Die Teuerung trifft Arme besonders. Manche Kantone weigern sich dennoch, die Sozialhilfe anzupassen. So etwa in Bern, wo man die Situation lieber «beobachtet».
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Sozialhilfebezüger erhalten nicht überall in der Schweiz gleich viel Geld für ihren Grundbedarf. In fünf Kantonen gibt es weniger. (Symbolbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Nicht alle Kantone gleichen die Teuerung beim Grundbedarf der Sozialhilfe aus.
  • Jura, Genf, St. Gallen, Freiburg und Bern zahlen weniger als andere Kantone.
  • Im Kanton Bern bleibt Sozialhilfebezügern knapp 650 Franken weniger im Jahr übrig.
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Gestiegene Heizkosten, höhere Preise im Supermarkt – die Teuerung ist in der Schweiz spürbar. Das trifft besonders jene, die ohnehin schon nicht genug zum Leben haben.

Dem hat auch die Skos – die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe – Rechnung getragen. Sie empfiehlt den Kantonen für dieses Jahr, den Grundbedarf bei der Sozialhilfe bei 1031 Franken pro Einzelhaushalt anzusetzen.

Damit hätten Sozialhilfeempfänger für Dinge wie Essen oder Kleider 25 Franken mehr im Monat zur Verfügung. Hätten. Doch nicht alle Kantone wollen dabei mitspielen.

Diese Kantone zahlen weniger

Der Grossteil der Kantone hält sich an die aktuelle Empfehlung, der Kanton Waadt übertrifft sie mit 1138 Franken gar. Unterboten wird sie nur von fünf Kantonen. Im Jura liegt der Grundbedarf bei 1022 Franken, direkt dahinter folgen die Kantone Genf und St. Gallen mit 1006 Franken.

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Grundbedarf der Sozialhilfe in der Übersicht. - MapChart

Auf dem zweitletzten Platz rangiert der Kanton Freiburg, der den Grundbedarf bei 997 Franken ansetzt. Weit abgeschlagen befindet sich der Kanton Bern, der den Grundbedarf seit zwölf Jahren nicht mehr angerührt hat. Statt 1031 Franken sind es hier 977 Franken – also knapp 650 Franken weniger im Jahr.

Kanton Bern «beobachtet», statt mehr zu zahlen

Die Gesundheitsdirektion des Kantons Bern verteidigt sich auf Anfrage. Beim Teuerungsausgleich der Skos käme es zu «Verzerrungen», heisst es auf Anfrage. Diese berücksichtige auch Miet- und Gesundheitskosten, die aber zusätzlich zum Grundbedarf finanziert würden.

Daher sehe der Kanton «eine andere Berechnungsweise der Teuerung» als die Skos vor. Sprich: Statt den Grundbedarf wie die anderen Kantone anzupassen, «beobachtet» der Kanton die Situation.

Sind Sie auf finanzielle Unterstützung vom Staat angewiesen?

Allerdings regt sich Widerstand gegen den Kurs der Gesundheitsdirektion. Grünen-Politiker Hasim Sancar will mit einem Vorstoss im Grossen Rat den Grundbedarf an die Skos-Empfehlung anpassen.

Sancar: «Es ist ein Armutszeugnis»

Dass der Kanton schweizweit den tiefsten Grundbedarf auszahle, werfe ein schlechtes Licht auf Bern, sagt Sancar. «Es ist ein Armutszeugnis gegenüber armutsbetroffenen Kindern. Ein Drittel der Sozialhilfebeziehenden sind Kinder», sagt er zu Nau.ch.

Nun sei es höchste Zeit, dass auch Bern den Grundbedarf erhöhe, so Sancar weiter. Dem stimmt auch die Berner Konferenz für Sozialhilfe zu. In einem offenen Brief an den Regierungsrat vom Februar heisst es, dass ein Teuerungsausgleich aus fachlicher Sicht dringend nötig sei.

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Der Berner Grundbedarf (Violett) fällt hinter der Skos-Empfehlung (Grün) und dem Schweizerischen Landesindex für Konsumentenpreise (Blau) zurück. - BKSE

Dass sich der Berner Grosse Rat für eine Erhöhung des Grundbedarfs ausspricht, ist alles andere als sicher. In der Wintersession lehnte er eine Budget-Erhöhung zum Teuerungsausgleich bei der Sozialhilfe mit 88 zu 53 Stimmen deutlich ab. Chancen sieht Sancar trotzdem: «Ich habe gerechnet und stelle fest, dass es knapp wird.»

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