Laut dem Bundesamt für Statistik werden mehr Frauen zu Männern als umgekehrt. Warum? Ein Experte klärt auf.
LGBTQI+ Pride. (Symbolbild)
Trans Männer entscheiden sich laut dem Bundesamt für Statistik häufiger für eine Geschlechtsanpassung als trans Frauen. - Nau.ch / Simone Imhof

Das Wichtigste in Kürze

  • 2022 gab es doppelt so viele Geschlechtsanpassungen als noch im Jahr 2019.
  • Die meisten davon betrafen Angleichungen vom weiblichen zum männlichen Geschlecht.
  • Das lässt sich unter anderem, aber nicht nur mit einem statistischen Fehler erklären.
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Im Jahr 2022 gab es nahezu doppelt so viele Geschlechtsanpassungen als noch im Jahr 2019. Die meisten davon (68 Prozent) betrafen Angleichungen vom weiblichen zum männlichen Geschlecht. Das sagen neue Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS).

Es scheint also, dass mehr Frauen eine Operation durchführen lassen Männer. Doch warum ist das so? Ist es gesellschaftlich attraktiver oder gar vorteilhafter, ein Mann zu sein?

Was sind trans Frauen und trans Männer?

Nau.ch hat nachgefragt. David Garcia Nuñez, Leiter Innovations-Focus Geschlechtervarianz beim Universitätsspital Basel, ordnet ein. Und stellt zunächst klar: Es könne nicht die Rede sein von Frauen, die zu Männern werden oder umgekehrt.

«Trans Frauen sind Menschen, die mit einem Penis auf die Welt gekommen sind. Sie wurden bei Geburt als Männer eingestuft, obschon sie eine weibliche Geschlechtsidentität haben.»

Wurden Sie im falschen Körper geboren?

Bei trans Männern verhalte es sich genau umgekehrt: Sie fühlen sich als Mann, obwohl sie eine Vulva haben.

Statistischer Fehler beim Bundesamt für Statistik

Warum es mehr Anpassungs-OPs bei trans Männern als bei trans Frauen gibt? Hier sieht Nuñez einen statistischen Fehler: «Das BFS betrachtet nur Operationen – egal ob im Brust- oder im Genitalbereich – als ‹Geschlechtsanpassung›».

Bei vielen trans Frauen, also als Mann geborene Personen, genüge aber die feminisierende Hormonbehandlung für eine zufriedenstellende Brustvergrösserung. Die Folge: Sie lassen gar keine OP durchführen. So werden sie statistisch nicht erfasst.

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Laut dem Bundesamt für Statistik gibt es mehr Geschlechtsumwandlungen von «Frau» zu «Mann», als umgekehrt.
Profil von Garcia Nuñez
Dr. med. D. Garcia Nuñez ist Leiter Innovations-Focus Geschlechtervarianz beim Universitätsspital Basel.
Er erklärt: «Das BFS betrachtet nur Operationen – egal ob im Brust- oder im Genitalbereich – als ‹Geschlechtsanpassung›».
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Bei vielen trans Frauen genüge aber die feminisierende Hormonbehandlung, um eine zufriedenstellende Brustvergrösserung zu erfahren.
Brustkrebs auch bei Männern
Die Folge: Es braucht keine Operation, so werden sie auch nicht statistisch erfasst.

«Trans Männer hingegen erfahren kaum eine Brustreduktion unter der maskulinisierenden Hormonbehandlung. Dadurch sind sie gezwungen, eine Operation in diesem Bereich durchzuführen.»

Gesellschaftliche Perspektiven

Ist es jetzt aber «einfacher», in der heutigen Gesellschaft ein biologischer Mann zu sein? Nuñez erklärt: «Unsere Kultur ist heteropatriarchal organisiert. Das heisst, Männer geniessen in vielen Bereichen einen strukturellen Vorteil.»

Das gelte zwar nicht im selben Ausmass für alle Männer. Aber fest stehe: «Trans Männer werden gegenüber trans Frauen weniger diskriminiert.» Im Vergleich zu cis Frauen erlebten trans Männer aber mehr gesellschaftliche Nachteile.

Grund für die Zunahme an Geschlechtsanpassungen

Warum es im Vergleich zu 2019 zu einer Verdoppelung der Geschlechtsanpassungen gekommen ist, darauf hat auch Nuñez keine eindeutige Antwort.

«Expertinnen und Experten gehen aber davon aus, dass ungefähr 0,5 Prozent der Bevölkerung so starke ‹Geschlechterspannungen› haben, dass sie hormonelle oder chirurgische Schritte unternimmt.»

Für die Schweiz mit ihren neun Millionen Einwohnern hiesse das, «dass es rund 40'000 trans Personen gibt. Jährlich dürften zwischen 400 und 600 Personen eine Geschlechtsangleichung unternehmen.»

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