Vor dem Zürcher Obergericht haben sich am Montag Anklage und Verteidigung des Beschuldigten einen Schlagabtausch über dessen Schuldfähigkeit geliefert. Der 37-jährige Mann hatte Ende Dezember 2014 in Küsnacht ZH seinen guten Freund getötet. Beide hatten zuvor Drogen konsumiert.
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Ein Gerichtssaal. (Symbolbild) - dpa

Das Obergericht muss sich auf Geheiss des Bundesgerichts ein zweites Mal mit dem Fall beschäftigen.

2019 hatte es dem Deutschen attestiert, er habe das Tötungsdelikt «in selbstverschuldeter Schuldunfähigkeit» begangen. Es verhängte die dafür zulässige Maximalstrafe von drei Jahren und ordnete eine stationäre Massnahme an. Von ebenfalls angeklagten Sexualdelikten sprach es den Mann frei.

Damit hob das Obergericht das Urteil des Bezirksgerichts Meilen von 2017 auf. Dieses hatte keine Schuldunfähigkeit erkannt und den Mann wegen vorsätzlicher Tötung und Sexualdelikten zu 12 Jahren Freiheitsentzug verurteilt.

Anklage, Verteidiger und die Privatkläger zogen das Urteil weiter ans Bundesgericht. Dieses hob das Urteil auf. Der Schluss, es liege Schuldunfähigkeit vor, stütze sich auf Angaben, die der Beschuldigte nur gegenüber dem Gutachter, nicht aber in Befragungen gemacht habe. Dies sei nicht zulässig. Auch die Sexualdelikte müsse das Obergericht neu beurteilen.

Der als «Galeristensohn» bekannt gewordene Beschuldigte bestreitet die Sexualdelikte gegen seine damalige Freundin. Die Tötung seines langjährigen Freundes anerkennt er, macht allerdings geltend, er habe dies unter dem Einfluss von Kokain und Ketamin getan. Der Mann war seit Jahren schwer betäubungsmittelabhängig.

An jenem Abend war er in der elterlichen Villa mit seinen Freund in Streit geraten, nachdem beide Drogen konsumiert hatten. Er habe ihn als Angreifer wahrgenommen, der ihm nach dem Leben trachtete. Mit verschiedenen Gegenständen schlug er ihm den Schädel ein, rammte ihm dann eine Kerze in den Rachen und erwürgte ihn schliesslich. Nach der Tat rief er die Polizei und liess sich festnehmen.

Der psychiatrische Gutachter attestierte dem Beschuldigten, er habe in einem psychotischen Zustand gehandelt. Seine Einsichts- und Schuldfähigkeit seien aufgehoben gewesen. Ihm gegenüber hatte der Beschuldigte davon gesprochen, er habe seinen Freund als «Alien» gesehen. Dies hatte er gegenüber den Ermittlern nicht getan - laut Bundesgericht war die Schilderung deshalb nicht verwertbar.

Gemäss Verteidiger geht es aber nicht um den Begriff «Alien». Der Mann habe schon in den ersten Einvernahme einen bizarren Ablauf des Vorfalls geschildert, der überhaupt nicht mit dem Spurenbild vereinbar war. Dies sei Beweis dafür, dass er die Situation wirklich verzerrt wahrgenommen und keine «taktische Schutzbehauptung» gemacht habe, wie das Bezirksgericht angenommen hatte.

Der Beschuldigte sei vollkommen schuldunfähig gewesen, deshalb müsse er freigesprochen werden. Von selbstverschuldet könne man bei einem so schwer Drogenkranken nicht sprechen. Die Verteidigung verlangte eine Fortführung der stationären Massnahme, die der Beschuldigte seit rund zwei Jahren in einem spezialisierten Massnahmenzentrum absolviert. Dieses attestiere ihm eine gute Entwicklung.

Der Staatsanwalt wollte nichts von Schuldunfähigkeit wissen. In den Akten sei keine schwere Kokain- und Ketaminabhängigeit belegt. Der Beschuldigte selbst habe gesagt, er habe vor der Tat nur wenig konsumiert. Nach den ersten Einvernahmen habe er sein Aussageverhalten geändert und habe dann strategisch ausgesagt.

Es gebe keine vernünftigen Zweifel daran, dass er zur Tatzeit voll einsichts- und steuerungsfähig gewesen sei, sagte der Ankläger. Nach eigenen Angaben habe er den Freund angeschrien, er solle aufhören, ihn zu attackieren, sonst rufe er die Polizei. Irgendwann habe er nach eigener Schilderung «die Oberhand gehabt» und mit einem Kerzenständer zugeschlagen.

Das Obergericht hat sich nun zur Beratung zurückgezogen. Offen ist, ob es das Urteil am späteren Dienstagnachmittag bekannt geben kann, oder ob erst noch ein Ergänzungsgutachten eingeholt werden muss.

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