Nach wie vor fehlen der Schweiz Lehrpersonen. Ein Grund: Der Job fordert dem Personal einiges ab, wie die Branche klagt. Doch der Lohn lässt zu wünschen übrig.
Lehrerin
Der Lehrberuf ist sehr belastend, klagt der Schweizer Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer. (Symbolbild) - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Der akute Lehrermangel hat sich dieses Jahr weiter zugespitzt.
  • Eine Zürcher Schule hat nun für Lehrpersonen gar einen Finderlohn ausgesetzt.
  • Lehrpersonen erklären, warum der Beruf so belastend sein kann.
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Der Lehrermangel in der Schweiz bleibt Thema. Eine Zürcher Schule hat zuletzt in ihrer Verzweiflung gar einen Finderlohn für Personal ausgesetzt. Ein Grund, warum der Lehrberuf für einige zu wenig attraktiv ist, ist die Belastung im Job.

Deshalb werden teils zu wenig Lehrpersonen ausgebildet, und zu viele verlassen die Branche nach dem Studium wieder. Im Schuljahr 2010 und 2011 wechselten mehr als 8 Prozent den Beruf, neuere Zahlen gibt es nicht. Doch der Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer Schweiz hat klare Hinweise: Die Austrittsrate nimmt zu.

Zentralsekretärin Franziska Peterhans sagt zu Nau.ch: «Gründe für einen Berufswechsel sind Überlastung, fehlende Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten, Löhne, die den hohen Anforderungen des Berufs zu wenig entsprechen.» Belastend seien Überstunden, zu grosse Klassen und fehlende Ressourcen für Kinder mit hohem Unterstützungsbedarf.

Viele haben «falsches Bild des Berufs»

Auch die strengen Arbeitszeiten machen vielen zu schaffen. Aussenstehenden ist dies oft wenig bewusst – man denkt an lange Schulferien und freie Nachmittage. Das hat mit der Realität aber gar nichts zu tun, wehrt sich Peterhans: «Dieses falsche Bild des Berufs ist leider immer noch verbreitet.»

Lehrer
Viel Ferien und freie Nachmittage? Dieses Bild hat nichts mit der Arbeitsrealität einer Lehrperson zu tun, sagt die Branche.
Unterricht
Lehrpersonen arbeiten nicht nur zu Unterrichtszeiten – auch neben den Lektionen gibt es viel zu tun. (Symbolbild)
Unterricht
«Lehrpersonen leisten viel unbezahlte Überzeit, weil sonst die Arbeit nicht zu schaffen ist», erklärt der Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer.
Lehrer
Eine Lehrerin berichtet, sie habe oft das Gefühl, nicht alles erledigt zu haben. «Man kann immer noch mehr vorbereiten.»
Lohn
Auch der Lohn mache den Beruf sehr unattraktiv, so eine Lehrerin – besonders in der Unter- und Mittelstufe.

Im europäischen Vergleich haben Schweizer Lehrkräfte mit durchschnittlichen 1920 Stunden die längste Soll-Jahresarbeitszeit. «Tatsächlich kommen sie aber auf über 2200 Stunden pro Jahr.»

Das umfasse neben dem Unterricht auch Schulentwicklung, Elternarbeit und Absprachen. «Lehrpersonen leisten viel unbezahlte Überzeit, weil sonst die Arbeit nicht zu schaffen ist.»

Lehrerin: «Man kann immer noch mehr vorbereiten»

Ähnliches berichten zwei Lehrpersonen, mit denen Nau.ch gesprochen hat. «Man ist den ganzen Tag auf Abruf», so die ehemalige Aushilfslehrerin B. L.* aus dem Kanton Freiburg.

Wer im Büro arbeite, hat in seinen Ferien meist auch wirklich Ferien – anders an der Schule: «Ich hatte Kollegen, die bis um 23 Uhr noch Whatsapp-Nachrichten von Schülern und Eltern beantworteten.» Dass man nie richtig abschalten könne, sei psychisch sehr belastend.

Das erlebt auch die Primarschullehrerin D. N.* aus dem Kanton Bern: «Ich habe oft das Gefühl, es sei nicht alles erledigt – ich könnte um vier oder um acht Uhr nach Hause gehen, aber das Gefühl bleibt. Man kann immer noch mehr vorbereiten, die Lektionen verbessern.»

Sind Sie gerne zur Schule gegangen?

Der Lohn sei natürlich auch ein Thema. «Das macht den Job sehr unattraktiv, besonders in der Unter- und Mittelstufe», so die Bernerin. «Es kommt viel Druck von aussen, die Erwartungen der Eltern sind grösser geworden.»

Fehlende Unterstützung beim Berufseinstieg

Für N. ist klar: Überforderung ist bei vielen der Grund für einen Berufswechsel. «Wenn man direkt von der PH kommt und eine Position als Klassenlehrperson übernimmt, ist das recht viel.» Das bestätigt auch der Lehrer-Dachverband – er beklagt eine fehlende Unterstützung beim Berufseinstieg.

Zusammengefasst: Vielen ist der Lehrberuf zu belastend – und der Lohn stimmt nicht. Dennoch hofft die Primarlehrerin, dass sich mehr junge Leute dafür entscheiden: «Es ist sehr schön, mit Kindern zu arbeiten und ihre Fortschritte zu sehen. Und es gibt einem so viel zurück, wenn sie gerne zur Schule kommen.»

*Namen der Redaktion bekannt

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