800 Jahre Sissach: Ein Dorf macht Schlagzeilen

Jan Amsler
Jan Amsler

Sissach,

Geschichten, die über die Gemeinde hinaus Wellen schlugen. Eine Presseschau zum Jubiläum.

Sissach Jubiläum
Über die Jahre hat Sissach immer wieder für Schlagzeilen gesorgt. - OnlineReports.ch/Jan Amsler / keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Baselbieter Gemeinde Sissach feiert 800-jähriges Jubiläum.
  • In seiner Historie hat der Ort schon einige Male medial für Aufmerksamkeit gesorgt.
  • Hier findest du die einschneidendsten Ereignisse in der Übersicht.

Gäbe es eine Statistik für die Anzahl Schlagzeilen pro Einwohnerin und Einwohner, wäre Sissach wohl weit vorne zu finden.

Die Oberbaselbieter Zentrumsgemeinde zählt knapp 7000 Menschen. Als die Ortschaft vor 800 Jahren gegründet wurde, waren Zeitungen und Fernsehen noch nicht erfunden. Doch seit Informationsmedien bestehen, taucht das Dorf regelmässig darin auf – und schaffte es sogar schon in die internationale Presse.

In den jüngsten Berichten geht es um die Tschudy-Villa. Das Kantonsgericht hat den Fall des einst stolzen, nun aber halb abgerissenen Gebäudes zurück an die Baselbieter Regierung geschickt. Diese muss nun noch einmal prüfen, ob das Haus schützenswert ist – und wieder aufgebaut werden soll.

Tschudy-Villa Sissach
Zum Schutz eine Dachkonstruktion: Die beschädigte Tschudy-Villa im März 2024. - OnlineReports.ch / Jan Amsler

Die Villa ist nicht der erste Sissacher Bau, der landesweit bekannt geworden ist. «Wer hat geschlampt?», fragt der «Blick» in fetten Buchstaben am 20. November 2012.

Knapp einen Monat zuvor musste die Kunsteisbahn geschlossen werden, weil das marode Dach einzustürzen drohte. Zunächst ging man von wenigen Wochen aus, doch am Ende dauerte es zwei Jahre, bis auf der Sissacher Kunsti wieder Schlittschuh gefahren und Eishockey gespielt werden konnte.

Die Rechtsstreitigkeiten sollten noch länger dauern, und eine klare Antwort auf die Frage des «Blick» gibt es bis heute nicht.

Ein Krater von 30 Metern Durchmesser

Einen «Super-Gau» erleben die Sissacherinnen und Sissacher laut der «Basler Zeitung» beim Chienberg-Tunnel. Der Umfahrungstunnel stürzt während des Baus im Februar 2002 teilweise ein.

Am Hang beim Dorfausgang in Richtung Fluh entsteht ein Krater von 30 Metern Durchmesser. Die «Sehenswürdigkeit» lockt viele Schaulustige ins Oberbaselbiet.

Chienbergtunnel Einsturz
Blick auf den Krater, der durch den teilweisen Einsturz des Tunnels im Jahr 2002 entstand. - keystone

Um Bauen im weiteren Sinne geht es in einer Sommer-Geschichte im Jahr 2017. «Bauschutt-Sauerei in Sissach BL – Glögglifrosch in Gefahr», titelt der «Blick».

Ein früherer Einwohner, zum Tatzeitpunkt in Brislach zu Hause, kippt fast fünf Kubikmeter Abfall in das Biotop Cholholz, wo Glögglifrosch, Molche, Libellen und Co. leben.

Öffentliche Metzgete: Aufklärung oder Spektakel?

Im selben Jahr schaffen es weitere Tiere in die nationale Presse.

Die «NZZ» fragt im Oktober: «Ein Baselbieter Metzger will am Samstag mitten im Dorf zwei Säue schlachten: Ist das Aufklärung oder blosses Spektakel? Es herrschen Aufruhr und Irritation weit über das Dorf Sissach hinaus.»

Was hast du von der Metzgete damals in Sissach gehalten?

Für Diskussionen – und Spott – sorgt auch ein damaliger Pfarrer, der gegen die Metzgete mobil macht und sich im Strichcode selbst geisselt.

Hausmetzgete Sissach
Ein Schwein kurz vor der Schlachtung. (Archivbild) - keystone

Die Deutsche Presse-Agentur berichtet über die öffentliche Metzgete: «Einige Dutzend Zuschauer waren am Samstag dabei, als zwei Schweine getötet, gereinigt und auseinandergenommen wurden. Die Tiere, darauf legten die Veranstalter Wert, stammten aus einem Biohof in Sissach.»

Queen Maya

Am 25. November 2012 enthüllt der «Sonntagsblick»: «Geheim! Parlamentarier üben für Queen Maya».

Tags darauf wird die Sissacher Langzeit-Politikerin Maya Graf als erste Grüne überhaupt zur Nationalratspräsidentin gewählt. Nochmals zwei Tage später feiert das Dorf die höchste Schweizerin mit einem Fest.

