Joel Basman wird zum Ausbrecherkönig Walter Stürm

Vor einigen Tagen kam «Stürm – Bis wir tot sind oder frei» in die Kinos. Das Spektakel um den Ostschweizer Ausbrecherkönig in Ehren: Was nachwirkt, ist die Leistung von Marie Leuenberger als Anwältin Barbara Hug. In den Zürcher Strassen der frühen 80er-Jahre brodeln die Jugendkrawalle, die Polizei hat zu tun und die Bevölkerung ist abgelenkt.

Der Kriminelle Walter Stürm (Joel Basman) nutzt die Gunst der Stunde für eine seiner spektakulären Gefängnisfluchten. In der geklauten Wärteruniform schlüpft er durch ein enges Fenster und entkommt der Strafanstalt Regensdorf in einem Kastenwagen. Schliesslich tauscht er diesen nach einer auf ihn bezogenen, dringenden Radiodurchsage gegen ein Polizeiauto ein. Er ist frei.

Doch anstatt ins Ausland zu fliehen und ein neues Leben anzufangen, mischt sich Stürm unter die Leute. Und überrascht so etwa die Anwältin Barbara Hug (Marie Leuenberger) auf einer Parkbank. Er will, dass sie ihn verteidigt.

Hug, die bisher «das Gericht als Bühne» nutzte, wie sie einmal sagt, übernimmt den Fall ohne zu Zögern. Walter Stürm wird in der links-alternativen Szene wie in Popstar gefeiert und ist dem Rest des Landes als «Ausbrecherkönig» bekannt. Mit ihm als Klient kann sie die Änderung des veralteten Schweizer Justizsystems in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken.

Während die Anwältin sichtlich Gefühle für ihren Mandanten entwickelt, wird Stürm die Intensität dieser Beziehung oft zu viel. So kommt es beispielsweise vor, dass er von einem Moment auf den anderen vom Duzen zum Siezen zurückkehrt. Und sowieso: Seine Passion ist das Flüchten – egal ob vor Menschen, aus Beziehungen oder aus Gefängnissen.

«Walter Stürm - Bis wir tot sind oder frei» ist vieles in einem. Eine berührende Geschichte von zwei Menschen und deren starker Verbundenheit. Und ein Porträt zweier friedliebender, feinfühliger und gleichzeitig sturer und rebellischer Persönlichkeiten. Und: Es ist ein politischer Film – mit Joel Basman in der Hauptrolle.

Denn er wirft einen – verstärkt durch Original-TV-Beiträge und Zeitungen – in eine angespannte Zeit zurück. In eine Schweiz, in der ein Teil der Bevölkerung auf die Strassen zieht, um für Autonomie zu kämpfen. Eindrücklich ist auch die Darstellung der Zustände in den Gefängnissen. Walter Stürm wird von Wärtern gedemütigt, mit auferlegter Isolationshaft gequält.

Besonders tief schürft die Szene mit Joel Basman, in der sie ihn auf eine Liege fesseln. Dort rasieren sie ihm gegen seinen Willen des Bartes. Stürms Kampf ist nicht nur einer um Freiheit, sondern auch um Würde.