Nach dem Ständerat will auch der Nationalrat den Schutz des Wolfes lockern. Gegner befürchten die Ausrottung. Ein Grossraubtier-Experte ordnet ein.
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Der Schutz des Wolfes in der Schweiz soll nach dem Nationalrat stark gelockert werden. - dpa/AFP/Archiv
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der Nationalrat will den Schutz der Wölfe in der Schweiz lockern.
  • Dies hat er diese Woche bei der Beratung des Jagdgesetzes entschieden.
  • Die Stiftung Kora befürchtet ein unheitliches Wolfsmanagement.

Machte ein Wolf bisher Probleme, konnten die Behörden einen Abschuss erlauben. Wenn es nach dem Nationalrat geht, soll künftig auch der Bestand reguliert werden dürfen. Dies hat er diese Woche an einer emotionalen Debatte entschieden.

Gegner befürchten eine Ausrottung des Wolfes, die Befürworter argumentieren mit einer «nur leichten Lockerung.» Die Stiftung Kora führt im Auftrag des Bundes Grossraubtier-Monitoring durch. Geschäftsführer Urs Breitenmoser beobachtet und beurteilt die Wolfs-Rückkehr und damit verbundene Debatte.

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Urs Breitenmoser, Geschäftsführer der Stiftung Kora. - Kora

Nau.ch: Nach dem Ständerat winkt auch der Nationalrat die Lockerung des Wolf-Schutzes durch. Wie denken Sie darüber?

Urs Breitenmoser: Das war zu erwarten, nach dem bemerkenswerten Erstarken und der Ausbreitung der europäischen Wolfspopulationen in den vergangenen Jahren. Es ist in allen westeuropäischen Ländern eine Diskussion um die Lockerung des gesetzlichen Schutzes des Wolfs im Gange. In der Schweiz erfolgt diese Diskussion auf einem relativ tiefen Niveau des Wolfsbestandes. Jedenfalls im Vergleich zu unseren Nachbarländern Italien, Frankreich und Deutschland.

Nau.ch: Wer oder welches Interesse glauben Sie, ist federführend in der Diskussion?

Urs Breitenmoser: In der Debatte äussern sich offenbar mehr Parlamentarier zu Gunsten der Lockerung des Schutzes als zur Beibehaltung. Der offensichtlichste Konflikt um den Wolf ist der mit der Landwirtschaft, weil Angriffe auf Schafe regelmässig vorkommen. Zudem ist der Schutz frei weidender Schafe zwar möglich, aber mit einem beträchtlichen Aufwand verbunden.

Verschiedene Stimmen zur Wolfsdebatte. - Nau

In jüngster Zeit sind allerdings auch vermehrt Befürchtungen über die Gefährlichkeit des Wolfs für den Menschen aufgekommen. Aber auch Befürchtungen über eine Vermischung mit Hunden. Doch diese sind aufgrund der Erfahrungen unbedeutend. Ich hoffe, dass in der parlamentarischen Debatte zwischen den echten Herausforderungen und den unbegründeten Ängsten unterschieden wird.

Nau.ch: Befürworter der Schutz-Lockerung im Nationalrat sagen, es geht nicht um die Bejagung oder Ausrottung, sondern eine leichte Lockerung. Wie sehen Sie das?

Urs Breitenmoser: Da wird nach erfolgter Lockerung des heute geltenden gesetzlichen Bestimmungen der Tatbeweis zu erbringen sein. Ich befürchte, dass nach der Übertragung weitgehender Kompetenzen an die Kantone ein uneinheitliches Wolfsmanagement entstehen wird. Das Management einer Population von Grossraubtieren wie dem Wolf sollte jedoch möglichst grossräumig unter gemeinsamen Prämissen gehandhabt werden.

Nationalrat Wolf
Der Nationalrat möchte die Bedingungen zur Schiessung des Wolfs lockern. - Keystone

Nau.ch: Wie soll das gehen?

Urs Breitenmoser: Ich würde am liebsten sehen, dass nicht nur alle Kantone der Schweiz, sondern die Alpenländer ein gemeinsames Vorgehen finden. Dies beim Erhalten, aber auch bei der Kontrolle der Wolfspopulation zum Beispiel in den Alpen. Ich halte es für illusorisch, unter den heutigen Bedingungen eine Wolfspopulation zu erhalten, die sich nur nach den Umweltbedingungen richtet. Das würde von den Leuten nicht toleriert.

Und die Akzeptanz der Bevölkerung setzt heute die Leitlinien, nicht die ökologischen Bedingungen. Zur Erhaltung des Wolfs als Art in unseren Lebensräumen brauchen wir allerdings auch nicht eine maximal mögliche Zahl von Wölfen. Es wird letztlich einen politisch festzulegenden Kompromiss zwischen „Maximum“ und „Ausrottung“ brauchen – und das bedingt eine grossräumige Betrachtung.

Nau.ch: Glauben Sie, es wird nach dieser Debatte im Nationalrat noch zu einer Volksabstimmung kommen?

Urs Breitenmoser: Das wird sich zeigen… Je emotionaler eine politische Debatte, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass letztlich die Bevölkerung gefragt wird.

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