Massenentlassungen machen HR-Personal zu schaffen

Bettina Zanni
Bettina Zanni

Zürich,

Fast am laufenden Band setzen Schweizer Firmen zu Kahlschlägen an. HR-Angestellte kämpfen damit.

Massenentlassungen
Aktuell erhalten Mitarbeitende in Firmen schweizweit Kündigungen – auch das HR-Personal leidet mit. - pexels

Das Wichtigste in Kürze

  • Regelmässig verlieren unzählige Schweizer Angestellte ihren Job.
  • An vorderster Front gefordert ist das Personal der Human Resources.
  • Entlassungen können laut dem Verband HR-Suisse «mit der Zeit sehr belastend» sein.

In Schweizer Unternehmen rumpelt es gewaltig. Fast im Wochenrhythmus kommt es zu Entlassungen und Umstrukturierungen in grösserem Stil.

Für den neusten Knall hat das Zürcher Medienunternehmen TX Group gesorgt. Am Dienstag gibt es den Abbau von 80 Vollzeitstellen bekannt.

Am selben Tag teilt das Spielwarengeschäft Pastorini mit, seine Türen per Ende September für immer zu schliessen.

Kündigungen bei Postfinance und Gübelin

Anfang Juni setzt die Postfinance zum Kahlschlag an. Das Finanzinstitut sieht bis Ende November rund 140 Kündigungen vor.

Wenige Wochen zuvor kündigt das Luzerner Traditionshaus Gübelin 30 Mitarbeitenden im Rahmen einer Massenentlassung den Job. Die Liste solcher Beispiele liesse sich noch lange fortführen.

Wurde dir schon einmal gekündigt?

An vorderster Front gefordert ist in solchen Situationen das Personal der Human Resources (HR). Die ständigen Entlassungswellen machen HR-Angestellten zu schaffen.

Spezifisches Know-how sei gefragt

«Mitarbeitende entlassen zu müssen, kann mit der Zeit sehr belastend sein», sagt Jessica Silberman Dunant. Sie ist Präsidentin des Schweizerischen HR-Verbands HR Swiss. Dies sei vor allem der Fall, wenn es zu einigen Entlassungen komme. «Was oft passiert, wenn sie aus wirtschaftlichen Gründen folgen.»

Massenentlassungen brauchen laut Silberman Dunant ein spezifisches zusätzliches Know-how.

«HR-Fachleute eignen sich dieses spätestens dann an, wenn Massenentlassungen geplant werden.»

HR-Personal wirft selber Handtuch

Manchmal haben HR-Angestellte die Nase voll.

«Es kann vorkommen, dass HR-Fachpersonen in Unternehmungen, die Massenkündigungen vornehmen, irgendwann auch kündigen», sagt Silberman Dunant.

Schliesslich seien sie Arbeitnehmer, die von einer Restrukturierung mitbetroffen sein könnten. «Da werden aber mehrere Faktoren mitspielen.»

«Unangenehme Lage»

Die Arbeitnehmenden-Organisation Angestellte Schweiz ist Sozialpartner bei Restrukturierungsmassnahmen. Sie sensibilisiert und begleitet Unternehmen auch, präventive Massnahmen zu treffen. Dies zum Schutz der psychischen Gesundheit ihrer Mitarbeitenden, auch in den Personalabteilungen.

Das HR-Personal müsse die Kündigungen von Dutzenden oder Hunderten Mitarbeitenden innerhalb von wenigen Wochen organisieren, sagt Tanja Tanneberger. Sie ist Mediensprecherin von Angestellte Schweiz. Üblicherweise müssten HR-Managerinnen und -Manager auch an den Gesprächen teilnehmen.

«Tatsächlich kann das extrem belastend sein», sagt Tanneberger. Die Organisation stellt fest, dass HR-Fachpersonen in letzter Zeit oft auch erst im letzten Moment etwa über Massenentlassungen informiert werden. «Was sie in eine unangenehme Lage bringt.»

«Emotionen abfangen»

Massenentlassungen können laut Tanneberger eine hohe und vielschichtige Belastung für HR-Angestellte darstellen.

