Mitte September beginnt vor dem Thurgauer Obergericht das Berufungsverfahren im Fall «Kümmertshausen». Es ist der grösste Straffall aller Zeiten im Kanton Thurgau und beschäftigt die Justiz seit über zehn Jahren.
Kümmertshausen
Der Fall Kümmertshausen ist einer der grössten und aufwendigsten Prozesse in der Thurgauer Strafprozessgeschichte. (Gerichtszeichnung) - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Verhandlungen sind öffentlich und dauern bis voraussichtlich Mai 2022, wie das Obergericht des Kantons Thurgau am Donnerstag mitteilte.

Das Tötungsdelikt geschah im November 2010. Ein 53-jähriger IV-Rentner wurde tot in seinem Einfamilienhaus in einem abgelegenen Weiler in Kümmertshausen aufgefunden. Er war durch eine brutale Knebelung gestorben. Die Tat gab vorerst Rätsel auf.

Während der Strafuntersuchung stiess die Polizei auf eine kriminelle Organisation aus türkisch-kurdischen Kreisen. Laut Anklage lebten deren Mitglieder vom Drogenhandel, von Erpressungen und Menschenschmuggel.

Im «Fall Kümmertshausen» war 14 Mitgliedern der kriminellen Band vor Bezirksgericht Kreuzlingen der Prozess gemacht worden. Der vorsitzende Richter beschäftigte sich über ein Jahr lang ausschliesslich mit dem Fall. Im März 2018 eröffnete er die Endurteile.

Das Gericht machte den «Kronzeugen» für den Tod des Rentners mitverantwortlich und verurteilte ihn wegen eventualvorsätzlicher Tötung durch Unterlassung zu einer Freiheitsstrafe von 7,5 Jahren. Die Anklage hatte 9 Jahre und 4 Monate gefordert.

Beim Drahtzieher blieb das Gericht deutlich unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die 19 Jahre und eine Geldstrafe gefordert hatte. Der damals 48-jährige Iraker wurde zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Die Verteidigung forderte eine Freiheitsstrafe von 6,5 Jahren.

Für die übrigen Angeklagten fällte das Gericht Schuldsprüche wegen Drogenhandels, Erpressung und Nötigung. Teils gab es bei diesen Delikten aber auch Freisprüche.

Acht der vierzehn Beschuldigten gelangten gegen das Urteil des Bezirksgerichts an das Obergericht. Sie beantragen zusätzliche Freisprüche sowie teilweise eine Entschädigung für die erstandene Haft, wie es in der Mitteilung des Obergerichts weiter heisst.

Die Staatsanwaltschaft erklärte in sieben Fällen Berufung oder Anschlussberufung. Sie fordert zusätzliche Schuldsprüche sowie die Erhöhung der Strafen und in einem Fall die Verwahrung. Bei fünf Angeklagten ist das Urteil des Bezirksgerichts zwischenzeitlich in Rechtskraft erwachsen. Ein Beschuldigter ist während des Berufungsverfahrens verstorben.

Das Berufungsverfahren startet am 15. September 2021 und wird aufgrund der vielen Beteiligten und Delikte mehrere Monate dauern.

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