Die Zürcher Staatsanwaltschaft klagt einen italienischen Flixbus-Fahrer wegen fahrlässiger Tötung an.
Flixbus
Die Zürcher Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen einen italienischen Flixbus-Fahrer wegen fahrlässiger Tötung. (Symbolbild) - AFP/Archiv

Als «völlig unverantwortlich» stuft die Zürcher Staatsanwaltschaft die Fahrweise eines italienischen Chauffeurs ein. Wäre er im Dezember 2018 auf der eisigen Sihlhochstrasse in angemessenem Tempo gefahren, hätte er den Unfall mit zwei Toten und vielen Verletzten verhindern können. Der heute 62-Jährige muss sich deshalb am 29. Mai vor dem Zürcher Bezirksgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Chauffeur mehrfache fahrlässige Tötung und Körperverletzung sowie fahrlässige grobe Verletzung der Verkehrsregeln vor.

Sie beantragt eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren, die zugunsten einer Probezeit von zwei Jahren bedingt verhängt werden soll. Der Flixbus war am 16. Dezember 2018 kurz nach vier Uhr in der Früh auf der Autobahn A3W in der Stadt Zürich verunfallt. Der Chauffeur nahm am Ende der mehr als zehn Meter über der Sihl endenden zweispurigen Sihlhochstrasse nicht die Abfahrtsrampe zum Sihlhölzli hinunter. Wr fuhr vielmehr in den Autobahnstummel hinein und prallte an dessen Ende in die Betonwand.

Die tragischen Folgen des Unfalls

Eine Passagierin wurde aus dem Bus geschleudert. Sie fiel in die Sihl, in der sie bewusstlos ertrank. Der zweite Chauffeur, der sich auf einem Sitz rechts neben dem Fahrer ausruhte, wurde einklemmt und derart schwer verletzt, dass er zwei Wochen später nach der Amputation beider Beine an einer Infektion starb. 42 Passagiere erlitten Verletzungen, nur fünf Insassen kamen unverletzt davon.

Als Unfallursache gilt gemäss Anklageschrift der Staatsanwaltschaft ein deutlich zu hohes Tempo. Signalisiert waren demnach auf der gut beleuchteten Hochstrasse Tempo 60, angesichts von Schnee und Eis wären 40 km/h für Autos und 30 km/h für Busse angebracht gewesen. Der Chauffeur hatte mit seinem Bus 68 km/h drauf, als er 136 Meter vom Kollisionsort ein erstes Mal bremste, wie aus der Anklageschrift hervorgeht.

Zu hohe Geschwindigkeit führte zum Unglück

Nach einem kurzzeitigen Beschleunigen leitete er dann 42 Meter von der Betonwand entfernt eine Vollbremsung ein. Zu spät. Mit 48 km/h prallte das Gefährt praktisch frontal in die Begrenzung. Der Unfall – und der Tod zweier Personen – hätte sich gemäss Anklage verhindern lassen.

Hätte der Fahrer die Bremse beim ersten Mal nicht losgelassen, wäre der Bus trotz des übersetzten Tempos noch 38 Meter von der Mauer zum Stillstand gekommen. Auch beim zweiten Bremspunkt hätte eine Vollbremsung noch ausgereicht. Wenn er denn eine den Verhältnissen angepasste Geschwindigkeit gewählt hätte.

Staatsanwaltschaft: Unfall war vermeidbar

Die Staatsanwaltschaft verweist in ihrer Anklage auf Fahrzeuge, die den Autobahnstummel eine Viertelstunde vor und nach dem Unfall passiert hatten. Alle acht Autos waren langsamer als der Bus. Für den Umstand, dass der Lenker die Abfahrt nicht nahm und in den Stummel geriet, sieht die Staatsanwaltschaft zwei Möglichkeiten: Entweder war er unaufmerksam oder mit der Situation überfordert.

So habe sich der Italiener allenfalls «wegen der im Grenzbereich der Beherrschbarkeit des Fahrzeuges liegenden Geschwindigkeit zu stark darauf konzentrieren müssen, die Kontrolle über sein Fahrzeug nicht zu verlieren». Er habe sich deshalb nicht auf die vor ihm liegende Fahrstrecke konzentrieren und adäquat reagieren können. Welche Anträge die Verteidigung des Chauffeurs stellen wird, wird sich ihm Rahmen der Verhandlung zeigen.

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