«Oftmals müssen sie Kündigungen direkt aussprechen und die Emotionen der Arbeitnehmenden abfangen.» Auch müssten sie die zusätzliche Arbeitslast stemmen, die durch eine Massenentlassung entstehe.

Massenentlassungen
Massenentlassungen können laut Tanja Tanneberger von Angestellte Schweiz eine hohe und vielschichtige Belastung für HR-Angestellte darstellen. - zVg.

HR-Angestellte stünden noch in einer zusätzlichen Verantwortung, sagt Tanneberger. «Oftmals müssen sie das angeknackste Vertrauen und die Motivation bei den Verbleibenden wieder aufbauen.»

«Das ist traumatisch»

Wie nahe Massenentlassungen dem HR-Personal gehen können, zeigen Posts auf der Plattform Reddit.

«Ich habe gestern 150 Leute entlassen und es geht mir nicht gut. Überhaupt nicht», schreibt eine HR-Angestellte.

Sie habe in ihrem Leben schon vielen Leuten gekündigt. «Aber das ist traumatisch.» Sie habe ihren Job immer noch und versuche, kein grosses Baby zu sein. «Aber ich denke, dass die Öffentlichkeit die Auswirkungen auf die Personalabteilungen unterschätzt.»

«Wir fühlen es»

Viele User, die im HR angestellt sind, bezeichnen Entlassungen als «ätzend». «Wir verstecken unsere Gefühle vielleicht, aber wir fühlen es, jedes einzelne Mal», verrät eine Userin.

Es spiele keine Rolle, wie schlecht der Angestellte gewesen sei. «Sie sind immer noch Menschen und ihr Leben ist gerade härter geworden.»

Warst du schon mal von einer Massenentlassung betroffen?

Die Website «Wellness Tribe» befasst sich mit Themen rund um das berufliche Wohlbefinden. Personalverantwortliche seien bei Massenentlassungen einem ständigen Stress und Druck ausgesetzt, heisst es dort. Dies könne ihr körperliches und emotionales Wohlbefinden stark beeinträchtigen. Die Website warnt deshalb vor HR-Burnouts.

Verantwortungsgefühl sei hoch

Tanja Tanneberger weist auf Studien hin. Diese belegten, dass HR-Angestellte besonders oft wegen psychischen Belastungen krankgeschrieben würden, sagt sie.

«Daraus könnte man interpretieren, dass sie tendenziell nicht selbst künden, die Belastung aber irgendwann zu gross wird.»

HR-Angestellte hätten ein sehr hohes Verantwortungsgefühl und gingen deshalb stark an ihre Grenzen oder darüber hinaus. Dies zeige ihre Erfahrung in der Führungsberatung.

«Zum Glück extrem vielfältig»

Machen die vielen Kahlschläge in den Firmen den HR-Job unattraktiv? Jessica Silberman Dunant verneint. Die HR-Arbeit sei zum Glück extrem vielfältig, sagt sie.

Massenentlassungen
Die Entlassungswellen machen den HR-Job laut Jessica Silberman Dunant von HR Swiss nicht unattraktiv. - zVg.

So beinhalte diese auch andere Tätigkeiten als Kündigungsgespräche, auch während Massenentlassungen. «Zum Beispiel das Coachen der Führungskräfte, um diese Gespräche auch professionell, human und rechtmässig zu führen.»

Auch sei das HR-Personal für das Ausarbeiten des Sozialplans mit den Interessenspartnern gefragt. Zudem biete es Unterstützung bei der beruflichen Neuorientierung für die betroffenen Mitarbeitenden.

Kommentare

User #2474 (nicht angemeldet)

Ist es weniger schlimm wenn auch da Trump Schuld ist?

User #2059 (nicht angemeldet)

Null Mitleid mit dem HR. Bei der Rekrutierung benehmen sie sich wie Götter. Und jetzt jammern, wenn jemand entlassen werden muss. Es ist nur Gespräch….und morgen kommst du wieder.

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