Viele Pflegende hängen derzeit ihre Festanstellungen an den Nagel. Einige wechseln in die Temporärarbeit – diese Tendenz wird in Spitälern kritisch gesehen.
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Viele Pflegefachpersonen kündigen ihre Festanstellungen. Einige wechseln in die Temporärarbeit. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Für Pflegefachkräfte ist die Temporärarbeit verlockend, denn es winken höhere Löhne.
  • Viele geben darum ihre Festanstellungen auf und lassen sich von Temporärbüros vermitteln.
  • Doch Gesundheitsinstitutionen warnen vor einer Zusatzbelastung des Stammpersonals.
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In der Schweiz besteht Fachkräftemangel – besonders in der Pflege fehlt weiterhin Personal. Denn viele kehren dem Beruf aufgrund der hohen Belastung den Rücken zu. Die Berufsaustrittsquote beim Pflegepersonal liegt laut dem Schweizerischen Gesundheitsobservatorium (Obsan) bei rund 40 Prozent.

Temporärbüros federn dabei den Verlust an Personal allerdings etwas ab. Celeste Bella, Kommunikationsleiterin des Personaldienstleisterverbands Swissstaffing, sagt gegenüber der «NZZ»: «Die Temporärarbeit behält Fachkräfte, die sonst aussteigen würden, vorerst im System.»

Denn immer mehr Personen in der Pflege kündigen ihre Festanstellungen, um in die Temporärarbeit zu wechseln. Dort winken einige Vorteile: So können temporär Angestellte ihre Schichten selbst einteilen und erhalten höhere Löhne. Swissstaffing zufolge arbeiten aktuell sieben Prozent aller Temporärarbeitskräfte im Gesundheitswesen.

Viele Gesundheitsinstitutionen sind kritisch

Doch während die Temporärarbeit bei Arbeitnehmenden immer beliebter wird, zeigen sich einige Gesundheitsinstitutionen wenig begeistert von diesem Trend.

Christina Schumacher, stellvertretende Geschäftsführerin des Pflegefachverbands SBK, hält fest: In der Pflege sei man zwar zwecks der Überbrückung von Engpässen auf Temporäre angewiesen. Dennoch sieht sie mehr Risiken als Chancen bei Temporärarbeit in der heutigen Form.

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Pflegepersonal ist in der Schweiz weiterhin stark gesucht.
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Temporärarbeit ist bei vielen beliebter als eine Festanstellung.
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Doch viele Gesundheitsinstiutionen sind gegenüber der Temporärarbeit kritisch eingestellt.
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Denn für das Stammteam stelle diese eine Zusatzbelastung dar.
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Es könne auch zu Spannungen innerhalb der Pflegeteams kommen.

Schumacher erklärt: «Temporäre und Festangestellte arbeiten nebeneinander, haben aber nicht denselben Arbeitgeber, nicht dieselben Bedingungen und oft auch nicht denselben Lohn.» Die Folge: Spannungen in den Pflegeteams sowie eine zusätzliche Belastung für das Stammpersonal.

Auch Severin Buob hat sich mal überlegt, seine Festanstellung am Luzerner Kantonsspital für die Temporärarbeit aufzugeben. Letztlich ging der Pflegefachmann und Teamleiter der Pflege diesen Schritt jedoch nicht: «Ich bin ein Teamplayer und arbeite bevorzugt mit vertrauten Menschen zusammen. Zudem kenne ich die Abläufe in meinem Spital sehr gut.» Das gebe ihm ein Gefühl von Stabilität.

Experte widerspricht – so teuer sind Temporäre nicht

In vielen Spitälern haben die Führungscrews eine kritische oder ablehnende Haltung zur Temporärarbeit. Dabei heisst es immer wieder, diese würde eine Zusatzbelastung für das Stammpersonal darstellen. Aber auch die Kosten der Temporärfachkräfte werden angesichts der Sparaufträge der Gesundheitsinstitutionen oft hervorgehoben.

«Man hört oft, dass sie pro Stunde etwa 30 Prozent teurer seien als Festangestellte», sagt Florian Liberatore. Er ist Gesundheitsökonom an der ZHAW. «Aber hier werden nur die direkten Kosten verglichen – und dieser Vergleich stimmt nicht.»

Haben Sie schon mal als Temporärkraft gearbeitet?

Denn bei der Rechnung müsse man auch die Sozialabgaben für Festangestellte, Ferien und Krankheiten mit einbeziehen. Auch die Rekrutierung und administrative Aufgaben müsse die Gesundheitsinstitution übernehmen. Unter Einbezug der indirekten Kosten seien temporäre Kräfte nur zehn Prozent teurer als Festangestellte, so Liberatore.

«Viele Institutionen wollen die Temporärarbeit verbieten oder hoffen, dass sie irgendwann verschwindet.» Aber das sei falsch herum gedacht, hält der Ökonom fest. Denn am Ende komme es teurer, weil man aufgrund von Personalmangel Betten schliessen müsse.

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