Das Klima-Urteil des EGMR sorgt in der Schweiz für Diskussionen und offenbart unterschiedliche Sichtweisen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg. (Archivbild)
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg. (Archivbild) - sda - KEYSTONE/CHRISTIAN BEUTLER

Die Deutschschweizer Presse hat nach dem Klima-Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte mehrheitlich die Rolle der Justiz in einer direkten Demokratie hinterfragt. Westschweizer Medien verstanden das Urteil hingegen als Aufruf zum Handeln.

Dies ging aus den Kommentarspalten vom Mittwoch hervor. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) trat am Dienstag auf die Beschwerde des Vereins Klimaseniorinnen ein und stellte eine Verletzung der Menschenrechtskonvention fest.

Schweiz versagt beim Klimaschutz?

Die Schweiz ist demnach ihren Aufgaben beim Klimaschutz nicht nachgekommen. Es sei «höchst problematisch, wenn der Klimaschutz von der internationalen Justiz vereinnahmt wird», schrieb die «Neue Zürcher Zeitung» auf das Urteil vom Dienstag. In der Schweiz würden Parlament und Volk die Klimapolitik machen und nicht eine Gruppe von Richtern.

Die Klimaschützerinnen und -Schützer haben laut einem Kommentar von Tamedia eine Gefahr womöglich zu wenig beachtet: «Bestimmen zunehmend Gerichte den Gang der Klimapolitik, dürfte das ein guter Teil der Bevölkerung nicht goutieren.» Das Urteil sei nicht nur befremdlich, sondern möglicherweise kontraproduktiv, schrieb denn auch «Blick». Die Fronten in der Klimapolitik dürften sich aber noch mehr verhärten.

Westschweizer Medien sehen Handlungsbedarf

Aufgrund des Urteils werde die Schweiz ihre Klimagesetzgebung kaum fundamental ändern, kommentierte CH Media. Als politisch dürfe der Entscheid aber nicht gewertet werden: «Wer diesen Entscheid als politisch abtut oder die Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Schweiz infrage stellt, entwertet das Justizsystem und die Menschenrechte», schrieb CH Media.

Auf weniger Widerstand stiess das Urteil in Westschweizer Medien. Der Entscheid sei eine «Demütigung» für die Schweiz, hiess es im Kommentar der ESH-Mediengruppe. Man habe es hierzulande in der Vergangenheit vorgezogen, wissenschaftliche Erkenntnisse zu leugnen.

Die Schweizer Stimmbevölkerung sei nicht bereit, auf ihren Komfort zu verzichten, schrieb «La Liberté». Das habe die Abstimmung über das CO2-Gesetz im Jahr 2021 gezeigt. Es sei zwar unangenehm, wenn andere mit dem Finger auf einen zeigen, hiess es im Kommentar von «Le Temps». Doch könne man von der Schweiz mit ihrer starken Innovationsfähigkeit ein stärkeres Engagement erwarten.

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