Angst

Dicke Luft im Berner Regionalgefängnis

Samantha Reimer
Samantha Reimer

Bern,

Im Berner Regionalgefängnis gibt es zahlreiche Abgänge. Ungerechtfertigt harte Strafen und Probleme auf der Führungsebene sollen die Gründe dafür sein.

regionalgefängnis bern
Das Regionalgefängnis Bern. - Kanton Bern

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Berner Regionalgefängnis steht in der Kritik.
  • Seit Sommer 2022 hat die Hälfte der Mitarbeiter gekündigt.
  • Dafür gibt es viele Gründe.

Die Berner Haftanstalt steht in der Kritik. Sie wird von Benjamin F. Brägger, ein renommierter Experte für Strafvollzug, als «Problemkind» bezeichnet. Deswegen fordert er laut der «Berner Zeitung» dringend notwendige Veränderungen.

Was ist passiert? Seit dem Sommer 2022 haben mehr als die Hälfte der Mitarbeiter gekündigt. Die Gründe dafür seien vielfältig: Von Problemen mit der neuen Führung bis hin zu ungerechtfertigt harten Bestrafungen für Gefangene ist die Rede.

Brägger, ein erfahrener Jurist und unabhängiger Experte, äussert sich besorgt über die Situation: «Bei derart vielen Kündigungen muss die Leitung definitiv über die Bücher», sagt er.

Berner Gefängnis – Ein Logistikbetrieb?

Laut Brägger ist das Regionalgefängnis Bern schon seit längerem problematisch. Mit über 10'000 Ein- und Austritten pro Jahr gleiche es eher einem Logistikbetrieb als einer Justizvollzugsanstalt.

Sollte es im Berner Regionalgefängnis Änderungen geben?

Er schlägt vor, dass Personen nur einige Wochen ihrer Untersuchungshaft im veralteten Gebäude an der Genfergasse untergebracht werden sollten. Als Vorbild nennt er Zürich, wo eine konsequente Trennung von Haftarten praktiziert wird.

Wer hat die moderneren Haftbedingungen?

Im Vergleich zu Zürich hinkt Bern in Bezug auf moderne Haftbedingungen hinterher. In Untersuchungshaft dürfen Verdächtige ihre Zelle nur für wenige Stunden am Tag verlassen, während Verurteilte mehr Freiheiten geniessen.

Die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter hat die strenge U-Haft in der Schweiz bereits mehrfach kritisiert. Sie sei die härteste Form der Haft, obwohl für alle Inhaftierten die Unschuldsvermutung gilt.

Der Berner Sicherheitsdirektor Philippe Müller weist diese Kritik jedoch zurück. Er betont, dass es auch in den Berner Gefängnissen längere Öffnungszeiten der Zellen, Gruppenvollzug und Zugang zu Bibliotheken gibt. Er wolle die persönliche Freiheit nur so weit einschränken, wie es der Haftzweck erfordere.

Suizidrate und Lösungsansätze

Trotzdem bleibt ein grosses Problem bestehen: Rund 60 Prozent aller Suizide im Freiheitsentzug geschehen während der U-Haft. Ein Wert, der deutlich über dem europäischen Durchschnitt von 37,5 Prozent liegt.

Brägger empfiehlt daher Lockerungen nach drei Monaten Untersuchungshaft: «Der Mensch braucht soziale Kontakte, sonst nimmt er psychischen Schaden».

Um solche Schäden zu minimieren, plane Bern daher bis 2027 einen gemeinsamen Modellversuch mit Zürich für die «U-Haft von morgen».

Ziel sei es, die Inhaftierten dabei zu unterstützen, ihre vorhandenen Ressourcen zu erhalten und so ihre spätere Wiedereingliederung zu verbessern.

Platz- und Personalprobleme

Brägger begrüsse diesen Testlauf, weist jedoch darauf hin, dass eine offenere U-Haft auch mehr Personal erfordert. Viele Untersuchungsgefängnisse sind veraltet und ein moderner Haftvollzug daher nicht möglich. Auch das Regionalgefängnis Bern gehört dazu.

Müller betont hingegen die Komplexität des Strafvollzugs: «Es gibt keine Lösungen, die alle Experten zufriedenstellen».

Er erinnere daran, dass der Grundauftrag des Strafvollzugs unter anderem auch die Bestrafung sowie den Schutz der Bevölkerung umfasst.

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