Nachdem Reformierten die «Ehe für alle» gutheissen, wenden sich alle Blicke auf die katholische Kirche. Diese wird aber kaum nachziehen, glaubt ein Experte.
Ehe für alle Heiratstrafe
Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK) hat die «Ehe für all» mit 49 zu 11 Stimmen gutgeheissen. Dass die Katholiken nachziehen, sei unwahrscheinlich, glaubt ein Experte. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der evangelische Kirchenverbund heisst die gleichgeschlechtliche Ehe deutlich gut.
  • Dass die Katholiken nachziehen, glaubt ein Experte nicht.
  • Die katholische Kirche hätte dringendere Probleme.

Das reformierte Kirchenparlament sagte anfangs Woche mit 49 zu 11 Stimmen Ja zur «Ehe für alle». Die Katholiken und Freikirchen hingegen wollen weiterhin nicht über die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare diskutieren.

Gerade die katholische Kirche verweist auf die Schweizerische Bischofskonferenz, diese wiederum verweigert eine Stellungnahme. Seit Monaten. Religionswissenschaftler Martin Baumann von der Uni Luzern glaubt, daran wird sich so schnell nichts ändern. Weshalb?

Ein typisch schweizerischer Kompromiss

«Das Resultat und insbesondere die intensiven Diskussionen im Vorfeld der Abstimmung zeigen deutlich die unterschiedlichen Fraktionen und Positionen auf», erklärt Baumann. «Das Schweizerische Evangelische Kirchenbund SEK hat sich schwer getan mit dem Entscheid, am Ende ist man aber sicher froh über die deutliche Mehrheit.»

SEK
SEK-Präsident Gottfried Locher im Gespräch mit Vize-Ratspräsidentin Esther Gaillard an der Abgeordnetenversammlung des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK) im Rathaus Bern. - sda - Keystone/Anthony Anex

Wichtig sei, dass es sich dabei nur um eine Empfehlung handelt. Diese Definition lasse Spielraum und binde so die Minderheiten mit ein. «Es ist ein typisch schweizerischer Kompromiss.»

Katholische Kirche schweigt

Dass die katholische Kirche sich nicht zu dem Thema äussert, überrascht Baumann nicht. «Die katholische Kirche ist ganz anders aufgebaut, Trotz Hierarchie bestehen unterschiedliche Profilbildungen in den katholischen Gemeinden. Dass nicht darüber gesprochen wird, ist typisch. Und wenn, dann wird es nicht an die grosse Glocke gehängt.»

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Konservative afrikanische oder lateinamerikanische Gläubige bilden heute das Rückgrat der katholischen Kirche - keystone

Der Professor glaubt nicht, dass die katholische Kirche unter Druck bei den gleichgeschlechtlichen Ehen bald nachzieht. Die Schweizer Katholiken seien nur ein ganz kleiner Teil der Gläubigen.

«Die katholische Kirche ist viel globaler, heute kommt der Grossteil der Gläubigen aus Lateinamerika oder Afrika. Diese sind von der Morallehre her viel konservativer eingestellt als die Katholiken aus Europa. Die Kirche wird diese Basis nicht vor den Kopf stossen wollen.»

Der Kirche läuft die Zeit davon

Ausserdem habe sie andere, dringendere Probleme. «Beiden Kirchen läuft die Zeit aufgrund des Mitgliederschwunds davon», so Baumann. «Die Jugendarbeit ist extrem wichtig für den Erhalt und die Verjüngung der Kirchen. Man kann die Bibel aktuell interpretieren. Man muss sie aber in neuen Formen und Interpretationen anbieten.»

Papst Franziskus Schisma
Papst Franziskus sagt, er habe keine Angst vor einer Spaltung der katholischen Kirche. Stattdessen muss sich die Kirche darauf konzentrieren, interessanter für Junge zu werden. - AFP

Ausserdem gäbe es Themenschwerpunkte wie die Umwelt oder das Glaubensbekenntnis, welche sie der gleichgeschlechtlichen Ehe vorziehen. Viel wird sich darum trotz der emotionalen Diskussion nicht ändern, glaubt der Religionswissenschaftler.

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