Kontrolle bei SBB bringt nicht urteilsfähiger Autistin Busse ein
Vor einer Kontrolle der SBB im Zug lief eine junge Autistin weg – und erhielt deswegen eine Busse. Die SBB will nach Intervention den Fall neu beurteilen.

Das Wichtigste in Kürze
- Eine junge Autistin befand sich im Zug in der ersten statt in der zweiten Klasse.
- Die 19-Jährige flüchtete instinktiv vor der Billet-Kontrolle und wurde dafür gebüsst.
- Autismus-Experten kritisieren das Verhalten. Die Gebüsste sei nicht urteilsfähig.
Für eine Autistin sei die Flucht vor einer SBB-Kontrolle ein nachvollziehbares Verhalten, meint der Betreuer Udo Pfeil von den Werkstätten des Vereins «Zürcher Eingliederung». Er versteht nicht, warum die SBB dafür seinen Pflegling, die 19-jährige Sonam Y., gebüsst hat. Die junge Autistin befand sich während einer Billet-Kontrolle statt in der zweiten, in der ersten Klasse. Für das Weglaufen verrechneten die Kontrolleure ihr 240 Franken. Und dies obwohl Somam Y. urteilsunfähig sei.
Die an frühkindlichem Autismus Leidende lebe in ihrer eigenen Welt, erklärt deren Mutter Pema gegenüber der Konsumentenschutzsendung «Kassensturz». Trotzdem bemühe sich ihre Tochter möglichst selbstständig zu sein. Die Ticket-Kontrolle sei für Sonam dennoch eine massive Überforderung gewesen. Warum das alles so passiert ist, bleibt unklar. Die Teenagerin habe mit ihrer Familie den Vorfall nie besprochen.

Grosse Mühe mit zu vielen Reizen
Ihr Betreuer Udo Pfeil hat jedoch eine Vermutung, warum sie in der falschen Klasse sass: Die zweite Klasse sei wahrscheinlich überfüllt gewesen und die 19-jährige habe sich in die erste Klasse zurückgezogen. Autisten hätten grosse Mühe mit zu vielen Reizen.
Für die Busse der SBB gibt es wenig Verständnis. Nach Intervention der Mutter mit einer Bestätigung, dass ihre Tochter nicht urteilsfähig ist, kürzten die SBB die Busse lediglich – «aus Kulanz», wie es hiess. Der Behinderten-Dachverband «Inclusion Handicap» meint dazu gegenüber «SRF»: «Das Behindertengleichstellungsrecht als auch das Privatrecht verbieten, in einem solchen Fall eine Busse zu erheben».
Die SBB räumten nun Fehler ein. Das eingereichte Arztzeugnis sei zwar nicht ausreichend gewesen, doch sie hätten dies der Mutter nicht vorgeworfen. Die SBB versprechen, mit einem ausführlichen Arztzeugnis den Fall nochmals zu beurteilen.