterien, den wir zu verlieren drohen». Und die Entwicklung und Herstellung neuer Antibiotika könne bis zu zehn Jahre dauern, so Blankart gegenüber der «Schweiz am Wochenende».

Als Lösungsansatz sieht Blankart das Setzen von innovativen finanziellen Anreizen für Pharmaunternehmen. «Hier ist die Politik gefordert, eine Lösung zu finden», hält Blankart fest.

Mussten Sie schon mal Antibiotika nehmen?

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) erklärt, man habe Vorabklärungen zu Anreizsystemen getroffen. Allerdings wird dabei auch auf die Wichtigkeit von international koordinierten Ansätzen verwiesen. Denn Antibiotika würden für den globalen Markt entwickelt und dies sei «sehr teuer». «Die Schweiz als kleines Land kann mit einem nationalen Anreiz allenfalls einen kleinen Beitrag leisten», erklärt BAG-Sprecherin Katrin Holenstein.

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