Diese Patienten-Fehler passieren in Spitälern besonders oft
Politische Massnahmen reichen nicht: Fünf Prozent der Patienten in Schweizer Spitälern erleiden jährlich vermeidbare Schäden – und über 2000 sterben daran.

Das Wichtigste in Kürze
- Am Unispital Basel wurde Sarah Miesch wegen vertauschter Proben unnötig operiert.
- Kein Einzelfall: Jährlich erleiden fünf Prozent der Spitalpatienten vermeidbare Schäden.
- Der Experte sagt: Die politischen Massnahmen reichen nicht aus.
Am Unispital Basel ist es im Herbst 2024 zu einem schweren Fehler gekommen: Wegen vertauschter Laborproben wurde die 32-jährige Sarah Miesch unnötig am Gebärmutterhals operiert, wie SRF berichtete.
Die Folgen sind gravierend: Durch die Verkürzung des Gebärmutterhalses steigt bei ihr nun das Risiko einer Frühgeburt.
Kein Einzelfall
Was wie ein tragischer Einzelfall wirkt, ist in Wahrheit ein relevantes Problem: In Schweizer Spitälern erleiden fünf Prozent der Patienten vermeidbare Schäden – jedes Jahr.
Dies zeigen Studien sowie die Beratungserfahrung der Patientenstelle Zürich, wie deren Geschäftsleiter Mario Fasshauer auf Anfrage erklärt.
Bereits 2019 deckte Charles Vincent von der Universität Oxford im Auftrag des Bundes gravierende Schwächen im Gesundheitssystem auf. Sein Fazit: Es fehlt vor allem an Transparenz, wenn es um die Qualität der Spitäler geht.
Anthony Staines, Programmleiter Patientensicherheit beim Spitalverband des Kantons Waadt, war an der Erstellung dieses BAG-Berichts beteiligt.
Gegenüber Nau.ch betont er: Medikationsfehler seien die häufigste Ursache vermeidbarer Patientenschäden. Und das sei kein rein schweizerisches Problem: «In Spitälern von Hochlohnländern kommt es im Durchschnitt zu einem Medikationsfehler pro Patient und pro Tag.»
Jährlich über 2000 Todesfälle
In der Schweiz führen unerwünschte Ereignisse in Spitälern laut Schätzungen jedes Jahr zu über 2000 Todesfällen. Etwa die Hälfte davon wäre vermeidbar, so Staines.
Trotz dieser alarmierenden Zahlen erkennt Staines eine positive Entwicklung: «Meiner Einschätzung nach entwickelt sich die Kultur derzeit von einer Kultur des Verdrängens hin zu einer Lernkultur.» Am Ziel sei man jedoch noch nicht.

Um die Patientensicherheit nachhaltig zu verbessern, brauche es ein stärkeres Bewusstsein für die Themen der Patientensicherheit: «Sowohl in der Bevölkerung, als auch bei politischen Entscheidungsträgern.»
Besonders häufig sind Sorgfaltspflichtverletzungen
Gemäss Mario Fasshauer passieren Sorgfaltspflichtverletzungen besonders häufig. Etwa bei der Aufklärung, Kommunikation oder Dokumentation.

Gegenüber Nau.ch weist Fasshauer auf ein grundlegendes Problem hin: «Patienten können nur dann Ansprüche durchsetzen, wenn ein individueller Verursacher im System identifiziert wird.»
Auch wenn klar ein Gesundheitsschaden entstanden sei: «Während bei einer Gebäudeversicherung der Schaden ersetzt wird, unabhängig davon, wer das Feuer gelegt hat, bleibt der Patient im Gesundheitswesen oft ohne Unterstützung, wenn keine konkrete Sorgfaltspflichtverletzung nachgewiesen werden kann», betont Fasshauer.
Erste Schritte sind wichtig, aber nicht ausreichend
Die grössten Defizite? Diese liegen in den Augen der Zürcher Patientenstelle «in der fehlenden Fehlerkultur, ungenügender Transparenz und fehlender systematischer Erfassung.»
Erste politische Schritte wie die Eidgenössische Qualitätskommission seien wichtig, würden aber nicht ausreichen: «Es braucht verbindliche Meldesysteme, stärkere finanzielle Unterstützung für etablierte Patientenorganisationen sowie den strukturellen Einbezug von gemeldeten Fehlern in das Gesamtsystem.»
Ein Patientenfonds wäre laut Fasshauer ein entscheidender Schritt, um Betroffene unbürokratisch unterstützen zu können.
Das BAG erklärt auf Anfrage, dass die Eidgenössische Qualitätskommission aktuell eine Erhebung zur Erfassung von unerwünschten Ereignissen durchführe. Die Erhebung laufe noch bis Ende 2026.