Zürcher Immunologen haben enthüllt, welche Signaturen im Blut zu einer Long Covid-Erkrankung führen können. So können nun bessere Vorhersagen getätigt werden.
Asthma Long Covid
Das sind gemäss Zürcher Forschern die grössten Risikofaktoren bei Long Covid. - keystone / dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Zürcher Immunologen haben ein Merkmal der Long Covid-Erkrankung gefunden.
  • Eine Ursache für Long Covid könnte eine fehlgeleitete Immunantwort sein.
  • Der beste Schutz gegen Long Covid sei aber immer noch die Impfung.
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Zürcher Immunologen haben Signaturen im Blut von Covid 19-Patienten entdeckt, die eine Long Covid-Erkrankung frühzeitig vorhersagen könnten. Den auf den Erkenntnissen beruhenden klinischen Risiko-Score stellen sie im Fachmagazin «Nature Communications» vor.

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Müdigkeit, Atemnot, kognitive Beeinträchtigung, Muskelschwäche und Gelenkschmerzen: Halten neu auftretende Beschwerden nach einer Covid-19-Erkrankung länger an, spricht die Fachwelt von Long Covid. Wieso manche Patienten unter solchen Langzeitfolgen leiden und andere nicht, ist bisher nur unzureichend geklärt.

Studie an 175 Covid-Patienten der ersten Welle

Das Team um Onur Boyman, Immunologe an der Universität und dem Universitätsspital Zürich, analysierte nun die Krankheitsgeschichte von 175 Personen. Sie alle wurden schon in der ersten Welle positiv auf das Coronavirus getestet.

40 Personen, ohne nachweisbaren Kontakt mit Sars-CoV-2, dienten als Kontrollgruppe. Von denjenigen Personen, die leicht an Covid-19 erkrankt waren, berichteten 54 Prozent von Symptomen, die länger als vier Wochen anhielten. Von den schwer erkrankten Patienten waren es 82 Prozent.

Neuer Antikörper
Coronaviren unter dem Mikroskop. - National Institute of Allergy and Infectious Diseases/AFP

Anhand der klinischen Daten kristallisierten sich verschiedene Faktoren heraus, die mit einem Risiko für Long Covid einhergehen. Dazu gehören Alter, Schwere der Erkrankung und allergisches Asthma. Zudem fanden die Forschenden Signaturen im Immunsystem: Ein niedrigerer Spiegel von zwei bestimmten Klassen von Antikörpern korrelierten mit einem höheren Risiko für Long Covid.

Fehlgeleitete Immunantwort bei Coronavirus

Antikörper sind die Waffen des Immunsystems im Kampf gegen Krankheitserreger. Bei den für Long Covid relevanten Antikörpern handelt es sich der Studie zufolge zum einen um die Immunoglobuline M. Diese spielen besonders bei der Immunantwort zu Beginn einer Infektion eine wichtige Rolle. Zum anderen wiesen Long Covid-Betroffene tiefere Konzentrationen der Immunoglobuline G3 auf, die für die Bekämpfung von Viren allgemein wichtig sind.

Bei der entdeckten immunologischen Signatur handle es sich aber nicht um die spezifische Abwehr gegen Sars-CoV-2. Diese beinhaltet vielmehr Antikörper, die sich gegen verschiedenste Krankheitserreger richteten, sagte Boyman im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA: «Die Spiegel der verschiedenen Antikörperklassen zeigen eher, wie das Immunsystem generell mit Infektionen umgeht.»

Neutralisierender Antikörper Virus
Die ETH und das Unispital in Lausanne haben einen neutralisierenden Antikörper gegen den Virus gefunden. (Symbolbild) - AFP/Archiv

Die Ergebnisse könnten demnach darauf hindeuten, dass eine Ursache für Long Covid eine fehlgeleitete Immunantwort sein könne. «Dies eröffnet die Möglichkeiten für gezielte Behandlungen, etwa durch die Gabe bestimmter Immunoglobuline oder immunmodulierender Medikamente», so Boyman.

Der beste Schutz gegen Long Covid sei aber ganz klar die Impfung. Mit dieser liesse sich das Risiko einer raschen Virusvermehrung bei Kontakt mit dem Virus vermindern. Folglich komme es gar nicht zu einer fehlgeleiteten Immunreaktion.

Risiko-Score-Modell für Ärzte frei zugänglich

Ihre Erkenntnisse liessen die Forschenden in ein neues Modell fliessen, mit dem sich das Risiko für Long Covid berechnen lässt. Sie verifizierten es bereits mit einer unabhängigen Studiengruppe von 395 positiv auf Sars-CoV-2 getesteten Personen. Zudem machte Carlo Cervia, Erstautor der Studie, das Modell auf einer Webseite frei zugänglich für Ärztinnen und Ärzte.

long covid
Von Long Covid betroffene Menschen spüren die Folgen des Coronavirus monate- oder auch jahrelang. (Symbolbild) - keystone

«Das erlaubt uns, die Anwendbarkeit des Risiko-Scores mit tausenden Menschen unterschiedlichen Alters, Ethnien und gesundheitlichen Vorgeschichten zu prüfen», sagte Boyman. Der Vorteil der Methode sei insbesondere, dass sich die für das Modell benötigten Immunoglobulin-Spiegel billig und einfach bestimmen liessen.

Fast 1800 IV-Neuanmeldungen

Je nach Studie leiden zehn bis sechzig Prozent der Patienten unter Langzeitfolgen einer Coronavirus-Infektion. Die Unterschiede sind derart gross, weil für Long Covid nicht immer dieselbe Definition verwendet wird. Mit Sicherheit liesse sich aber sagen, dass sich die Betroffenen in ihrem Leben stark eingeschränkt fühlten, so Boyman.

Im vergangenen Jahr haben sich bei der Invalidenversicherung (IV) 1775 Personen wegen Langzeitfolgen von Covid-19 angemeldet. 70,6 Prozent der Anmeldungen stammen von Personen zwischen 46 und 65 Jahren. Der Rest war jünger.

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