Das Zürcher Fabriktheater befindet sich im Stresstest
Das Zürcher Stadttheater wird aufgrund der Coronakrise einem Stresstest ausgesetzt. Die Pandemie legt bestehende Schwachstellen offen.

Das Wichtigste in Kürze
- Die Coronakrise zeigt bestehende Schwachstellen von Produktionen ohne feste Ensembles auf.
- Die Stadtzürcher Abstimmung «Ja zum Fördersystem Tanz und Theater» ist am 29. November.
- Ein Ja der Zürcherinnen und Zürcher würde mehr Planungssicherheit geben.
Dem Fabriktheater in der Roten Fabrik in Zürich beschert das Coronavirus einen Stresstest: mehr Arbeit, mehr Aufführungen – und weniger Publikum. Corona lege bisherige Schwachstellen im System offen, sagt Co-Leiter Michael Rüegg. Er hofft auf ein robusteres Fördersystem.
50 statt 200 Zuschauerinnen und Zuschauer
Eigentlich könnte das Fabriktheater einem Publikum von 100 bis 200 Personen Platz bieten. Doch mit den Beschränkungen wegen der zweiten Coronawelle dürfen derzeit nur 50 Zuschauerinnen und Zuschauer Platz nehmen.

Dafür braucht es aber drei bis vier Personen, statt einer, nur schon für den Einlass. Zudem herrscht generell mehr Betrieb an dem Theater, weil wegen des reduzierten Publikums die Zahl der Aufführungen erhöht wird. «Wir sind erleichtert, dass wir die Produktionen überhaupt durchführen können, aber der höhere Aufwand bringt uns an unsere Grenzen», sagt Michael Rüegg, Co-Leiter des Fabriktheaters, gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Höherer Aufwand, tiefere Einnahmen
Um rund 30 Prozent sei der Aufwand in Coronazeiten gestiegen. Gleichzeitig brechen durch die Reduktion des Publikums rund die Hälfte Einnahmen weg, die dann bei der Finanzierung der Projekte fehlen. «Wir hoffen daher sehr, dass wir bald eine Ausfallentschädigung bekommen, sonst müssen wir unser Programm drastisch reduzieren.»
Stücke mit freischaffenden Theatergruppen
Die zehnköpfige freischaffende Theatergruppe beschäftigt vier Schauspielerinnen und Schauspieler; eine von ihnen kommt aus Spanien, eine weitere aus Belgien.
Ein Merkmal bei Stücken mit freischaffenden Theatergruppen ist, dass sie nicht auf fertigen Texten basieren, sondern inhaltlich mit den Darstellern im Verlauf der Proben von Grund auf entwickelt werden.

Zudem hängt für die künstlerischen Leiter von Produktionen ohne feste Ensembles ein ganzer Rattenschwanz von Unwägbarkeiten: neben dem Terminkalender der Mitglieder vor allem der anspruchsvolle Ablauf von der Idee zum Projekt, über die Beschaffung der Gelder, bis zu den Aufführungen. In der Regel vergehen von der Idee bis zur Premiere zwei Jahre.
«Ja zum Fördersystem Tanz und Theater»
«Dieses System war schon bis anhin fragil, mit Corona ist es total zerbrechlich geworden», sagt Rüegg. Denn, wenn das Virus die zeitlichen Abläufe durcheinanderbringt, dann gerieten ganze Produktionen in Gefahr. «Wir brauchen unbedingt mehr Planungssicherheit.»
Mit dieser Aussage spielt Rüegg auf die anstehende Stadtzürcher Abstimmung «Ja zum Fördersystem Tanz und Theater» vom 29. November an.

Als sogenanntes Koproduktionshaus, welches pro Jahr bis zu 150 Aufführungen programmiert, wird das Fabriktheater für seine Kooperationen mit der freien Szene subventioniert. «Sollte das Anliegen von den Zürcher Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern angenommen werden, flössen Mittel, die bis anhin von einer städtischen Kommission vergeben wurden, direkt zu uns, was uns zu einem verlässlicheren und attraktiveren Partner für die freien Theaterschaffenden machen würde», so Rüegg.
Corona legt Schwachstellen offen
In derzeit gerade für Kulturschaffende düsteren Coronazeiten ist ein «Ja» der Zürcherinnen und Zürcher für Rüegg der Silberstreifen am Horizont. Corona habe bestehende Schwachstellen «gnadenlos offengelegt»; ein vereinfachtes Fördersystem, wie es jetzt geplant sei, hätte seinem Theater den derzeitigen Stresstest zu einem grossen Teil erspart.