Maya Graf
Maya Graf wurde 2012 die erste Grüne als Nationalratspräsidentin. (Archivbild) - keystone

Erstmals tritt die Bundeshaus-Band auf, gegründet vom Freisinnigen Andrea Caroni. Gespielt wird «We are the Champions» von Queen – «Weil Maya nun unsere Queen wird!», lässt sich Caroni im «Sonntagsblick» zitieren.

Auch eine andere Sissacher Grüne sorgt überregional für Schlagzeilen: Laura Grazioli. Sie tritt während der Corona-Pandemie als Massnahmen- und Impfkritikerin in Erscheinung und setzt sich ausserdem für die sogenannte Souveränitäts-Initiative um den umstrittenen Nicolas Rimoldi ein.

Dies führt letztlich dazu, dass die Parteimitglieder sie nicht für den Nationalrat kandidieren lassen. Zuvor gilt sie noch als Hoffnungsträgerin und wird gar als potenzielle Regierungsrätin gehandelt, sollte Isaac Reber – ebenfalls Sissacher – eines Tages doch noch zurücktreten. Im Oktober 2023 verlässt Grazioli Landrat und Partei.

«Fuck SVP»

Immer wieder für Schlagzeilen sorgt SVP-Politikerin Sarah Regez – zuletzt wegen ihrer Hochzeit mit Nils Fiechter, dem Präsidenten der Jungen SVP. «Entsteht hier eine Polit-Dynastie?», fragt die «Weltwoche».

Regez nimmt aber auch an einem Geheimtreffen teil, an dem der Rechtsextreme Martin Sellner auftritt. In Sissach ist sie an einer «Mahnwache» von Impfgegnern beteiligt. Man unterstützt eine Mutter, die ihre Kinder trotz Kesb-Verfügung nicht geimpft hat.

Sarah Regez
Die umstrittene Sissacher Politikerin Sarah Regez. (Archivbild) - keystone

Regez erzielt bei den Nationalratswahlen 2023 ein sehr gutes Resultat und ist erste Nachrückende. Doch in ihrem Dorf kommt sie nicht gut an: Sie verpasst im März 2024 die Wahl in die Sissacher Gemeindekommission – obwohl nur 17 Personen für die 15 Sitze kandidiert haben.

Regez Juso Baselland
Die Juso Baselland veranstalteten im April 2024 eine Demonstration und protestierten gegen Rechtsextremismus – auch gegen Sarah Regez. (Archivbild) - keystone

Wegen Regez organisierte die Baselbieter Juso im April 2024 eine Demonstration gegen Rechtsextremismus. Seither prangt auf dem Nebiker-Turm eine «Fuck SVP»-Schmiererei.

Sissach Nebiker-Turm
Der verschmierte Nebiker-Turm in Sissach. - OnlineReports.ch / Jan Amsler

Russland-Reise mit Folgen

Mundart-Dichterin Helene Bossert war ebenfalls politisch in Verruf geraten. Jahrzehnte nach ihrem Tod sorgt sie immer noch für Diskussionen.

Der Sissacher Journalist Alan Cassidy erzählt im Oktober 2021 im «Tages-Anzeiger», wie Bossert «zur Landesverräterin gemacht» wurde. Eine andere Position nimmt die «NZZ» ein.

Sie schreibt am 12. April 2022 im Feuilleton über zwei Seiten, wie sich die Sissacherin und die Schweizer Frauenvereinigung für Frieden und Fortschritt bei ihrer Russland-Reise im Jahr 1953 eben doch für sowjetische Propaganda missbrauchen liessen.

Die Debatte gewinnt wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine und Diskussionen um sogenannte Russland-Versteher zusätzlich an Brisanz.

Helene Bossert
Mundart-Dichterin Helene Bossert. - Staatsarchiv Baselland

Nicht zuletzt sorgt das Sissacher Jubiläumsjahr selbst für Schlagzeilen. Ein Historiker-Duo zerstreitet sich kurz vor dem Jahreswechsel mit dem Gemeinderat, sodass der geplante historische Themenweg zu scheitern droht.

Doch nun will Gemeinderat Robert Bösiger das Projekt auf eigene Faust umsetzen. Es zeichnet sich ein Happy End ab – wie so oft bei den Skandalen und Skandälchen in der 800-jährigen Gemeinde.

***

Hinweis: Dieser Artikel wurde zuerst im Basler Newsportal «OnlineReports» publiziert.

Kommentare

User #8568 (nicht angemeldet)

Diese öffentliche Metzgerei finde ich als störend und ist die reinste Tierquälerei. Und am aller schlimmsten ist, dass zig Zuschauer dabei stehen, zusehen und sich daran laben, wie das arme Tier öffentlich gequält, dann noch wie grausam getötet wird und es danach noch ohne schlechtes Gewissen fressen können.

User #3875 (nicht angemeldet)

Übrigens der Biohof in Sissach gehört der reichen Biobäuerin und SP Ständerätin Maya Graf.

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